Mittwoch, 16. Dezember 2020

Irritierendes: Zur Krise der Religion? Stirbt sie an einem Zuviel an Aufklärung?

(Ist die Aufklärung ersteinmal die Domestikation der christlichen Religion als Antwort auf den innerchristlichen Religionskrieg des 17.Jahrhundertes, so devitalisiert sie so auch die Religion  mit der These, daß es gleichgültig sei, wie Gott verehrt würde,es käme allein auf das sittliche Handeln an)


Manchmal wird gefunden, wo man nicht gesucht hat, oder wer hätte in der Ästhetik von G.Lukcas einen erhellenden Gedanken zur Möglichkeit der Krise der Religion zu finden erwartet? „Versuche zur völligen Befreiung einer Religion von ihren magischen Überlieferungen bedeuten oft tiefe Krisen in der Religion selbst.“ (Die Eigenart des Ästhetischen, Band 1,Kap 1, Probleme der Widerspiegelung im Alltagsleben, S.98).

Lukacs versucht einen Anfangszustand zu rekonstruieren, der als Emergenzpunkt für die Herausentwickelung der Wissenschaft und der Kunst als zwei verschiedenen Weisen des Umgehens mit der Wirklichkeit begriffen werden soll. Der Begriff des Alltagslebens soll diesen Zustand benennen, der dann aber klar vom jetzigen zu distinguieren ist, weil in das Alltagsleben die Wissenschaft und die Kunst wieder zurückwirken.Das Gemeinsame der Wissenschaft und der Kunst soll nun ihr widerspiegelnder Charakter sein, aber in verschiedener Weise, die der Wissenschaft und der Kunst je eigene.Randständig wird dann auch die Herausentwickelung der Religion aus diesem Alltagsleben versucht zu begreifen.

Dabei wird die These vertreten, daß die Magie der Religion vorausging als Konzept des Versuches der Beherrschung der Naturkräfte durch beschwörende Praktiken. In jeder Religion lebten nun magische Praktiken weiter (hegelianisch als in ihr aufgehobene begriffen) und wenn sich die Religion gänzlich davon emanzipierte sie selbst sich damit schädigen würde.Hegelianisch formuliert: Das höher Entwickelte muß das ihm Vorangegangene in sich fortleben lassen, weil nur so es wirklich das höher Entwickelte sein kann.

Selbst wenn die Magie die beherrscht werden sollenden Naturkräfte als Geister ansieht, die Natur also animistisch versteht, behandelt sie sie wie leblose Dinge, sie zwingt und fesselt“ sie. (S.94). Das Beherschenwollen steht also im Vordergrund: Die magischen Praktiken bezwingen das durch sie Beschworene.Davon unterscheide sich die religiöse Praxis: Sie versucht, „zu versöhnen und sich geneigt zu machen“. (S.94) Einfacher gesagt: Die Magie ist eine werkzeugliche Praxis, die Religion eine kommunikative.

Die kommunikative Praxis setzt die Vorstellung eines Gegenübers voraus, mit dem man kommunizieren kann, der etwas will und der sein Wollen verändern kann, daß man ihn dazu bewegen kann, etwas anderes zu wollen als er gewollt hatte, bevor man mit ihm kommunizierte. Sich mit diesem Gegenüber der religiösen Kommunikation versöhnen zu können, sich ihm geneigt machen zu können, impliziert schon eine recht komplexe Vorstellung von den höheren Wesen, mit denen so kommuniziert werden kann. Der religiöse Kult ist dabei als der Primärort dieser Kommunikation anzusehen. In dieser Praxis wird die magische Praxis bewahrt, indem an den performativen Charakter festgehalten wird: Durch diese Praxis wird das Gegenüber verändert, aus einem Menschen feindlich, zornig Gegenüberstehenden wird durch diese Praktiken ein wieder mit den Menschen Versöhnter. Nur wird die Einwirkung in der magischen Praxis in der Analogie zur Bearbeitung von etwas gedacht,mechanisch in der religiösen in der Analogie zur Kommunikation. So kann es in der magischen Praxis keine „ethisch-religiösen Beziehungen“ (S.94) zum Zubeschwörendem geben. Erst eine Kommunikationspraxis ermöglicht die Vorstellung, daß die sittliche Qualität des Menschen für die Beziehung zum wie auch immer dann näher vorgestelltem Gegenüber von Bedeutung ist.

