Dienstag, 20. September 2022

Der Mensch- ein Zerstörer oder ein Verkünstler der Natur?

Der Mensch- ein Zerstörer oder ein Verkünstler der Natur?



Alles ist künstlich und künstlich erzeugbar.Träume,Kinder,Weltbilder.An die schöpferische Naturwidrigkeit ist der Mensch gefesselt.In Wahrheit ist seine Geschichte ein unaufhörliches Programm der Verkünstlichung. Nicht eine Pflanze im Garten, wie Gott sie schuf.Alles gezüchtet ,bearbeitet,veredelt.Genmanipuliert.Nun denn: veredeln wir uns! Kristallisieren wir, technifizieren, artifizialisieren wir das Beste vom Menschen und bewahren es so vor seinem geschichtlichen Untergang!“

(Botho Strauss, Die Fehler des Kopisten, 2001,S.55)


So wunderschön romantisch kann Botho Strauß schreiben; er erweist sich eben auch hier als ein wirklicher Sprachvirtuose. So soll an etwas Verlorenes erinnert werden, ganz im melancholischen Tönen, an die Natur, an ein natürliches Leben. Aber aus diesem natürlichen Leben hat sich der Mensch im Laufe seiner Geschichte entfremdet. Diese Aussage meint nun nicht ein kontingentes Ereignis, als wenn die Geschichte des Menschen auch eine der Nichtverkünstlichung hätte sein können. Geschichte und Natur bilden hier zwei konträr gegenüberstehende Größen. Die schöpferische Naturwidrigkeit fungiert hier als das den Menschen Eigentümliche. Im 19. Jahrhundert hätte man noch euphorisch pathetisch von der Arbeit gesprochen, durch die sich der Mensch als Mensch hervorbringt, indem er die Natur für sich gestaltet. Die unserige Zeit empfindet diese Naturbearbeitung eher als eine Verkünstlichung. Das gefesselt macht den Unterschied im Ton der Bewertung aus. Der Mensch muß so der Natur gegenübertreten, sie verkünstlichen. Wir leben nicht mehr unter freiem Himmel oder in Naturhöhlen und beheißen unsere Wohnräume, wir jagen nicht mehr, sondern züchten. Kein Mensch will ernsthaft wieder natürlich leben.

Aber doch bricht in dieses Geschichtsbild, in der die Geschichte als die große Verkünstlichung erfaßt wird, eine da nicht hineinpassende Größe hervor: die Natur, wie Gott sie schuf. Die Menschheitsgeschichte ist so gesehen ein einziger Prozeß des Sichentfernens und Wegentwickelns von der Natur, wie Gott sie erschaffen hatte. Geht also dieser Schöpfergott uns notwendig abhanden, je weiter wir uns entwickeln und so die Welt verkünstlichen. Wenn alles gezüchtet, bearbeitet, veredelt ist, kann da der Schöpfergott noch präsent sein, ja noch von einer Relevanz für uns sein?Auf diese Frage gibt uns diese Textpassage keine Antwort.


Es wird eben nicht zu einer Umkehr zum ursprünglich Natürlichem aufgerufen. Stattdessen sollen wir Menschen weiter auf dem Wege der Verkünstlichung voranschreiten.Der Mensch soll und hat sich selbst zu verkünstlichen.


Eine kleine diesen Gedankengang unterbrechende Exkursion in das Reich der Malerei. Eines der Vorzugsmotive des Malers Renoir sind junge Frauen. Die Frauen, die er da malte, sind längst tot, aber die Gemälde halten sie fest in ihrer Mädchenschönheit. Als Lebende waren sie dem Schicksal des Älterwerdens und des Verlustes ihrer Schönheit unterworfen, bis zu ihrer Grablegung und ihres dortigen körperlichen Zerfalles. Aber das Bild von ihnen bewahr diese ihnen eigene Schönheit, aber nur um den Preis ihrer Verkünstlichung. In ihrer künstlerischen Darstellung bewahren sie ihre Schönheit, die der Gang der Natur nichtet. Die Bilder sind so voller Melancholie, weil die natürliche Schönheit der jungen Frauen nur in diesen Kunstbildern bewahrt werden konnte. Es ist so eine tote Schönheit, eine, die nur noch in der wundersamen Komposition der Farben des Bildes, figuriert zu einem Frauenbild existiert.


Nun muß noch ein Blick auf das unaufhörliche Programm der Verkünstlichung geworfen werden, an das der Mensch gefesselt ist. Der Terminus des Programmes wirft notwendig die Frage nach dem Programmierer dieses Programmes auf. Es muß geklärt werden, warum denn wir Menschen an dieses Programm gefesselt sind. Wenn der Mensch sich dieses Programm selbst auferlegt hätte, es selbst für sich geschrieben hätte, dann könnte er es doch selbst auch wieder deinstallieren! Dies Verkünstlichungsprogramm wäre löschbar und so nicht unaufhörlich.

Ein unaufhörliches nicht löschbares Programm, das den Menschen gar fesselt, kann so nur Gott, der Schöpfer des Menschen für den Menschen geschrieben haben! Der Auftrag Gottes an die ersten zwei Menschen, vermehret Euch und machet Euch die Welt untertan, ist tatsächlich dies Programm, das uns Menschen fesselt. Gott gab so dem Menschen die Natur, die Welt, er übergab sie ihm zur Gestaltung – wie eine Mutter ihrem Kinde Bauklötze gibt, damit es damit was erbaut.

Und doch bleibt eine melancholische Verstimmung. Renoirs Bilder, die Verkünstlichung der da gemalten jungen Frauen verweist eben auch auf ein natürliches Menschenleben, das längst verstorben ist und uns nur noch als Kunstbild präsent ist. Jede Verkünstlichung ist so auch immer eine Negation des Natürlichen bzw seine Aufhebung in der Kunst, der verkünstlichten Natur.

Zusatz:

Die sog. "Ökologische Krise", die "Klima- und Umweltkatastrophe" etc zeigt nur eines an, daß eben der Gestaltungsauftrag der Mensch auch  fehlerhaft ausführen kann, daß eben mancher Turm, aus Bausteinen vom Kinde errichtet, umfällt, weil er nicht sorgfältig genug auferbaut worden ist. Außerdem zeigen diese Krisen aber auch, daß das Spielzimmer Erde für die Menschheit zu klein wird,sie ist zu vital für diesen so limitierten Lebensraum. Wie die Vögel einmal flügge geworden, ihr Nest verlassen, so muß auch der Mensch seinen Lebensraum erweitern, in dem er neuen außerhalb des Kinderspielzimmers Erde sucht.

 

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