Sonntag, 6. September 2020

Confusionen- wenn irgendwie die Welt aus den Fugen gerät

Auf ein Ordnungsschema ist doch Verlaß, das der Differenz von links und rechts. Sicher die grundlegenderen Ordnungsschema: Wahr und Unwahr, Gut und Böse, Schön und Häßlich, sie sind mit dem Ende des metaphysischen Denkens auch verblaßt, verlieren ihre Ordnungskraft, aber im politischen Raume, da kann doch noch Freund von Feind unterschieden werden: Der Feind steht rechts.

Aber wie paßt denn nun die Protestbewegung gegen die staatlichen Schutz-maßnahmen hinsichtlich der Coronaseuche in dies bewährte Deutungsschema? Die Medien vermitteln hier ein klares Bild: Rechtsextremisten aller Couleur laufen hier auf zum Kampfe gegen die Regierungspolitik. Ach ja und noch ein Haufen Verirrter und Verführter sind auch dabei, aber die Medien stehen standfest zur Regierung. So klar dies so produzierte Bild dieser Protestbewegung auch ausfällt,so unklar wird es, wenn darüber nachgedacht wird.

Grundsatzentscheidungen fundieren diese Bewegung, auch wenn sicher nicht jeder Akteur sich dieser bewußt ist:

A) Der Staat hat nicht das Recht, um eines (fiktiven)Allgemeinwohles willen die Privatfreiheitsrechte des Bürgers einzuschränken

B) Der Mensch ist für die Wirtschaft da, deshalb darf der Staat die Wirtschaft nicht „runterfahren“ um der Volksgesundheit willen.

Das ist politischer Liberalismus pur, gerade in seiner Focusierung auf den Staat als potentielle Gefährdung der bürgerlichen Freiheiten. Der Conservatismus, der kontinentale, nicht so der amerikanische, und die Rechte setzt stattdessen auf das Konzept des starken Staates als Garant einer auf das Gemeinwohl orientierten Politik, der als starker Staat aber gerade auch den Einzelstaatsbürger vor der Willkür der anderen Bürger schützt. Im rechtsradicalen Denken wird dagegen das Volk über den Staat gesetzt,das so das Absolute im politischen Raume ist, dem der Einzelne sich unterzuordnen hat.

Selbst unter Medizinexperten ist die Frage umstritten, ob die von der Regierung getroffenen Maßnahmen so notwendig waren oder nicht. Nichtexperten, Laien können so schon gar nicht auf der Basis von Fachkenntnissen die Qualität der Regierungsmaßnahmen beurteilen. Faktisch reduziert sich so die politische Willensbildung auf die Entscheidung, welchem Expertenurteil glaube, vertraue ich.Diese Entscheidung wird natürlich präfiguriert durch politische Grundsatzentscheidungen: Der liberal Denkende wird so der Position Glauben schenken, die seiner Ideologie entspricht. Nicht Sachkenntnisse sondern die ideologische Einstellung bestimmt, was für wahr gehalten wird. So fundiert der Liberalismus diese Protestbewegung, sie ist also nicht rechtsideologisch fundiert.

Wie kann dann diese Bewegung den Eindruck erwecken, eine rechte zu sein? 2 Gründe gibt es dafür. Erstens beheimateten sich „rechte“ Verschwörungstheorien in dieser Bewegung, daß der Coronavirus irgendwie von Hintergrundmächten erfunden worden sein soll, um letztendlich einen totalitären Welteinheitsstaat zu erschaffen, im Vordergrund stünde dabei die Abschaffung der bürgerlichen Freiheitsrechte. Die Thematisierung der Hintergrundmächte entstammt dabei eher rechter Theoriebildungen, die Behauptung der Einschränkung der bürgerlichen Rechte dann mehr der liberalen Phobie vor dem Konzept des starken Staates.

Vor einem kaum lösbaren Problem stehen aber all solche Konzeptionen: Wie erklärt sich, daß in China dieser Virus ausbrach? Die chinesische Regierung braucht doch nicht eine Virusseuche zu erfinden, um so eine Beschneidung bürgerlicher Rechte in ihrem Lande zu legitimieren. Wenn aber die Seuche in China eine reale Gefahr war und wohl noch ist, dann kann sie im freien Westen nicht ein Produkt verschwörerischer Hintergrundsmächte sein. Und wieso kamen überhaupt die europäischen Staaten auf die Idee, von einem „Schurkenstaat“ sich zeigen zu lassen, wie diese Gefahr zu bekämpfen sei? Das widerspricht nun allen gängigen Verschwörungstheorien: China als Geheimverschwörer.

(Realistischer ist wohl die Annahme, daß die liberal-demokratischen Staaten befürchteten, mit ihrem Repetoire diese Gefahr nicht in den Griff zu bekommen und so gern das autoritative Konzept Chinas übernahmen- das ist aber kein triftiger Grund für komplexe Verschwörungstheorien, sondern zeigt nur an, daß China wohl nicht in allzu großer Ferne die Weltmacht Nr. 1 sein wird und so jetzt schon kopiert wird.)

Der zweite Grund und der ist der bedenkenswerte: Durch die Medien wurde diese Bewegung erst eine rechte. Die liberale Protestbewegung sollte durch die Medienkampagne als rechte diffamiert werden. Es ist eine naive Vorstellung, daß die Medien berichteten, was der Fall ist, ihre Aufgabe ist die Konstruktion dessen, was für die Wirklichkeit zu halten ist. Diese Kampagne führte nun also dazu, daß Linke sich fernhielten von dieser Bewegung und alle politisch Korrekten und daß nun Rechte ihre Chance sahen, hier in eine sich verbreitende Protestbewegung sich einzubringen.Die Vielzahl patriotischer Fahnen auf den Kundgebungen in Berlin zeigt überdeutlich die Präsenz rechter Kräfte. Und so wurde diese Bewegung erst, was sie schon war in den Medien. Daß liberalen AfDlern das zu viel Patriotismus war, spricht für sich. Aber es bleibt das Problem, daß sich hier Rechte in einer Bewegung engagieren, die einfach so ideologisch liberal ist, daß sie nicht zu Rechts paßt. Für Rechte gilt nun mal, daß für sie das Ganze wichtiger ist als der Einzelbürger mit seinen Privatrechten, daß für das Volkswohl jeder Einzelne auch sich zurückzunehmen hat. Wer:Alles für Deutschland!, fordert (Werner Sombart in: Deutscher Sozialismus) kann nicht die bürgerlichen Privatrechte als das Höchste und Absolutes feiern, isb wenn dabei in erster Linie die unternehmerische Freiheit verstanden wird, also der Primat der Ökonomie, dem alles andere zu subordinieren ist.

 

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