Montag, 12. Oktober 2020

Nachtgedanken: Eine christliche Lehre,die einen Dichter in den Wahnsinn trieb?


Zumindest erwähnt G.K. Chesterton von einem solchen Fall in seinen Reflexionen über das Verhältnis von Kunst und Wahnsinn im Kontext des Diskurses über Genie und Wahnsinn. (Orthodoxie). Nicht die Kunst, nicht eine überspannte Phantasie: „Einbildungskraft ist kein Nährboden für Wahnsinn. Wahnsinn ist im genauen Gegenteil eine Ausgeburt der Vernunft.“ (S.43). So sei der englische Schriftsteller Cowper als einzig Chesterton bekannter Schriftsteller wahnsinnig geworden, aber nicht ob seiner künstlerischen Tätigkeit, sondern weil er die „die häßliche und fremdartige Logik der Prädestinationslehre“ (S.43) in den Wahn getrieben hatte.Luther bezeichnete die Frage der Prädestination, bin ich wirklich erwählt?, als eine der schlimmsten Anfechtungen.

Schaut man in das Begriffsregister des jetzt gültigen Katechismus der Katholischen Kirche, findet man dort weder den Begriff der Prädestination noch den der Erwählung.

Der Ausgangspunkt dieser Lehre findet sich etwa in dieser Aussage der Apostelgeschichte: „Als die Heiden das hörten, freuten sie sich und priesen den Herrn, und alle wurden gläubig, die für das ewige Leben bestimmt waren.“ (Apg 13,48) Jesus lehrt: „Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht von Gott gegeben ist.“ (Joh 6,65).

Versuchen wir eine Conclusio: Es gibt von Gott -von Ewigkeit her- Erwählte, zum ewigen Leben Bestimmte, und die kommen dann zum christlichen Glauben. Die Nichterwählten können so nicht zum ewigen Leben kommen, da sie nicht zum Glauben kommen können, denn zu dem kann nur kommen, wer ihn von Gott gegeben bekommt. So kapriziert sich nun das Nachdenken auf die Frage, ob der Glaube schon ein hinreichendes Indiz für das Erwähltsein zum ewigen Leben ist. (In dieser Frage kamen die Reformatoren zu unterschiedlichen Antworten: Luther tendiert dazu, den wahren Glauben als Indikator des Erwähltseins anzunehmen, Calvin lehnt das ab. Die Kirche urteilte: „Denn ohne eine besondere Offenbarung kann man nicht wissen, wen Gott sich auserwählt hat. (DH 1540), wohl gegen Luther gerichtet, auch wenn das Trienter Konzil hier Luther nicht ausdrücklich erwähnt.Diese Aussage bezieht sich auch auf die Erkenntnismöglichkeit, ob ich selbst erwählt bin: „Auch darf niemand, solange in dieser Sterblichkeit gelebt wird, in Bezug auf das verborgene Geheimnis der Göttlichen Vorherbestimmung so anmaßend sein, daß er mit Sicherheit behauptet, er gehöre in jeder Hinsicht zu der Zahl der Vorherbestimmten.“ (DH 1540)

Die einfachste Vorstellung wäre diese: Gott sorgt dafür, daß jeden -irgendwie- das Evangelium erreicht, und der so Angesprochene nimmt es an oder auch nicht. Der Universalität des göttlichen Gnadenangebotes stünde so die Partikularität der Annahme gegenüber. Für die Ja- bzw Neinentscheidung könnten nun Gründe eruiert werden, die alle dann aber letztendlich auf den einen Grund verwiesen: die freie Entscheidung des Menschen, Ja oder Nein sagen zu können. Dann gäbe es aber keine göttliche Erwählung, sondern nur eine göttliche Erlösungsordnung, daß jeder das ewige Leben erlangen kann, wenn er die ihm von Gott ihm angebotene Gnade annimmt. Wie Gott nun allen dies Angebot macht bzw machen kann, bleibt dann im Unklaren, wenn hier nicht einfach auf die Möglichkeit der natürlichen Gotteserkenntnis rekurriert wird mit dem Zusatz, daß diese schon allein heilsgenügsam sei. Dann wäre aber Gott genau genommen umsonst Mensch geworden und am Kreuze gestorben, da ja für alle Menschen zu allen Zeiten die Möglichkeit einer natürlichen Gottesekenntnis gegeben war und ist, die als solche schon zur Erlangung des ewigen Lebens ausreichte.

Die hl. Schrift bleibt aber nicht bei der Konstatierung, daß einige der Verkündigung Glauben schenkten und andere nicht, stehen, sondern deutet dies Phänomen theologisch: Die Erwählten nehmen die Wahrheit an, die Nichterwählten nicht. Ja die Annahme der Wahrheit sei gar keine natürliche Möglichkeit des Menschen, Gott muß dazu eigens gnadenhaft das Vermögen zum Jasagen geben. (Die Kirche lehrt nun, daß der so Begnadete kraft der Gnade Ja sagen kann, er es dann freiwillig tut, während die Reformatoren hier ein Mitwirken des freien Willens auszuschließen, und so deterministisch denken. Vereinfacht kann diese Differenz so erfaßt werden: Läßt sich der Mensch zum Glauben durch Gott ziehen (die Grammatik nennt das Medium des Verbes) oder wird es durch Gott gezogen, sodaß der Mensch hier rein passiv, erleidend ist. Die ökomenische Lösung, die Differenz für gleichgültig zu erklären.

Können so nun aber nur die Erwählten das Heil erlangen? Das Trienter Konzil lehrt dazu: „Wer sagt, die Gnade der Rechtfertigung werde nur den zum Leben Vorherbestimmten zuteil, alle übrigen aber, die gerufen werden, würden zwar gerufen, aber nicht die Gnade empfangen, da sie ja durch die göttliche Macht zum Bösen vorherbestimmt seien: der sei mit dem Anathema belegt.“ (DH 1567) Was nun? Heißt das, daß jeder den Glauben annehmen kann, der Erwählte wie der Nichterwählte und daß so nur die freie Entscheidung des Menschen das Heil oder Unheil bewirkt?

Die reformatorische Theologie verharrte in der Position, daß nur die Erwählten das Heil erlangen können und daß so auch nur sie zum Glauben kommen können. Wird das konsequent so Ende gedacht, heißt das, daß Gott von Ewigkeit her Menschen zum Unheil bestimmt hat, indem er sie nicht zum Heile erwählte. Der calvinistische Standpunkt betont nun die göttliche Bestimmung zum Unheil, der lutherische, daß es eine göttliche Nichterwählung zum Heile gäbe- aber logisch zu Ende gedacht, führen beide Lehren zum selben Resultat: daß Gott Menschen durch sein Erwählen vom ewigen Heil ausschließt. Diese letzte Konsequenz eines logisch Zuendedenkens dieser Frage habe nun diesen englischen Schriftsteller in den Wahnsinn getrieben- so Chesterton; für ihn ein weiterer guter Grund, katholisch zu sein. Aber auch die Katholische Lehre ist nicht ganz schattenfrei, wenn gefragt wird, ob denn wirklich ein Nichterwählter das Heil erlangt, oder ob es für ihn nur eine theoretische Möglichkeit sein kann.So ist es gut verständlich, daß die Erwählungslehre heutzutage zu den Schmuddelkindern der Theologie zählt. Aber eines kann nicht wegdiskutiert werden: Die hl. Schrift betont die Differenz von Erwählten und Nichterwählten, im Alten Testament als die Differenz des erwählten Volkes zu den nichterwählten und im Neuen Testament als die der Erwählten der Kirche und der Nichterwählten.




 

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