Dienstag, 15. Februar 2022

Die Kirche ist krank – Diagnoseversuche

Die Kirche ist krank – Diagnoseversuche


Daß zumindest in Westeuropa und wohl auch in den USA die Katholische Kirche schwer erkrankt darniederliegend ist nicht mehr zu übersehen, aber es fehlt doch an einer klaren Diagnose ihrer Erkrankung und somit fehlt auch eine auf eine Krankheitsanalyse aufbauende Therapie. Es sollen nun hier Versuche einer Diagnose versucht werden unter der Prämisse, daß sicher die jetzig manifest werdende Erkrankung nicht auf eine Ursache reduziert werden kann, sondern ein Komplex an Ursachen zu erwarten ist.Eine These, die den heutigen innerkirchlichen Diskurs bestimmende , daß die Kirche zu wenig an die heutige Welt sich angepaßt habe und deshalb in einer Krise sich befände, soll hier aber nicht weiter diskutiert werden.

Unter den Aphorismen Nicolas Gomez Davila Hinweise zur Erkran-kungsdiagnose zu finden, wird aber kaum überraschen, denn wie könnte es sein, daß ein so grundlegender Denker nichts Gewichtiges zu dieser Causa geschrieben hätte. So findet sich in dem Buch: „Kann nur ein Gott uns retten“ von M. Lichtmesz 2014,S.358f ein mehr als bedenkenswerter Ansatz zu einer Diagnose:

Der Katholizismus verkümmert, wenn er es ablehnt, sich von heidnischer Substanz zu nähren.“

Das Heidentum war Vorahnung des Christentums“

Nur der ist wahrhafter Katholik, der die Kathedrale seiner Seele über heidnische Krypten errichtet.“

Das Abendland wird gestorben sein, wenn es nicht mehr die Gegenwart Griechenlands in einer christlichen Seele ist.“


(Alle Zitate: S.359)


Dieser Ansatz muß irritieren, denkt man in der Kirche doch eher das Heidentum als eine Antithese, als ein Gegenüber zur christlichen Religion, das durch die christliche Religion überwunden wurde. Davila könnte uns dann hier den Gedanken zumuten, daß gerade die christliche Religion durch diese Überwindung einen Schaden genommen habe, und zwar einen schwerwiegenden. Vielleicht könnte diese Vorstellung verglichen werden mit der eines erwachsenen Mannes, der ganz und gar alles Kindliche in sich überwunden und ausgelöscht hätte und der deshalb kein Erwachsener ist. Er hätte seine Kindheit nur einfach negiert, statt sie dialektisch in seinem Erwachsensein aufgehoben hat.

Anders gedacht: Die heidnischen Religionen sind Religionen und da die christliche Religion auch eine Religion ist, würde sie, verneinte sie die heidnischen in Gänze auch sich als Religion negieren.

Lichtmesz schreibt: „Welchen Gott man anbetet und von welchen Mächten man sich abhängig fühlt, bedeutet eine wesentliche Bestimmung des Selbst und seiner Stellung in der Welt.“ (S.29) Gott ist dabei der, „dem man dienen, opfern und an dessen Genius man teilhaben kann.“(S.29)

Daß Gott oder den Göttern zu dienen und zu opfern habe, daß man an dem göttlichen Geist einen Anteil bekommen könne, das lehrten die heidnischen Religionen die Menschen schon, bevor sie evangelisiert wurden und die christliche Religion bestätigte diese Wahrheiten der heidnischen Religionen. Unsere germanischen Vorfahren kannten eben schon den Glauben an ein jenseitiges postmortales Leben in der Gestalt des Hoffens auf ein Leben in Walhalla, woran dann die christliche Religion anknüpfte.

Es könnte dann Davilas Ansatz für eine Krankheitsdiagnose so interpretiert werden: Wenn die christliche Religion das Heidnische in Gänze negiert, negiert es sich selbst auch als Religion! Die Substanz des Heidnischen, von der die christliche Religion sich nährt, wäre dann das Religionssein des Heidentumes, daß die christliche Religion, weil sie eine Religion ist, auch als ihren Wesenskern sich bewahren muß.

Die Krise der heutigen Kirche wäre somit - pointiert formuliert – als Folge ihre Religionslosigkeit anzusehen. Wie viele heutige Christen würden wohl die Frage nach dem Wesentlichen des Christentmes mit der Nächstenliebe respondieren und somit die Kirche als eine Agentur diakonischen Handelns bezeichnen. In diesem Anthropozentrismus ist das Herzstück jeder Religion, daß Gott zu dienen und zu opfern ist, verschwunden. Die Katholische Kirche wird weitestgehend nur noch als eine Moralinstitution wahrgenommen. Gott dient dabei dann nur noch als eine Letztbegründung für eine für den heutigen Menschen nicht mehr hinnehmbare Moral. Es muß dann konstatiert werden, daß eine Tendenz zur Entreligiösierung der Kirche gerade durch die Liturgiereform nach dem 2. Vaticanum verstärkt worden ist. Der Ursprung dieser Selbstsäkularisierungstendenz der Kirche ist die Aufklärung mit ihrer spezifischen Religionskritik, durch die die Religion umgeformt werden sollte zu einem reinen Streben nach Sittlichkeit. Daß die Religion und damit auch die christliche etwas ganz anderes ist, das konnte in der Kirche nur verlernt werden, wenn die heidnische Substanz, das Wesen der Religion in der Kirche selbst verlernt wurde.

Schon der protestantische Theologe Schleiermacher protestierte gegen diesen Religionsverlust des Christentumes durch ihre aufklärerische Umformung im Geiste der Romantik, Rodolf Otto und M.Eliade versuchten, das Heilige für das Gegenwartschristentum als Zentralbegriff jeder Religion zurückzugewinnen, aber der aufklärerische Trend setzte sich seit der Aufklärung stetig weiter durch bis zur Selbstsäkularisierung der Kirche in eine bloße Sozialdienstagentur mit einem bißchen christlichen Dekor aufgechmückt.

Könnte Davila da nicht doch mit seiner provokanten These, daß das heutige Christentum an seinem Sieg über das Heidentum selbst leidet und daran einen Schaden genommen habe, recht haben, wenn unter der Substanz des Heidnischen das Wesen der Religion gemeint ist, an dem alle heidnischen Religionen als Religionen partizipierten und die auch die Substanz der christlichen Religion als Religion zu sein hat. Denn auch als vollendete Religion, für die die heidnischen Religionen Vorläufer sind, ist und bleibt die christliche Religion Religion.


Zusatz:

Das Verschwinden oder Verblassen der religiösen Substanz in der Kirche manifestiert sich ja etwa im „Synodalen Irrweg“ in der Unwilligkeit, das Wesen des Priestertumes zu begreifen.

 

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