Wenn nun die Art der religiösen Kommunikation näher analysiert wird, fällt dies ins Auge:

Sobald z.B. in die Bezihung zwischen Mensch und Gott genau einzuhaltende Zeremonien, genau vorgeschriebene Worte, Gebärden etc vermittelnd eingeschaltet werden, um die Gottheit günstig zu beeinflussen, sie den Bitten geneigt zu machen, ist és klar, daß dabei magische Tendenzen als organische Bestandteile der Religion erscheinen.“ (S. 102)

Wer nun spontan das als für die christliche Religion als völlig absurde Vorstellung abtuen möchte, der muß daran erinnert werden, daß, spräche ein katholischer Priester statt eines der zugelassenen Hochgebete der Eucharistie: „Wir wollen jetzt wie Jesus miteinander Abendmahl feiern“, dann das nicht nur unerlaubt sondern auch eine ungültige Eucharistiefeier wäre. Spräche nun ein evangelischer Pfarrer das Hochgebet, auch wenn er es ganz korrekt spricht, wäre ebenso ungültig, weil er nicht dazu befähigt ist, die Wandlungsworte wirkmächtig zu sprechen, da er nicht zum Priester geweiht wurde sondern nur zum Pfarrer ordiniert worden ist.s

Aber das Problem ist noch prinzipieller. Kann es ein menschliches Handeln geben, das Gott zum Anlaß nimmt, etwas zu wollen und zu wirken, das er nicht wollen und wirken würde, hätte sich die menschliche Handlung nicht ereignet. Anders formuliert: Kann Gott als kontingent auf menschliches Handeln Reagierender gedacht werden? Vulgärer gesagt: Schon die Vorstellung, daß menschliches Handeln Gott „beeinflussen“ könnte, steht unter dem Generalverdacht des Magischen.

So ist es für Calvinisten unerlaubt, für ihre Verstorbenen zu beten, da Gott ja von Ewigkeit her die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Verdammnis bestimmt hat,sodaß auch noch so intensives Beten das Geschick eines Verstorbenen ändern kann. Der Katholische Theologe Keller lehrt gar, daß Gott ob seiner Vollkommenheit gar kein Gebet (oder gar Opfer) erhören kann, da er als Vollkommener immer nur das Vollkommenste will und dadurch so determiniert ist, daß er sein Wollen nicht um eines Gebetes willen ändern könnte. (Vgl: Uwe C. Lay, Der zensierte Gott).

Wird dann nach der Bedeutsamkeit des Gottesdienstes gefragt,wird es problematisch, denn nun kann die Messe nur noch etwas für den Gläubigen bedeuten. Das inkludiert, daß für das Verhältnis Gottes zu einem Menschen es gleichgültig ist, ob der Mensch am Gottesdienst teilnimmt oder nicht, da Gott nun als jeden Menschen bedingungslos Liebenden vorgestellt wird. Der Gottesdienst kommt nur noch die Aufgabe zu, diese Gottesvorstellung zu vermitteln. Niemals aber kann ein Gottesdienst die Gottheit günstig beeiflussen oder geneigt machen. Was also nach Lukacs noch das Proprium der Religion war, droht nun als magische Vorstellung aus der Religion herausselektiert zu werden. Die christliche Religion reduziert sich so zum moralischen Dauerappellieren im Namen Gottes: Weil Gott uns liebt, haben wir zu tuen und zu unterlassen...Das ist nun wahrlich ein armseliges Überbleibsel der christlichen Religion.


Manchmal wird gefunden, wo man nicht gesucht hat, oder wer hätte in der Ästhetik von G.Lukcas einen erhellenden Gedanken zur Möglichkeit der Krise der Religion zu finden erwartet? „Versuche zur völligen Befreiung einer Religion von ihren magischen Überlieferungen bedeuten oft tiefe Krisen in der Religion selbst.“ (Die Eigenart des Ästhetischen, Band 1,Kap 1, Probleme der Widerspiegelung im Alltagsleben, S.98).

Lukacs versucht einen Anfangszustand zu rekonstruieren, der als Emergenzpunkt für die Herausentwickelung der Wissenschaft und der Kunst als zwei verschiedenen Weisen des Umgehens mit der Wirklichkeit begriffen werden soll. Der Begriff des Alltagslebens soll diesen Zustand benennen, der dann aber klar vom jetzigen zu distinguieren ist, weil in das Alltagsleben die Wissenschaft und die Kunst wieder zurückwirken.Das Gemeinsame der Wissenschaft und der Kunst soll nun ihr widerspiegelnder Charakter sein, aber in verschiedener Weise, die der Wissenschaft und der Kunst je eigene.Randständig wird dann auch die Herausentwickelung der Religion aus diesem Alltagsleben versucht zu begreifen.

Dabei wird die These vertreten, daß die Magie der Religion vorausging als Konzept des Versuches der Beherrschung der Naturkräfte durch beschwörende Praktiken. In jeder Religion lebten nun magische Praktiken weiter (hegelianisch als in ihr aufgehobene begriffen) und wenn sich die Religion gänzlich davon emanzipierte sie selbst sich damit schädigen würde.Hegelianisch formuliert: Das höher Entwickelte muß das ihm Vorangegangene in sich fortleben lassen, weil nur so es wirklich das höher Entwickelte sein kann.

Selbst wenn die Magie die beherrscht werden sollenden Naturkräfte als Geister ansieht, die Natur also animistisch versteht, behandelt sie sie wie leblose Dinge, sie zwingt und fesselt“ sie. (S.94). Das Beherschenwollen steht also im Vordergrund: Die magischen Praktiken bezwingen das durch sie Beschworene.Davon unterscheide sich die religiöse Praxis: Sie versucht, „zu versöhnen und sich geneigt zu machen“. (S.94) Einfacher gesagt: Die Magie ist eine werkzeugliche Praxis, die Religion eine kommunikative.

