Donnerstag, 15. September 2022

Eine Abfallsgeschichte: Von der Kirche zum Versammlungsraum

Eine Abfallsgeschichte: Von der Kirche zum Versammlungsraum


Ein beeindruckendes Narrativ liegt dieser Wandel zu Grunde: Im Urchristentum hätte es keine sakralen Kirchräume gegeben, in denen die Christen die sonntägliche Eucharistie zelebriert hätten, auch keine Altäre und schon gar keine Kniebänke. In Hauskirchen, man ist fast geneigt von einem Sichversammeln um den Küchentisch zu reden lebte das ursprüngliche Christentum, bis es arg vergröbert betrachtet zur Staatsreligion avancierte um dann prunkvolle Kirchengebäude mit Altären zu erbauen und Kleriker dann die Gottesdienste leiten zu lassen. (M.W.hat aber noch keine feministische Theologin behauptet, obzwar das doch im Rahmen dieses Narratives nahe liegt, daß die ursprünglichen Küchentischeucharistien dann von der jeweiligen Frau des Versammlungshauses geleitet wurde!)


Aber wenn man nun neu erbaute Kirchengebäude und Kapellen nach 1945 sich anschaut und nicht sofort vor Graus seine Augen verschießt: Sind das nicht Versuche, aus der Kirche wieder auszusteigen, um moderne Varianten der Hauskirche zu erschaffen? Die Kirche sollte nur noch ein Versammlungsraum sein, ja vielleicht gar ein multifunktionaler Raum, wo eben am Sonntag am Vormittag die Messe gelesen wird und am Nachmittag ein Konzert, für das der Raum dann umgestaltet wurde und wo auch eine Gemeindeveranstaltung mit einem Vortrag und einer Diskussion stattfinden können. Es sollte eben kein Sakralraum mehr sein.

Ganz progressiv wurden die Kniebänke abgeschafft, damit die Eucharistie nicht kniend empfangen werden kann und manchmal gar in den Kirchenbänken: Die Evangelischen knien ja auch nicht. Daß dann auch noch die Bilder entfernt wurden, um schmucklose Betonwänden den Vorzug zu geben, paßt zur Entästhetisierung des Kirchenraumes. Der Primat der pädagogischen Ausrichtung des Gottesdienstes, daß das Zentrum der Messe nun auch die zu belehrende Predigt zu sein hat, verlangte eben ein Zurückdrängen des Ästhetischen der Kirche. Schöne Bilder, Golddekor lenke eben ab vom Hören und Verstehen der Predigt. So ähnelt mancher Kirchenraum mehr einen Schulunterrichtsraum den einem Sakralraum, in dem ein göttliches Mysterium zelebriert wird.Und dann noch die zeitgenössischen Priestergewänder! Die passen zu den heiligen Handlungen des Opferns, des Segnens und Weihens wie ein Trainingsanzug zu einer Hochzeit.

Die Entsakralisierung- und Profanisierungstendenz ist unüber-sehbar. Das soll nun aber auch ein Zurück zu den Ursprüngen darstellen, als wäre im Prinzip das Urchristentum eine Religion ohne einen kirchlichen Kultus, ja genaugenommen gar keine Religion, oder Kants Religionsverständnis antizipierend eine „Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft“.


Nur, ist diese Tendenz der Entästhetisierung nicht generell eine Tendenz der Moderne? Einst schrieb man „Tat“ mit „h“: „That“ und „gibt“ „giebt“. Das „h“ und das „e“ ist in beiden Fällen bedeutungslos, man könnte es fast als ein dekoratives ornamentenhaftes Element in der Orthographie des Deutschen bezeichnen. In den Zeiten des Ideales des Funktionalismus und des Primates der Nützlichkeitsabwägungen wurde dann auf so Ornamentenhaftes verzichtet wie auch inzwischen regelmäßig auf das Dativ „e“: dem Volke, dem Tiere...

Korrelieren nicht moderne Betonklotzgebäude, Kirchenräume, die nur noch Versammlungsräume seien sollen und die Vereinfachung der Orthographie dem einen Geist der Entästhetisierung? Einst schrieben wir in Sütterlin, in Frakturschrift erschienen unsere Bücher und jetzt schreiben wir in den nüchternen lateinischen Buchstaben, dem Geiste der nüchternen Sachlichkeit folgend. Die Schrift soll nur noch leicht lesbar sein und so wurde die Schönheit der deutschen Schrift musealisiert. Das Schöne gehört ins Museum, damit außerhalb von ihm nur noch der reine technizistische Funktionalismus herrschen kann.


Aber zur Kultur und somit auch zur Religion gehört die ästhetische Ausrichtung. Die christliche Kunst hat unermeßliche Schätze hervorgebracht, aber nicht als eine Museumskunst sondern als Moment der Gottesverehrung im Kultus. Das Schöne verschwand aber in der Kirche wie aber auch außerhalb von ihr! Die moderne Architektur ist dafür ein erschreckend abstoßendes Anschauungsbeispiel.Selbst in unserer jetzigen deutschen Sprache spiegelt sich dieser Antiästhetizismus wieder, im Verzicht auf unsere Schrift und die Verarmung der Orthographie, daß eben Ornamenthaftes exkommuniziert wird wie in der Gestaltung von den Fassaden von Gebäuden. 

Corollarium 

Das Schöne ist die Erscheinungsform des Wahren. Das Wirkliche ist aber nicht einfach das Wahre. So kann ein Freund, wirklich kein guter Freund sein und so ist er kein wahrer, aber doch wirklich.

 

 

 

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