Ein kleiner Versuch über das ganze Universum und unser Universumsdenken
„Absurd, sagst du? Das ganze Universum ist absurd. Es ist abwegig, grundlos. Da existieren nur wenige, winzige Inseln der Vernunft, eingehüllt in die Schädelknochen einiger Lebewesen, wie du es bist.“ Leo Lukas, Der Ilt muss sterben, Perry Rhodan Nr. 3072, S.59. Der nähere Kontext: Die Aufforderung: „Tötet ihn nicht! Das wäre sinnlos, absurd! So wird dieser Aufruf beantwortet und dann tötet der so Angerufene auf grausamster Weise und wird dann selbst getötet. So „begründet“ der Mörder diese Tat: „Du wirst es nie kapieren. Wer den Ghyrd ablegt, tut dies nicht, um sich auf eines dieser rationalen Eilande zu retten. Wer den Ghyrd ablegt, taucht dadurch ein in die tiefsten Geheimnisse des Universums.“ (S.60). Was bedeutet hier der Ghyrd? Einfach gesagt: Er sorgt dafür, daß der Träger vernünftig, rational handelt, wird er abgelegt, agiert der einstige Träger „absurd“: Es ist absurd, jetzt „Gucky“ zu töten, aber gerade darum töte ich ihn.
Ist dieser Dialog einfach nur „absurd“ oder verbirgt sich in ihm eine bedenkenswerte philosophische Reflexion? Die „Inseln der Vernunft“, das ist das Denken (des Menschen). Aber dies vernünftige Denken existiert in Mitten eines unvernünftigen, absurden Universums. Erst durch das vernünftige Denken produziert der Mensch ein für ihn vernünftiges Universum, in dem er dann heimisch sein kann. Hier muß das Denken als ein produktiver Akt verstanden wird, durch den die „Erkenntnisobjekte“, in diesem Falle: das ganze Universum erst hervorgebracht werden. Louis Althusser betont ja in erkenntnistheoretischer Hinsicht die Bedeutung der Differenz zwischen dem Realobjekt, das, was zu erkennen ist, und dem Erkenntnisobjekt, als was es erkannt wird als Produkt des Denkens. (Vgl: Althusser, Balibar, Das Kapital lesen 1) Nur das „erkannte Universum“ ist das vernünftige. Camille Paglia würde hier von dem apollinischen Blick sprechen, durch den uns die Welt zu etwas gut Geordnetes und Schönes wird. (Paglia, Die Masken der Sexualität)
Aus diesem so vernünftigen Universum steigt der Mörder aus, indem er das vernünftige Denken (den Ghyrd) ablegt, um so eins zu sein mit dem absurden Universum. Aber wie „erkennt“ denn der sein „vernünftiges Denken“ abgelegt Habender, daß das ganze Universum absurd, abwegig und grundlos ist, wenn nicht allein so, daß er selbst es so denkt? Es gibt nicht nur den apollinischen Blick, auch den dionysischen (vgl Nietzsche) und erst durch ihn erscheint die Welt grundlos und absurd.
So kommen wir so zu einem befremdlichen Zwischenergebnis: Wenn das ganze Universum das durch unser Denken produzierte Universum ist (als Erkenntnisobjekt), dann ist sowohl das gut geordnete und schöne wie auch das grundlos absurde ein Produkt des Denkens. Durch ein dionysisches Denken kommen wir deshalb der Wirklichkeit des Universums nicht näher als durch ein appollinisches.
Die Vorstellung eines ungeordneten Chaos, das die Vernunft dann erst ordnet (vgl Kant), muß daraufhin befragt werden, ob nicht schon diese Vorstellung ein Produkt der menschlichen Vorstellungskraft ist, und nicht einfach das bezeichnet, wie es wirklich ist, bevor der Mensch sich die Wirklichkeit aneignet und das heißt auch immer: verarbeitet. Der Mensch verhält sich erkennend nicht primär kontemplativ zur Wirklichkeit sondern gestaltend, verarbeitend. Aber was ist dann Wahrheit? , müssen wir mit Pilatus fragen. Vielleicht ist das Verschwinden dieser Frage das Charakteristikum unserer postmodernen Zeit.
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