Zur natürlichen Sexualität, der Moral und den Mißbräuchsfällen in der Kirche und dem Klerikalismus
Wer zur Causa der Mißbräuchsfälle ernsthaft sich äußern will, muß erklären, wie er denn das Phänomen der sexuellen Mißbräuche in der Kirche versteht, wie dies Phänomen zu begreifen ist. Hier soll nun eine kleine Orientierungsskizze zu dieser Causa versucht werden.
Es muß distinguiert werden zwischen der Sexualität, wie sie rein natürlich gelebt würde und wie sie dann faktisch immer moralisch geregelt praktiziert wurde. Denn nie lebte der Mensch rein natürlich, denn seine Natur ist es, kulturell zu leben. Und doch sind beide zu unterscheiden.
Die Sexualität dient der Fortpflanzung zum Zweck der Arterhaltung. Dazu ist sie da. Damit der Mensch sich hinreichend genug fortpflanzt ist der Fortpflanzungsakt mit einem hohen Lustgewinn verbunden zur Motivierung. Würde der Mensch nur aus der Einsicht in die Pflichtgemäßheit sich fortpflanzen, wäre er wohl längst schon ausgestorben.
2 verschiedene Fortpflanzungsstrategien gibt es in der Naturordnung, die der großen und die der kleinen Zahl. Ersteres Konzept bedeutet, daß viele Nachkommen erzeugt werden, dann aber eine hohe Sterblichkeit in Kauf genommen wird, das heißt, daß sie sterben,bevor sie geschlechtsreif werden, sodaß aber immer noch genügend die Geschlechtsreife erreichen, die zur Arterhaltung nötig ist. Tendenziell neigt der Mann zu dieser Konzeption. Darum ist für ihn die Sexualität ablösbar von der Liebe, denn würde er nur mit den Frauen geschlechtlich verkehren, die er auch wirklich liebte, dann wäre das kontraproduktiv für dies Konzept der großen Zahl. Zu diesem Konzept gehört es dann auch, daß der Mann sich dann oder gar nicht um den Nachwuchs kümmert und die Mutter damit allein läßt. Deshalb wird dieser Nachwuchs dann auch weniger betreut und das führt zur höheren Sterblichkeit, daß also die Geschlechtsreife nicht erreicht wird.
Das andere Konzept sieht vor, daß der Vater mit der Mutter zusammen sich um den Nachwuchs kümmern, sodaß so zwar weniger Kinder erzeugt werden, der Mann verkehrt nur mit einer oder wenigen Frauen, aber mehr Kinder erreichen so die Geschlechtsreife. Deshalb gilt tendentiell für die Frau, daß sie es erstrebt, nur mit dem Mann intim zu werden, den sie liebt, damit dieser bei ihr bleibt, wenn sie ein Kind bekommt.
Aus dieser Grunddifferenz ergibt sich, daß das Geschlechts-verhältnis von der Frau zum Mann prinzipiell nicht harmonisch ist und einen kulturellen Ausgleich erheischt.
Zur natürlich gelebten männlichen Sexualität gehört so auch das Vermögen des Mannes, mit einer Frau gegen ihren Willen einen Geschlechtsverkehr zu haben. Tatsächlich wird nämlich eine Frau in der Zeit eines möglichen Eisprunges eher durch eine Vergewaltigung schwanger als wenn sie mit einem Mann schläft, den sie liebt. Das Vergewaltigtwerden verursacht nämlich bei der Frau einen Schock, der zum Eisprung führt. Gewaltsam praktizierte Sexualität ist so erstmal etwas Natürliches.
Es ist so die Aufgabe der menschlichen Kultur, gerade die männliche Sexualität so moralisch zu regeln, daß diese Art der natürlichen Sexualität nicht von Männern praktiziert wird. Da der Mann tendentiell zum Konzept der großen Zahl neigt, ist diese Moralerziehung eine gegen diese natürliche Neigung des Mannes.
Dabei verfügt die männliche Sexualität über ein Beuteschema, das zwischen fortpflanzungsfähigen und noch nicht oder nicht mehr fortpflanzungsfähigen Frauen unterscheiden kann, damit der Mann nur fortpflnzungsfähige sexuell begehrt. Dies Beuteschema wird dann in der Regel noch kulturell und individuell modifiziert, nach dem kulturellen und dem individuellen Schönheitsideal. Hierbei können nun Widersprüche zwischen dem natürlichen und dem kulturell geformten Beuteschema auftreten: Ein 13 jähriges Mädchen darf ein Mann sexuell nicht begehren, auch wenn es schon fortpflanzungsfähig ist und ein Ehemann hat seiner Ehefrau gegenüber treu zu sein, auch wenn sie altersbedingt nicht mehr fortpflanzungsfähig ist.
