(über den Verlust der Reich Gottes Hoffnung, die Jenseitshoffnung- wozu noch Erlösung?)
Der Philosoph Szczeny gelang wohl mit seinem Buch: „Das sogenannte Böse“ein großer Wurf. Die Grundthese ist sehr simpel und deshalb sehr erfolgreich: Alle ideologischen Versuche einer Weltverbesserung machen die noch viel schlimmer als sie schon ist. Der Wille zum Guten destruiert einfach nur das Reale, weil es Utopisches verwirklichen will. Der österreichische Philosoph Burger sieht es ähnlich:
„Alle großen Verbrechen entspringen großen Idealen,nicht dem bösen Willen, die Täter verfolgen aus ihrer Binnenperspektive immer >das Gute<, ihr Antrieb ist stets eine >Begierde des Rettens< (Hegel) und sie sind um Objektivierungen nie verlegen, heißen diese Rasse,Klasse,Volk oder Nation:man kann den Nationalsozialisten oder den Stalinisten vieles nachsagen,aber nicht, daß sie keine >Wertegemeinschaft< gewesen seien“. (Zitiert nach Lichtmesz, Kann nur ein Gott uns retten?, 2017, S.136)
Spontan wird man wohl urteilen, daß diese Kritik politischer Welterlösungsversuche, des Kommunismus wie des Nationalsozialismus eben die christliche Religion überhaupt nicht tangiere. Ja, die christliche Welterlösungshoffnung setze ja auf Jesus Christus als den Erlöser und sei so die prinzipielle Alternative zu jeder rein menschlich politisch konzipierten Erlösungsutopie. Es verwundere dann auch nicht, wenn die politischen Welterlösungsversuche alle scheitern, denn sie versuchten eben etwas, was allein von Gott zu erhoffen sei. „Nur ein Gott kann uns erlösen“, wäre dann die grundsätzliche Absage an alle menschlichen Unternehmungen, revolutionär die Welt zu optimieren.
Aber wie nun, wenn mit dem Scheitern aller politischen Erlösungsversuche jede Vorstellung einer Erlösung diskreditiert worden ist und somit auch die christliche? Wer heute frägt, was man den mit der Katholischen Kirche assoziiert, wird zu hören bekommen: „Inquisition, Hexenverbrennung, Zwangs-Schwertmission und sexueller Mißbräuche. Liegt da nicht die Anschuldigung nahe, daß die Kirche, weil sie klerkalistisch sich verstand und versteht, also meint, allein zu wissen, was das Wahre und das Gute für alle Menschen sei, so handelte? Im alleinigen Besitz der Wahrheit sich wähnend verfolgte sie eben die Andersgläubigen, nötigte ihnen ihren Glauben auf und maß sich kleikalistisch das Recht zu sexuellen Mißbräuchen an.
Wenn die großen politischen Erlösungsideologien in Archipel Gulags und in Auschwitz enden, und diese als säkularisierte Versionen der großen christlichen Erlösungshoffnung rekonstruierbar sind, liegt es da nicht nahe, mit dem Verzicht auf jedes politische Erlösungskonzept nicht auch gleich jede religiöse Hoffnung als ebenso diskreditiert aufzugeben. Die Johannesoffenbarung mit ihrem Ausblick auf das Ende, wie sich die Erlösung der Welt durch Gott ereignen wird, die eben nicht den Endkampf Gottes wider den Teufel und seinen Heerscharen ausspart, ist doch für die allermeisten heutigen Christen eine unzumutbare Lektüre: Gott bewahre uns vor so etwas Schrecklichem. Ja schon das eschatologische Gericht,durch das Gott die Erlösung der Welt realisieren will, ist in der heutigen Kirche schon ad acta gelegt: So soll und darf die Erlösung nicht sich ereignen! Ja, reduziert sich die Jenseitshoffnung nicht selbst schon in der Kirche selbst auf die Verheißung „ewiger Ruhe“, die kaum noch unterscheidbar ist von der Vorstellung des Todes als einem ewigen Schlafen ohne einen Wecker, der uns zum Aufstehen nötigt?
Dieser offenkundige Verzicht auf den Verheißungsgehalt der Reich Gottes Vorstellung korreliert wohl mit dem Ende jedes Hoffens auf politische Erlösungskonzeptionen. Diesem Verlust gingen ja Syntheseversuche zwischen politischen, philosophischen und religiösen Erlösungsvorstellungen voran, man erinnere sich an „Theologien der Hoffnung“ (Moltmann), politische Theologien (Metz) und den Befreiungstheologien. Nach dem Scheitern des letzten Großversuches einer Umsetzung einer politischen Erlösungsideologie, des Kommunismus in der UdSSR, scheint jede Erlösungshoffnung diskreditiert zu sein.
Das muß auch Rückwirkungen auf die christliche Religion als Erlösungsreligion zeitigen. Symptomatisch dafür ist, daß in den Zeiten der Erlösungshoffnungen die christlichen Gemeinden, wenn schon die Institution der Kirche als Ganzes, als Avantgardeorganisationen des neuen erlösten Lebens wirken sollten, das neue Leben vorbildlich vorleben sollten und jetzt sich die Reform der Kirche darauf beschränken soll, daß die Kirche sich gemäß der Welt zu gestalten habe. Die Kirche trägt nicht mehr bei zur Erlösung der Welt sondern affirmiert sie nur noch und bekennt, noch nicht gänzlich die gute Weltordnung in sich selbst reproduziert zu haben: Wir müssen ganz und gar weltlich werden, denn die Welt ist gut, nur die Kirche noch nicht.
Theologisch reduziert sich so der Glaube an Gott auf einen Gott, der Ja sagt zu dem Menschen, so wie er ist, der also nicht mehr erlösend wirkt, sondern nur noch rein affirmativ ist. Damit gibt sich die christliche Religion als Erlösungsreligion selbst auf, weil sie nicht mehr glaubt, als eine Erlösungsreligion noch auf Anerkennung hoffen zu können. Es ist so, als wenn der postmoderne Mensch, Nietzsches „letzter Mensch“ nicht mehr erlöst werden will ob der Erfahrung des Scheiterns aller Erlösungsversuche.
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