Vorbemerkung: Utopien verweisen auf ein Menschenunmögliches, aber vielleicht sind so sie von Nöten,damit dann das Menschenmögliche erreicht wird. Aber der unbedingte Wille zur Realisierung von Utopien, muß er nicht zum Terror werden, weil die Wirklichkeit sich nicht in eine Utopie verwandeln läßt, so daß die Wirklichkeit terrorisiert wird?
Eine große Utopie scheiterte. Der Philosoph Ludwig Feuerach äußerte sich so zum Verhältnis des Humanismus zur christlichen Religion: „Ebenso wie mit dem Atheismus ist es mit der von ihm unzertrennlichen Aufhebung des Jenseits.Wenn diese Aufhebung nichts weiter als eine leere, inhalts-und erfolglose Verneinung wäre, so wäre es besser, oder doch gleichgültig, ob man es stehen oder fallen ließe. Allein die Verneinung des Jenseits hat die Bejahung des Diesseits zur Folge; die Aufhebung eines besseren Lebens im Himmel schließt die Forderung in sich: es soll, es muß besser werden auf der Erde; sie verwandelt die bessere Zukunft aus dem Gegenstande eines müßigen, tatlosen Glaubens in einen Gegenstand der Pflicht der menschlichen Selbsttätigkeit....“ (zitiert nach Werner Sombert, Deutscher Sozialismus, 1934, S.102.
Dies Zitat erfaßt die Substanz des feuerbachschen Humanismus, daß was der Christ von Gottes Reich ersehnte, soll nun die Aufgabe des Menschen sein. Nicht soll die christliche Religion einfach negiert werden, sondern seine Erlösungshoffnung wird zum Programm politischen Handelns. Damit entsteht erst die Politik im emphatischen Sinne, sie wird so erst zu etwas anderem als zur Kunst des Regierens.
Sombert zeigt nun auf, wie dies humanistische Anliegen im Marxismus weiterentwickelt wurde. Marx Religionskritik: sei es, die Überwindung des Jammertales zu fordern, sodaß so die Religion als illusorisches Glück überflüssig würde. Ja die ganze christliche Religion würde so entmythologisiert. Der christliche Mythos vom verlorenen und wiederzugewinnenden Paradiese würde durch ein geschichtsphilosophisches Konstrukt des guten Naturzustandes, des Zerfalles dieses Urzustandes durch die Erfindung des Privateigentumes, dem Sündenfall und der Erlösung in der kommunistischen Gesellschaft ersetzt. So findet sich so diese Struktur vom Urzustand, vom Fall und von der Erlösung sowohl in der christlichen Religion wie auch im marxistischen Sozialismus, weil Lezteres eigentlich nur eine säkularisierte Gestalt der christlichen Religion sei. Kautsky erwartete gar einen sozialistischen „Uebermenschen“ (S.104), Trotzki: „Der menschliche Durchschnitt wird sich bis zum Niveau eines Aristoteles, Goethe, Marx erheben“ . (S.105) „Aber vor allem: glücklich werden die Menschen der Zukunft sein.“ (S.105)
All diese Hoffnungen erwiesen sich nun spätestens seit dem Ende des real existierenden Sozialismus als Irrhoffnungen. Aber was wird nun aus der ursprünglich christlichen Hoffnung auf das Reich Gottes, auf die von Gott erwirkte endgültige Erlösung? Es könnte nach dieser Desillusionierung doch die Stunde der Wiederkehr der christlichen Utopie des Reich Gottes kommen, daß nun nach der Enttäuschung über den letzten großen Versuch der Welterlösung durch politisches Handeln die Rückkehr zur religiösen Hoffnung angesagt sein könnte.
Wir erleben aber etwas ganz anderes, den Verzicht auf alles Utopische. Das charakterisiert geradezu die Postmoderne. Selbst das kleine Flämmchen der Esoterik mit ihren Utopien, der Hoffnung auf das sogenannte Wassermannzeitalter hat sich längst verflüchtigt. Man könnte sagen, daß jetzt erst die christliche Religion wirklich negiert ist, weil nun auch noch ihr Weiterleben in politischen Utopien abgestorben ist. Die christliche Religion hat sich derweil selbst entmythologisiert, ihre große Erlösungserzählung vom Paradies, vom Fall, vom Elend und von der Erlösung des Menschen reduziert auf die Aussage, daß Gott jeden Menschen liebe und daß wir so uns wechselseitig zu lieben haben.: ein blasierter Humanismus ohne utopische Hoffnungen, nur ein bißchen politische Korrektheit.
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