Freitag, 4. September 2020

Ökologie als Ersatzreligion

Selbst die Ökologie wird zur Ideologie, sobald sie als neue Grenze beschworen wird. Sie hat beste Chancen, sich zur vorherrschenden Ideologieform des globalen Kapitalismus zu entwickeln, zu einem neuen Opium für die Massen als Ersatz für die im Niedergang begriffene Religion, deren alte grundlegende Funktion als unbezweifelbare Autorität, die Grenzen verordnen kann, sie übernimmt.“ (Zizek, Weniger als nichts, 2016, S.1349f)Die Erde solle als etwas „Heiliges“betrachtet werden, um sie der Willkürausnutzung zu entziehen. Ja, die Natur soll etwas sein, „das nicht vollständig enthüllt werden sollte, das für immer ein Geheimnis bleibt und bleiben sollte, eine Macht, der wir vertrauen sollten, statt sie zu beherrschen.“ (S.1350). Drängt sich da nicht die Erinnerung an die im Rahmen der Amazonassynode die praktizierte Pachamamaverhrung auf, daß auch Teile der Kirche die Erde als göttlich verehren wollen und verehrten.

Zizeks These überzeugt. Nicht eine Religionslosigkeit folgt auf den Niedergang der christlichen Religion (zumindest in den westlichen Ländern), sondern es werden es werden Religionssurrogate konzipiert und die Ökologie scheint dafür ein Kandidat zu sein. Wenn seit Adornos/Horkheimers: „Dialektik der Aufklärung“ gerade die Vernunft auf der Anklagebank steht, daß sie der Grund der Naturbeherrschung und Ausbeutung ist, daß der Mensch sozusagen zu „vernünftig“ mit der Natur umgehe und so sie destruiere, liegt es nun nicht fern, den „vernünftigen“ Umgang mit der Natur zu resakralisieren, um so wieder Grenzen aufzuzeigen, die der Mensch nicht überschreiten dürfe.

Die vorherrschende Ideologieform des Kapitalismus wird sicher der Liberalismus bleiben, der aber in sich das ökologische Ansinnen integriert, wie es parteipolitisch „Die Grünen“ vorexerzieren. Dort, wo die christliche Religion den Menschen zu einem vernünftigen Beherrschen der Natur aufrief, die Natur entsakralisierte, indem sie begriffen wurde als von Gott geschaffen und so nicht selbst göttlicher Qualität, soll nun eine Resakralisierung der Natur sich ereignen, damit so der neue ökologische Umgang mit der Natur fundiert werden kann. Die Natur wird uns so zum Göttlichen, der der Mensch sich einzuordnen habe. Da der Kapitalismus nun, um sich dauerhaft erhalten zu können,die Bewahrung der Natur auch zu seinem Anliegen machen muß, könnte so eine Synthese aus liberaler Ideologie und einer Ökoreligion gelingen. Die christliche Religion dagegen kann hier nicht integriert werden ob ihrer Schöpfungstheologie, es sei denn, sie verabschiedet sich von ihr, um dann pan(en)theistisch zu werden.

 

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