Samstag, 24. Oktober 2020

Geschichte: Wer kämpft da? Rasse, Klasse, Individuen...?

Als Proömium eines recht lesenswerten Berichtes über die jetzige Lage Südafrikas: „Rassenkampf? Klassenkampf? Gar kein Dampf? Zu Historie und aktueller Lage in Südafrika“ in: Unser Mitteleuropa, 21.10.2020 liest man dort:

Die Geschichte ist eine Geschichte der Klassenkämpfe. Karl Marx Die Rassenfrage ist der Schlüssel zur Weltgeschichte. Benjamin Disraeli

Stimmt das? Die Geschichte ist (auch) eine Geschichte weltanschaulicher Missverständnisse und (auch) die Unterwerfung unter einen Determinismus, der in Wirklichkeit nichts bestimmen oder entscheiden kann. In Wirklichkeit versklavt sich ein Mensch selbst durch die Unterwerfung unter irrationale Kulte, wie den Glauben an einen feststehenden Geschichtsverlauf oder monokausale Erklärungsmodelle.

Das klingt gut, stimmt es aber auch? Sind Weltanschauungen immer Mißverständnisse oder können sie mißverstanden werden? Beruht dann ihr Mißverständnis darin, daß sie einen determinierten Verlauf der Geschichte lehren? Disraeli kennt überhaupt keinen vorbestimmten Geschichtsverlauf, er sagt nur, daß die Menschheitsgeschichte nicht begriffen werden kann, wenn man die rassische Ausdifferenzierung der Menschheit und das damit verbundene Konfliktpotential übersieht.

Im Marxismus ist die Lage komplexer: Einerseits wird eine objektive Geschichtsentwickelung gelehrt, die im Kommunismus ihren Abschluß finden soll, andererseits wird der agonale Charakter der Geschichte betont, daß das Lebenselexier der Geschichte der Kampf ist und der Ausgang von Kämpfen ist nicht determiniert, er kann nur prognostiziert werden.So kann man den Sieg von RB-Leipzig gegen den 1.FC Krähwinkel mit fast 100 prozentiger Sicherheit voraussagen, aber dieser Sieg ist trotzdem nicht determiniert. Betrachtet man den Marxismus als eine Untervariante des berühmten Votums von Heraklit: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“, dann wird noch deutlicher, daß im praktiziertem Marxismus das voluntaristische Moment überwiegt.

Daß der Mensch sich irrationalen Kulten unterwirft und sich so selbst versklavt, ist gediegene Polemik, evoziert aber auch hier ad hoc Fragen: Sollen alle Weltanschauungen als „irrationale Kulte“ gelten, oder nur einige? Zudem, kann den der Mensch in der Geschichte agieren, ohne daß er sein Leben in der Welt in irgendeiner Weise weltanschaulich deutet. Nun sind selbstredend die Weltanschauungen keine individuellen Hervorbringungen sondern soziale Produkte, aber es darf gesagt werden, daß zum Leben in einer Gesellschaft die Partizipation an einer Weltanschauung dazugehören. In pluralistisch verfaßten Gesellschaften konkurieren dann diverse Weltanschauungen miteinander, aber diese pluralistische Verfaßtheit ist selbst auch ein Produkt einer Weltanschauung, der des Liberalismus.

Versimplifiziert kann dies an Mannschaftsballspielen veranschaulicht werden. Erst wenn festgelegt ist, welches Ballspiel mit welchem Regelwerk gespielt werden soll, kann gespielt werden. Jedes Ballspielregelsystem unterscheidet nun zwischen erlaubten und unerlaubten Agieren, definiert, wie mit dem Ball umzugehen ist und wie nicht. Das könnte als unangemessene Beeinträchtigung der Freiheit der Ballspieler gedeutet werden, aber ohne eine solche Limitierung kann überhaupt nicht Ball gespielt werden. Anders gesagt: Sinnvolles Agieren in der Geschichte ist nur in einem Vorstellungsraum, einer Weltanschauung möglich. Ansonst reduzierte sich das menschliche Leben auf ein außergeschichtlich rein natürliches Leben der Lebenserhaltung und Lebensfortpflanzung.

Monokausale Interpretationen der Geschichte vertritt nun keine Weltanschauung, wohl aber den Glauben an einen feststehenden Geschichtsverlauf, daß es einen Progreß in der Geschichte gäbe, die Fortschittsgläubigkeit und die religiöse Vorstellung eines Endes der Geschichte. Daß solche Vorstellungen aber den Menschen versklavten, ist nun eine abstruse Vorstellung, zumal Nietzsches Alternativkonzept der ewigen Wiederkehr des Selben nun auch wieder deterministisch erscheint.Nur ein mutiger Rückgriff auf Heraklits, der Krieg ist der Vater aller Dinge, dürfte jede Art von Determinismus ausschließen, aber determiniert er so nicht selbst doch wieder auch die Geschichte? 

Ergo: Wenn die Geschichte die ihrer Kämpfe ist, dann schließt dies jede deterministische Deutung aus, außer der, daß solange es Geschichte gibt, ihr Lebenselexier der Kampf ist, der grundlegendste der des Satans wider Gott. 







 

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