Montag, 28. September 2020

Infiltrierte Kirche? Die Lateranverträge 1929

Man kann sich das breite Grinsen Mussolinis vorstellen, als Papst Pius XI dessen Bedingungen annahm und die Verträge anschließend vom italienischen Parlament ratifizieren ließ.“ Dies soll eines von vielen Beispielen sein, mit denen Marshall ( Infiltriert. Die Verschwörung zur Zerstörung der Kirche, 2020, S. 102) die Infiltration der Kirche durch freimaurerisch/daimonische Mächte veranschaulichen möchte: Nicht erst mit oder seit dem 2.Vaticanum gäbe es erfolgreiche Infiltrationen zum Schaden der Kirche. So werden von ihm die Lateranverträge aus dem Jahre 1929 verurteilt.

Folgende Punkte werden dann als die Kernpunkte dieses Vertrages aufgeführt (S.101f):


Die Vatikanstadt wird als souveräner Staat anerkannt, verzichtet dafür aber auf alle Gebietsansprüche des ehemaligen Kirchenstaates.

Der Papst wird als Souverän dieses Staates anerkannt.

Der Katholizismus wird als alleinige Religion Italiens anerkannt.

Italien wird die Gehälter der Priester und Bischöfe zahlen.“

Kirchliche Eheschließungen werden vom Staat anerkannt.

An öffentlichen Schulen wird katholischer Religionsunterricht stattfinden.“

Dem italienischen Staat wird das Vetorecht bei Bischofsernennungen zuerkannt.“

Der Vatikan erhält circa 60 Millionen Euro (auf heut(e umgerechnet) als Entschädigung für die Enteignungen, die seit 1860 vollzogen worden waren.


Sicher war die Anerkennung eines staatlichen Vetorechtes bei Bischofsernennungen eine bittere Pille für die Katholische Kirche, aber setzt man das in Relation zu dem, was so der Italienische Staat der Kirche gewährte, muß dieser Vertrag zwischen der Kirche und dem Staat als hervorragend angesehen werden. Die Anerkennung der katholischen Religion als der Religion Italiens galt der vorkonziliaren Katholischen Kirche als non plus ultra, was für sie vom Staat zu erlangen war. Erst im 2. Vaticanum verzichtete die Kirche auf diese Ideallösung, weil sie sie nicht mehr für kirchenpolitisch durchsetzbar hielt. Aber in diesem Punkte realisierte der Lateranvertrag das, was die Kirche seit Kaiser Konstantin als ihr kirchenpolitisches Ideal ansah. Dem entspricht dann auch der katholische Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen. Daß der Staat dann gar rein kirchlich geschlossene Ehen anerkannte, muß auch als großer Erfolg katholischer Verhandlungsdipomatie angesehen werden. Und der Italiienische Staat anerkennt den Vaticanstaat als souveränen Staat mit dem Papst als seinem Souverän an.


Wenn das die Substanz der Lateranverträge ist, dann ist es unbegreiflich, wie diese eine Infilttration der Kirche durch feindliche Mächte dokumentieren soll. Marshall behauptet dann aber neben seiner Kritik, daß die 60 Millionen Euro nur ein Schnäppchenpreis gewesen wäre:

Leider unterminierte dieser Kompromiss die Lehre Pius X von der Herrschaft des Christkönigs über das Politische.“ (S.102). Aber der Übersetzer kommentiert dazu in einer Fußnote (S.281, Nr.56), daß diese Behauptung nicht akzeptabel sei.

Irritierend ist wohl, daß von einer faschistischen Regierung ein der Kirche so zugute kommendes Abkommen zustande kommen konnte. Die Fixierung auf antikatholische Kräfte, die die Katholische Kirche zu unterwanderten, läßt Marshall hier das Naheliegende verkennen, daß sowohl der Faschist Mussolinie wie auch die Katholische Kirche in dem Kommunismus die größte Gefahr sahen, die Kirche hatte nur zu gut die kirchenfeindliche Politik der Bolschewisten Rußlands vor Augen, und so verband man sich angesichts des gemeinsamen Feindes. Auch der faschistische Staatsführer Mussolinie hatte, wie später auch der spanische Faschistenführer Franco ein ureigenstes Interesse, die Katholische Kirche zu stärken als Partner im Kampfe gegen den atheistischen Kommunismus. Weder Mussollinie noch Franco waren der Kirche gegenüber „barmherzige Samariter“,sondern nüchtern kalkulierende Staatsmänner, die so für ein Miteinander von Staat und Kirche sich einsetzten. Und es darf nicht vergessen werden, daß die Konstantinische Epoche erst gerade mit dem 1.Weltkrieg zu Grunde gegangen war, sodaß die Bereitschaft der Kirche, neu mit Staaten Bündnisse einzugehen zu wechselseitigem Nutzen sehr groß war, besonders wenn dabei die Katholische Religion als die Religion im Staate anerkannt wurde- das Ideal der konstantinischen Epoche.




 

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