Ein Ethnologe aus Japan soll nach seinen prägenden Eindrücken eines Urlaubes in Bayern respondiert haben, daß ihn die Synthese vom Monotheismus mit dem Polyteismus im katholischen Christentum imponiere, daß man da dem einen Gott Herrscharen von Engeln und Heiligen beigesellt habe (isb. wohl die Mutter Gottes), um so das Anliegen des Polytheismus in einer monotheistischen Religion zu bewahren, (Hegel würde sagen: aufzuheben).
Der Vorzug des ethnologischen Blickes auf etwas ist, daß er den Wald sieht, wo der Einheimische nur Bäume sichtet, weil mitten im Walde stehend. Deshalb könnte dies uns befremdlich Erscheinende wahr sein, nur daß wir es als mitten im Walde stehende nicht so sehen können.
Verstünde man die Beziehung von polytheistischen zu monothistischen Religionen einfach nur im Schema von wahr oder falsch, dann ist eine Aufnahme polytheistischer Anliegen in die wahre Religion nur als Kontaminierung zu beurteilen. Aber wie nun, wenn man die christliche Religion als die vollkommende begreift, die durch die vorchristlichen Religionen vorbereitet worden ist, so wie bevor Schüler addieren und subtrahieren lernen, sie zählen lernen. Im Sinne des Apostels Paulus könnten die vorchristlichen Religionen als Pädagoge auf Christus hin beurteilt werden. Wenn Jesus sich als Sohn Gottes verkündet, wie sollte das irgendwer verstehen können, wenn er nicht zumindest ein Vorverständnis von Gott mitbringt! Wenn dann Schüler addieren und multiplizieren lernen, vergessen sie ja nicht die Fähigkeit des Zählenkönnens. So dürfte auch nicht alle Momente einer polytheistischen Religion in der christlichen Religion einfach negiert werden. Im Alten Testament werden polyteistische Aussagen monotheistisch aufgehoben, indem aus Göttern Engel werden! Und diese Konzeption blieb im Katholizismus prägend, bis man nachkonziliar die Engel gern entmythologisiert hätte. Auch wollte das Konzil ja die Bedeutung der Heiligen herabstufen zugunsten eines protestantischen Christozentrismus.
Anders formuliert: gegen die reformatorische Theologie mit ihrer Tendenz, Gott allein als Alleinwirkender zu explizieren (so am extremsten in Luthers Schrift: De servo arbitrio und Zwingli in: Der providentia dei) insistiert die katholische Theologie darauf, daß auch Engel und Heilige Cooperatoren Gottes sind, daß Gott eben nicht ein Alleinwirkender sein will. Er befreit sein Volk nicht allein aus dem Sklavenhaus Ägypten, sondern Engel helfen mit und Gott läßt Israel durch Mose in die Freiheit führen.
Zudem setzt die Praxis der Anrufung der Heiligen zur Fürbitte voraus, daß es im Himmel Differenzen gibt zwischen Gott und der fürbittenden Heiligen: Wenn die Heiligen nicht Fürbitte täten, würde Gott unser Gebet auf Erden nicht erhören. Gott will nun etwas gewähren, was er nicht gewähren würde, träten die Heiligen nicht für uns ein. Die Differenz ist dabei dies Moment, daß Gott etwas nicht gewähren möchte, um was ihn die Heiligen bitten und das er dann doch um dieser Fürbitte willen gewährt und so aufhebt. Es ist eine immer wieder aufgehoben werdende Differenz.
Man könnte doch mal sich fragen, ob in der katholischen Gebetspraxis mit ihrer Tendenz zur Zuständigkeitszuordnung, daß man etwa in Nöten und Sorgen um die eigenen Kinder sich eher an die Mutter Gottes wendet als an ihren Sohn, ein Wahrheitsmoment des Polytheismus bewahrt wird, daß die jenseitige, himmlische Welt selbst in sich geordnet ist und differenziert und nicht nur aus einem Gott allein besteht. Der Gott der christlichen Religion ist immer einer, der mit den Engeln die Welt regiert und Heilige in den Himmel aufnimmt, damit sie dort vor Gott wirken! Heilige wirken im Himmel weit mehr als sie auf Erden an Großem vollbracht haben.
Sicher irritiert uns dies Urteil eines japanischen Ethnologen, aber vielleicht hilft es uns, unsere eigene Religion besser zu verstehen!
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