Samstag, 27. Mai 2017

Weltverlust- Heimatverlust- ist Heimat ohne Gott möglich?

"Solange die Welt oder der Geschichtsverlauf noch als ethisch interpretierbar gelten,[...]bleibt die Welt die große Heimat und dient eine ethisierende Religion sozusagen als Erkenntnnisorgan für Großereignisse." Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral, 4.Auflage 1981, S.57. Für das theologische Denken sind eben Ereignisse in der Geschichte nicht einfach zufällige Ereignisse. Als der Staat Juda 586 v. Chr. endgültig militärisch besiegt und das jüdische Volk deportiert wurde, da war das kein rein weltimmanentes Ereignis, sondern wurde verstanden als Gericht Gottes über sein Volk,weil es seinen Bundesverpflichtungen Gott gegenüber nicht nachgekommen war. Gehlen spricht gerade deshalb von einer Beheimatung des Menschen in der Welt durch diese ethische Geschichtsauffassung: Gott regiert die Welt gerecht und so sind die Großereignisse der Geschichte, wie etwa die Exilierung Israels, seine babylonische Gefangenschaft begreifbare Ereignisse, die ihren Sinn haben. 
Aber wo dann statt Gott die Natur oder rein innerweltliche Ursachenkomplexe treten zur Deutung von den Weltereignissen, da kann dem Ganzen und auch den Einzelereignissen in der Geschichte kein Sinn mehr zugeschrieben werden, denn es fehlt die Großerzählung von Gottes Regieren der Welt, die erst das Einzelne zu etwas sinnvoll Nacherzählbarem werden läßt.Die Postmoderne mit ihrer Abneigung gegen alle Großerzählungen (vgl: Lyotard, Das postmoderne Wissen) löst so die Welt als Heimat des Menschen auf.  
Der Eudaimonismus als das Streben, jedem Menschen so viel Anteil wie möglich an einem guten Leben auf Erden zu ermöglichen, ist so gesehen der Versuch, nun den Menschen in der gottlos gewordenen Welt neu zu beheimaten, indem man es sich auf Erden zu bequem wie möglich machen will. Der Eudaimonismus, als Surrogat für den Glauben an das Reich Gottes will eben die Welt in ein menschenmögliches Paradies verwandeln, auch wenn das dann nicht mehr ist als das Glück der grasenden Herde, einer Welt, in der jedem jedes Konsumbedürfnis anstrengungslos erfüllt wird.
Wenn nun aber die Postmoderne den aufklärerischen Glauben des Eudaimonismus auflöst, was wird dann aus dem Projekt der Neubeheimatung des Menschen auf der Erde, wenn er seine Heimat, gottlos geworden, wie Gehlen es zeigt, verliert? 
Kann der Mensch sich auf der Erde beheimatet fühlen, ohne an einen Gott als Herren über die Welt und seine Geschichte zu glauben? Zur Heimat gehört, sich an einem bestimmten Ort der Welt beheimatet zu wissen, daß es eben kein Zufall ist, daß ich hier und nicht dort woanders lebe. Positiv formuliert: Gott will es, daß ich da an diesem Orte und in dieser Zeit lebe. Fällt dieser Glaube fort, wenn alles nur zufällig ist, dann verliert mein Dasein hier und jetzt an Gewicht: Der Mensch wird total mobil, er wird zum postmodernen Nomaden, weil ihm keine Heimat mehr ist. Heimat ist nämlich der Glaube, daß es einen Sinn hat, daß ich hier und jetzt und nicht dort und wannanders bin.Gott führte sein Volk Israel in seine Heimat, er nahm sie ihm aber auch und verstieß sein Volk in das Exil, aber da erlitt das jüdische Volk eine sinnvolle Geschichte, in der es beheimatet war, weil es sein Geschick aus Gottes  Hand entgegennahm. Erst die so ethisch interpretierbare Welt ist uns eine heimatliche Welt- eine tiefe Einsicht Arnold Gehlens!    
Zusatz: Gehlen ist zuzustimmen, daß die Katholische Kirche und der Protestantismus sich dem Eudaimonismus verschrieben haben als Ersatz für die einstige Reich Gottes Verkündigung. Dabei soll dann der Deutsche Staat die Aufgabe übernehmen, für jeden ein uneingeschränktes Wohlfahrtsleben zu ermöglichen, insbesondere für die "Flüchtlinge" und Asylanten der ganzen Welt. Der religiös aufgeladene Eudaimonismus frägt dann nicht nach der Realisierbarkeit einer solchen Wohlfahrtsstaatsillusion für alle Menschen, sondern er glaubt einfach an diese Möglichkeit und überfordert damit maßlos die Möglichkeiten des Deutschen Sozialstaates! 

Corollarium 1
Seit dem dem Menschen die Erde zu einer Kugel, um die Sonne kreisend geworden ist, gibt es keinen Punkt auf der Erdoberfläche, der uns der Mittelpunkt sein könnte, von dem sich der Rand unterscheidet. Die Gleichgültigkeit aller Orte auf der Erdoberfläche aufzuheben, ist die Aufgabe des Konzeptes der Heimat und der Beheimatung des Menschen. Gott als Herr der Geschichte, der die Menschheit aufgliedert in Völker und ihnen ihren Platz auf der Erdoberfläche zuweist als ihre Heimat, überwindet diese Gleichgültigkeit des Lebensortes.   

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