Donnerstag, 15. Oktober 2020

Geht das Abendland unter oder ist es schon untergegangen?


Das Abendland wird gestorben sein, wenn es nicht mehr die Gegenwart Griechen-landes in einer christlichen Seele ist.“ Nicolas Gomez Davila, Es genügt, dass die Schönheit unseren Überdruss streift....Aphorismen, 2017, S.75. Aphorismen sind Produkte konzentriertesten Denkens, sie verlangen nach einer Entfaltung, nur daß dann die Entfaltung den Leser ernüchtert, weil die Entfaltung dann doch den Gehalt des Aphorismus nicht ans Tageslicht gefördert hat, denn er ist immer gehaltvoller seine Explikationsversuche.

Trotzdem: Die Gegenwart Griechenlandes in einer christlichen Seele, daß reduziert, was mit Griechenland assoziiert werden kann , wohl auf die griechische Philosophie, wirkmächtig im abendländischen Christentum in erster Linie Platon und Aristoteles, und auf die griechische Literatur, isb die griechischen Tragödien. Bestimmter ist aber an das sogenannte platonisch-christliche Weltbild zu denken. Sowohl der hl. Augustin als auch Nietzsche nahmen ja eine große geistige Verwandtschaft zwischen dem Platonischen und dem Christlichen wahr. Philo von Alexandrien, wohl der bedeutendste jüdischer Theologe in vorchristlicher Zeit entwarf ja auch eine beeindruckende Synthese des Alten Testamentes mit der platonischen Philosophie.

Soll das also, pointiert heißen,daß wenn die platonisch-christliche Weltanschauung (mit der spezifisch christlichen Rezeption des Aristoteles sich aufgelöst haben wird, dann ist das Ende des Abendlandes erreicht? Davila sagt ja nicht, daß der Tod des Abendlandes identisch sei mit dem Verlöschen der christlichen Seele; sie könnt noch den Tod des Abendlandes überleben als ein Christentum, das dann nicht mehr das abendländische wäre. Die Parole der Enthellinisierung des Christentumes, bzw der Entplatonisierung ist nun selbst schon in die Kirchengschichte der Moderne eingegangen, in der Katholischen Theologie isb als Abwendung von der thomistischen Theologie: So könne man heutzutage nicht mehr Theologie konzipieren!

Das 2 Weltenschema kann als das Herzstück des platonisch-christlichen Weltbildes angesehen werden: Es gibt die ideele, wahre und ewige Welt, das Jenseitige und die reale, wirkliche und vergängliche Welt, das Diesseitige. Die wirkliche Welt ist dann nur das Abbild, vielleicht gar nur das Zerrbild des Wahren, des Ideelen, das sich dem Denken erschließt in der Philosophie und in der Religion, sodaß die Philosophie und die Theologie auf das Selbe ausgerichtet waren: die Gotteserkenntnis und dem Ziel, das menschliche Leben auf diese Erkenntnis hin zu gestalten. Das galt noch für den letzten großen christlichen Philosophen Hegel, aber mit seinem Tode endete diese Einheit. Die feuerbachsche, marxsche und Religionskritik Nietzsches markieren die Zensur- für die gegenwärtig wirkmächtigen Philosophen hat die christliche Religion und Theologie nur noch eine marginale Bedeutung. Ein monistisches Denken dominiert, das den jenseitigen Raum aufgelöst hat als eine Himmelsphantasie sehr irdischen Denkens.

Das postplatonische Christentum ist so ein sehr irdisches, der Erde treues Gewordenes, in dem kaum noch vom Jenseitigen gesprochen wird. Die Sorge um das Seelenheil ist ersetzt durch die Sorgen der Seele um das Gelingen des irdischen Lebens.

Wenn Davila recht hat mit seinem Aphorismus, dann ist das Abendland mit der Auflösung des platonisch-christlichen Abendlandes abgestorben. Das ist nicht der Tod des Christentumes, aber es tritt nun, entplatonisiert nur noch geschwächt auf, auf der Suche nach neuen Kultursynthesen in unserer Zeit der Postmoderne. Man könnte vielleicht den politischen Linkskurs, den die Kirche unter Führung des jetzigen Papstes als Versuch einer neuen Synthese verstehen, als der Versuch, sich dem linken Narrativ von der Unterdrückung und Emanzipation vermeintlich Benachteiligter anzuschließen mit einer Kaprizierung auf das diakonische Wirken. Wo ein platonisierendes Christentum Seelenprobleme wahrnahm als seine Aufgabe, sieht die heutige Kirche eher die Sorgen und Nöte des Leibes als Mangel an Brot und Bildung für ein besseres irdisches Leben. Die Vererdung macht so das postplatonische Christentum aus, dem das (theologische)Denken nur etwas gilt, wenn es zur Humanisierung der Erde beiträgt. Die Frage nach dem Nützlichen ersetzt so die platonische nach der Wahrheit zu einem unnützen Spekulieren abgewertet.


 

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