Montag, 26. Oktober 2020

Ich glaube an den Liberalismus und an die Demokratie

Ich glaube an den Liberalismus und an die Demokratie

Mit diesem Glaubensbekenntnis irritiert die Schrift: „Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen“ von G.K.Chesterton sicher manchen seiner Leser, aber gerade das auf den ersten und zweiten Blick den Lesenden Irritierende macht ja gerade die Qualität dieser so unorthodox daherkommenden Schrift aus. Für den Autor scheint Liberalismus und Demokratie eins zu sein, eine sicher fragwürdige Identifizierung (vgl dazu etwa in kritischer Intention Carl Schmitt: „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“), aber kaprizieren wir uns trotzdem hier auf diese Erörterung Chestertons.

Die Grundmaxime der Demokratie ließen sich in 2 Grundsätzen komprimieren:

Der erste Satz lautet, daß die Dinge, die allen Menschen gemeinsam sind, größeres Gewicht haben als die Dinge, die nur einigen Menschen zu eigen sind. Gewöhnliches ist wertvoller als Außergewöhnliches; besser gesagt,es ist außergewöhnlicher.“ ( Orthodoxie, 2015, S.96f)

Hier wird ein Indikativ gesetzt: haben größeres Gewicht und nicht: sollten größeres Gewicht haben. Wie begründet sich dieser Indikativ? Durch das Faktum, daß in einer Demokratie es so ist, und es so sein soll, weil die Demokratie sein soll? Tatsächlich kann jetzt an jede demokratische Wahl gedacht werden, in der das, wofür die Mehrheit stimmt, dann als „wahr“ bzw als „legitimiert gilt. Daß die Minderheit dann auf die bessere Qualität ihrer Argumente verweist oder darauf, daß mehr Fachkundige in der zu entscheidenden Causa für das Minderheitsvotum gestimmt haben, ist dann im Rahmen der Demokratie bedeutungslos. So hat nun eine demokratische Mehrheit Irlands für das Recht zur Kindestötung im Mutterleibe votiert und darum ist nun dies Kindestöten Recht. Weder die Qualität des göttlichen Gebotes noch der Verweis auf das Naturrecht, gegen das dies Tötungsrecht verstößt, haben dann noch eine Bedeutung, denn die größere Zahl entscheidet, was als Recht zu gelten hat. Kann ein Christ das wirklich glauben?

Aber: was allen Menschen gemein ist, kann auch anders verstanden werden. Alle Menschen müssen Essen und Trinken, ein Dach über den Kopf haben und ein Mindestmaß an Bildung, um am gesellschaftlichen Leben partizipieren zu können. Eine demokratische Politik wird deshalb hier ihre Schwerpunkte setzen, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Meinte man nun, daß dem Menschen auch noch ein Streben nach Höherem zu eigen ist, dann muß das als ein Interesse weniger als politisch also fast irrelevant angesehen werden. Die Wohlfahrt, für die sich ein demokratisch-liberaler Staat engagiert, ist so etwas rein Materialistisches. Für alles Ideele ist so kein Platz in diesem Politikverständnis. Der Mensch des Liberalismus ist so halt der homo oeconmicus mit seinen rein materialistischen Bedürfnissen.

Das Außergewöhnliche wird so exkommuniziert aus der liberalen Demokratie. Wer hier nun einen kurzen Blick etwa auf Hesses Roman: „Der Steppenwolf“ wirft, liest da das genaue Gegenteil, daß gerade die außergewöhnlichen, aus dem Rahmen des Üblichen Herausfallenden das das gesellschaftliche Leben Belebende sind, die Gesellschaft vor ihrer Skleroseanfälligkeit bewahren. Aber diese „Steppenwolfexistenzen“ sollen aus der demokratischen Gesellschaft weitestgehend ausgeschlossen werden, weil sie zu wenige sind, als daß sie zählen könnten.



Das 2.Prinzip laute, „daß der politische Sinn oder Trieb zu dem gehört, was die Menschen verbindet.“ (S.97) Ist die Antithese, daß die Politik die Menschen voneinander trennt, nicht viel realistischer? Die Staatspolitik setzt eine Trennung der Staaten voraus, die dann ihr Mit- und oft eher ihr Gegeneinander gestalten. Der öffentlich politische Diskurs lebt von den Gegensätzen der politischen Ideologien und dem Kampf um Macht. Je politisierter ein Diskurs ist, wenn etwa Künstler nicht mehr nach der Qualität ihrer Werke sondern nach ihrer politischen Gesinnung beurteilt werden (man denke an Peter Handke oder der Verteufelung des Filmsschaffens einer Leni Riefenstahl), desto mehr ist er durch Zwietracht und Feindschaft bestimmt.

Noch skuriler: „daß die Demokratie das Regieren zu diesen allgemeinmenschlichen Funktionen zählt: Kurz, der demokratische Glaube läuft darauf hinaus, daß die allerwichtigsten Dinge den gewöhnlichen Menschen überlassen bleiben müssen.“ (S.98) Ein Friseurlehring darf in seinem 1.Lehrjahr bei Niemandem die Haare schneiden, damit er nicht irreversible Schäden anrichtet, die erstrebte Frisur verschneidet- einer wie langen und intensiven Ausbildung bedarf ein Chirug, bevor er zum 1. mal selbstständig operieren darf und nun soll die Kunst des Regierens etwas für jedermann sein? Kann jeder qua gesunden Menschenverstand gut regieren. Der revolutionäre Lenin meinte, daß, wenn der Staat im Sozialismus langsam anfängt, überflüssig zu werden, nach der notwendigen Phase der Diktatur des Proletariates, dann das Regieren so leicht würde, daß wirklich ein jeder damit beauftragt werden könnte. (siehe seine Schrift: Staat und Revolution), aber das erwies sich dann in der politischen Praxis aller sozialistischen Länder als schwärmerischer Utopismus. Nein, die Kunst des Regierens verlangt nach dazu wirklich Qualifizierten, nach Menschen mit einer natürlichen Talentierung zum Beruf des Politikers und einer dazu gehörigen qualifizierenden Ausbildung. Weh dem Volk, daß von Diletanten regiert wird.

Oder sollen wir nun mit Chesterton wider alle Einsicht an diesem demokratischem Glauben festhalten, sodaß in unserem Staate Verteidigungsminister Personen werden können, die gerade mal einen Panzer von einem Kriegsschiff unterscheiden können- statt dies Amt einem General vorzubehalten?























































 

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