„Ich glaub an dich“- ein Fehlweg in Kardinal Ratzingers „Einführung in das Christentum“?
Die eigentliche Botschaft der christlichen Religion sei keine Lehre, „sondern seine Person“, urteilt J.Ratzinger Benedikt XVI in seiner „Einführung in das Christentum“ (2000, S.19). Auch wenn dann Joh 7,16 zitiert wird: „Meine Lehre ist nicht meine Lehre“ (S.19), bleibt es bei dieser problematischen Aussage, daß die Person Jesu der Gehalt der christlichen Religion sei.
„Der christliche Glaube ist mehr als Option für einen geistigen Grund der Welt, seine zentrale Formel lautet nicht: >Ich glaube etwas<, sondern>Ich glaube an dich<. Es ist Begegnung mit dem Menschen Jesu“. (S.71). So feinsinnig diese Einführung auch sonst gestaltet ist, hier müssen ernsthafte Bedenken angemeldet werden. Jesus ist erst mal ein Individuum, von dem die Hl. Schrift Aussagen macht über sein Leben, was er tat, und was er nicht tat. Dies zeigt schon an, daß eine Zentrierung auf sein Personsein unzulässig sein Leben reduziert auf sein Sein und sein Heilswerk, was er lehrte und tat, so vernachlässigt.
Auch ist er nicht einfach eine Privatperson, denn er ist der Messias. Das urchristliche Bekenntnis lautet ja: Jesus ist der Messias, Jesus ist der Christus. Daran glaubte das Urchristentum, nicht glaubte es an die Person Jesus. Veranschaulichen wir uns an einem simplen Fall. Ein Mann tritt an mich heran und fordert von mir, daß ich meine Ausweispapiere vorzuzeigen habe. Meine Antwort könnte in der Frage bestehen, warum ich diesem Mann meine Papiere zu zeigen habe. Wenn der dann seinen Wintermantel aufknöpft und eine Polizeiuniform sichtbar wird, glaube ich, daß er ein Polizist ist und somit berechtigt ist, meine Ausweisdokumente zur Ansicht zu fordern. Ich schreibe hier extra: „Ich glaube, daß er ein Polizist ist“, weil die Uniform allein noch kein Beweis dafür ist, daß er ein Polizist ist, denn es könnte sich ja auch nur um eine Kostümierung handeln. Wüßte ich, daß ein Polizist vor mir steht, bräuchte ich es nicht mehr zu glauben.
Es gibt keinen Glauben, ohne daß etwas geglaubt wird. Das Bekenntnis: „Ich glaube an dich, Jesus“, ist so eine Abbreviatur des Bekenntnisses: „Ich glaube, daß du der Christus bist.“ Die Kenntnis des Begriffes des Christus setzt dieses Bekenntnis voraus. In ihm wird eine Person mit dem Amt des Messias identifiziert. Das heißt im Kontext von Jesu: Wir identifizieren dich als den von uns schon ersehnten Messias. Was der Messias ist, das ist nun nichts der Person Jesu individuell Eigenartiges, sondern, sagen wir es mal salopp, eine Rolle, die in der zeitgenössischen Frömmigkeit der Juden einen ganzen Vorstellungskomplex ausmacht. Kehren wir zur Vereinfachung des damit Ausgesagtem zu der Vorstellung des Polizisten zurück: Was für ein großes Meer an Vorstellungen und Assoziationen evoziert allein der Begriff des Polizisten. Einen Vorstellungsraum eröffnen diese Vorstellungen und Assoziationen, ohne daß gleich das gesamte Vorstellungsmaterial geordnet und systematisiert oder gar wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Erst ist dies Meer der Vorstellungen und Assoziationen da.Erst die Theologie entfaltet dann diesen Begriff in seiner ganzen Wahrheit. Das ist dann die dogmatische Explikation des Begriffes. Kurzfassungen dieser dogmatischen Explikation sind dann die christologischen Lehrsätze. In ihnen versteht der christliche Glaube erst, was er glaubt, wenn er glaubt, daß Jesus der Messias ist. Ratzinger urteilt in dieser Einführung anders, wenn er die ersten Konzilien lobt, weil „ man auf diesen Konzilien noch nicht Lehrsätze formuliert hat“. (S.81). Aber ohne solche „Lehrsätze“ weiß der christliche Glaube noch gar nicht, was er bekennt, wenn er Jesus als den Christus bekennt. Das wäre so, als sagte ich: „Ich glaube, daß sie ein Polizist sind“, aber ich weiß nicht, was ein Polizist ist und warum ich nun verpflichtet sein sollte, dem meine Ausweisdokumente vorzuzeigen.
„Ich glaube an Dich“ ist so eine Abbreviatur, weil nicht expliziert wird, als was ich hier den so Angesprochenen glaube. So kann ein Verleger zu einem jungem Schriftsteller dies sagen und damit sein Vertrauen darauf aussagen, daß er ihn für einen zukünftig erfolgreichen Schriftsteller ansieht und darum sein Erstlingswerk verlegen wird. Erst der soziale Kontext erschließt dann, was geglaubt wird, wenn gesagt wird: „An dich glaube ich“.
Die christliche Religion kann sich nicht aus der Wahrnehmung oder gar nur aus der Begegnung mit der Person Jesus erschließen. Soll etwa das Heilswerk Jesu, sein Kreuzestod begriffen werden, setzt dies ein theologisches Vorverständnis des Sühnopfers voraus. Das Begreifen der Erscheinungen Jesu nach seiner Kreuzigung setzt eine Kenntnis der Erwartung der Totenauferweckung am letzten Tage als eschatologisches Ereignis voraus und noch viel grundlegender ein Weltverständnis, das es für möglich hält, daß in der Welt übernatürlich Gewirktes sich ereignen kann.
Wem die Welt ein in sich geschlossenes Etwas ist, in dem alles sich darin Ereignende rein weltimmanent ist, für den kann auch die Person Jesus, auch wenn sie ihm persönlich begegnet, nur ein besonderer Mensch sein und nicht mehr. Aber der christliche Glaube bekennt,daß diese Person wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich ist und diese Aussage transzendiert das: „Ich glaube an dich“ zu: „Ich glaube dich als den Sohn Gottes, der uns zum Heile Mensch geworden ist“.
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