Sexuelle Übergriffe durch einen Mann haben so ihren Grund in der Fortpflanzungskonzeption der großen Zahl verbunden mit dem Faktum, daß der Mann auch Sex mit einer Frau befriedigen kann, wenn er sie nicht liebt sondern nur sexuell begehrt. Da nun eine Frau dies Konzept der großen Zahl nicht als ihr gemäße bejaht, wird das Konzept der großen Zahl auch gewaltsam gegen die Frau praktiziert.
Nur eine kulturelle Domestikation der natürlichen männlichen Sexualität kann deshalb solche sexuellen Übergriffe verhindern bzw ihre Anzahl verringern. Nun hat aber gerade die „Sexuelle Revolution“ der 68 er die bis dahin geltende Sexualmoral als zu repressiv und lustfeindlich kritisiert und damit die kulturelle Domestikation der Sexualität geschwächt. Die herrschende Sexualmoral isb der Kirche verböte ja nur, was eigentlich gut und schön ist. Ohne eine solche Destruktion der einst vorherrschenden Sexualmoral könnte es diese Mißbräuchsfälle in diesem Ausmaße in der Kirche nicht geben. Wir haben es also mit einem Tätertypus zu tuen, der in der Regel meint, nichts Unmoralisches getan zu haben, wenn er sich nicht an die von ihm als inhuman repressiv verurteilte Sexualmorallehre der Kirche hält. Seine „Opfer“ sind eigentlich viel mehr „Opfer“ der kirchlichen Sexualmoral als „Opfer“ des Täters, der ja nur etwas getan habe, was dem „Opfer“ auch gefallen hätte, wäre es nicht so repressiv sexualfeindlich erzogen worden.
Die Mißbräuchsfälle sind so kein Phänomen der Kultur und somit auch nicht des „Klerikalismus“ sondern eine Folge defizitär moralisch regulierter männlicher Sexualität. Der Klerikalismus ist nämlich ein Phänomen des kulturellen Lebens, evtl sogar das Produkt einer ersten Arbeitsteilung, als nämlich nicht mehr alle arbeitsfähigen Glieder einer Sozietät zur Beschaffung des Lebens-notwendigen gebraucht wurden, sodaß der Stand der Priester entstehen konnte, der ausschließlich für das religiöse Leben zuständig war, wahrscheinlich zum Jagdzauber, zum Segnen von Ernten und und....Sein Geheimwissen, daß er beschwören konnte und daß er abgesondert (=heilig) lebte, um rein, kultfähig also zu sein, konstituierte wohl den Stand der Kleiker in seiner Augangsgestalt. Die Religion wurde so zu einer Expertenpraxis, die des Priesters, des Magiers, des Beschwörers, des Schamanen.So ist zu sagen, daß die Ausdifferenzierung der Gesellschaft schon in den Anfängen der Kultur wohl den Klerikalismus fundierte. Das Subsystem des Klerikerstandes ermöglicht es so, daß alle anderen der Sozietät rein weltlich leben konnten, weil dieser Stand für sie das religiöse Leben übernahm, der Gesamtgesellschaft zum Wohle. Der Klerikalismus gehört so zu einer ausdifferenzierten Gesellschaft wie es das Gesundheitssystem mit den Ärzten und das Rechtssystem mit den Juristen gibt. Die Leistungsfähigkeit einer modernen Gesellschaft entspringt deshalb genau dieser gesellschaftlichen Ausdifferenzierung aber evoziert auch das gravierende Problem, wie die Gesellschaft dann noch als Ganzes steuerbar ist. (Vgl dazu N. Luhmann!)
Daß nun Kleriker Mißbräuchstäter wurden, zeigt so nur eines, daß sie keine Kleriker waren, die ihrem Stand gerecht geworden sind: Sie waren zu wenig klerikal. Das ist vergleichbar mit einem Nachtwächter, der, wenn alle Bürger schlafen und er in der Stadt zu wachen hätte, er selbst auch wie die anderen Bürger schliefe und so Einbrecher nicht von ihrem Tuen abhielte als Wachhabender.
Gerade der Kleikerstand verlangte ja immer um der Kultfähigkeit willen ein reines Leben, eines, das sich vom Lebenswandel der Anderen deutlich unterschied. Dabei darf hier „rein“ nicht einfach mit „moralisch“ gleichgesetzt werden. „Rein“ meint eher etwas vom Profanen, vom Weltlichen Unterschiedenes, also die Sakralität und nicht einfach eine Moralität. So kann es eben heilige Orte geben. (Vgl dazu grundlegend M. Eliade, Das Heilige und das Profane)
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