Die kommunikative Praxis setzt die Vorstellung eines Gegenübers voraus, mit dem man kommunizieren kann, der etwas will und der sein Wollen verändern kann, daß man ihn dazu bewegen kann, etwas anderes zu wollen als er gewollt hatte, bevor man mit ihm kommunizierte. Sich mit diesem Gegenüber der religiösen Kommunikation versöhnen zu können, sich ihm geneigt machen zu können, impliziert schon eine recht komplexe Vorstellung von den höheren Wesen, mit denen so kommuniziert werden kann. Der religiöse Kult ist dabei als der Primärort dieser Kommunikation anzusehen. In dieser Praxis wird die magische Praxis bewahrt, indem an den performativen Charakter festgehalten wird: Durch diese Praxis wird das Gegenüber verändert, aus einem Menschen feindlich, zornig Gegenüberstehenden wird durch diese Praktiken ein wieder mit den Menschen Versöhnter. Nur wird die Einwirkung in der magischen Praxis in der Analogie zur Bearbeitung von etwas gedacht,mechanisch in der religiösen in der Analogie zur Kommunikation. So kann es in der magischen Praxis keine „ethisch-religiösen Beziehungen“ (S.94) zum Zubeschwörendem geben. Erst eine Kommunikationspraxis ermöglicht die Vorstellung, daß die sittliche Qualität des Menschen für die Beziehung zum wie auch immer dann näher vorgestelltem Gegenüber von Bedeutung ist.

Wenn nun die Art der religiösen Kommunikation näher analysiert wird, fällt dies ins Auge:

Sobald z.B. in die Bezihung zwischen Mensch und Gott genau einzuhaltende Zeremonien, genau vorgeschriebene Worte, Gebärden etc vermittelnd eingeschaltet werden, um die Gottheit günstig zu beeinflussen, sie den Bitten geneigt zu machen, ist és klar, daß dabei magische Tendenzen als organische Bestandteile der Religion erscheinen.“ (S. 102)

Wer nun spontan das als für die christliche Religion als völlig absurde Vorstellung abtuen möchte, der muß daran erinnert werden, daß, spräche ein katholischer Priester statt eines der zugelassenen Hochgebete der Eucharistie: „Wir wollen jetzt wie Jesus miteinander Abendmahl feiern“, dann das nicht nur unerlaubt sondern auch eine ungültige Eucharistiefeier wäre. Spräche nun ein evangelischer Pfarrer das Hochgebet, auch wenn er es ganz korrekt spricht, wäre ebenso ungültig, weil er nicht dazu befähigt ist, die Wandlungsworte wirkmächtig zu sprechen, da er nicht zum Priester geweiht wurde sondern nur zum Pfarrer ordiniert worden ist.s

Aber das Problem ist noch prinzipieller. Kann es ein menschliches Handeln geben, das Gott zum Anlaß nimmt, etwas zu wollen und zu wirken, das er nicht wollen und wirken würde, hätte sich die menschliche Handlung nicht ereignet. Anders formuliert: Kann Gott als kontingent auf menschliches Handeln Reagierender gedacht werden? Vulgärer gesagt: Schon die Vorstellung, daß menschliches Handeln Gott „beeinflussen“ könnte, steht unter dem Generalverdacht des Magischen.

So ist es für Calvinisten unerlaubt, für ihre Verstorbenen zu beten, da Gott ja von Ewigkeit her die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Verdammnis bestimmt hat,sodaß auch noch so intensives Beten das Geschick eines Verstorbenen ändern kann. Der Katholische Theologe Keller lehrt gar, daß Gott ob seiner Vollkommenheit gar kein Gebet (oder gar Opfer) erhören kann, da er als Vollkommener immer nur das Vollkommenste will und dadurch so determiniert ist, daß er sein Wollen nicht um eines Gebetes willen ändern könnte. (Vgl: Uwe C. Lay, Der zensierte Gott).

Wird dann nach der Bedeutsamkeit des Gottesdienstes gefragt,wird es problematisch, denn nun kann die Messe nur noch etwas für den Gläubigen bedeuten. Das inkludiert, daß für das Verhältnis Gottes zu einem Menschen es gleichgültig ist, ob der Mensch am Gottesdienst teilnimmt oder nicht, da Gott nun als jeden Menschen bedingungslos Liebenden vorgestellt wird. Der Gottesdienst kommt nur noch die Aufgabe zu, diese Gottesvorstellung zu vermitteln. Niemals aber kann ein Gottesdienst die Gottheit günstig beeiflussen oder geneigt machen. Was also nach Lukacs noch das Proprium der Religion war, droht nun als magische Vorstellung aus der Religion herausselektiert zu werden. Die christliche Religion reduziert sich so zum moralischen Dauerappellieren im Namen Gottes: Weil Gott uns liebt, haben wir zu tuen und zu unterlassen...Das ist nun wahrlich ein armseliges Überbleibsel der christlichen Religion.

 

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