Mittwoch, 15. Dezember 2021

Zum Fall des Weihnachtsmannes

(eine religionspädagogische Erwägung: Wie christliche Religion vermitteln? Der Ausgangspunkt ist dabei die These, daß auch die christliche Religion nicht primär eine Morallehre ist.)


Für Rigoristen ist der Weihnachtsmann ein eindeutiger Fall, er sei un- wenn nicht gar antichristlich, neoheidnisch und habe so in einer christlichen Familie zu Weihnachten nichts zu suchen. Zudem sei der ja ein Produkt einer amerikanischen Limonadenfabrik und Limonaden, isb die Coca Cola seien ja so ungesund, Kinder sollten lieber Wasser trinken! Und überhaupt, wann kam schon mal was Gutes aus den USA!

So gut das auch klingen mag, ist das deshalb schon richtig? Wenn der Weihnachtsmann nicht mehr den Kindern ihre Geschenke zu Weihnachten bringt, wer denn dann? Jesus Christus, dessen Geburt Weihnachten gefeiert wird, bringt selbst keine Geschenke, wenn man nicht ihn selbst als Gottesgeschenk ansehen möchte. Aber daraus läßt sich nun die heute übliche Weihnachtsgeschenkpraxis nicht ableiten. Es dürfte so nur ein Geschenk geben, das Kind in einer Weihnachtskrippe. So schöne Weihnachtskrippen es nun auch wirklich gibt, richtige Kunsterke: Unsere Kinder müßten so auf alle Geschenke zu Weihnachten verzichten. Asketisch Gesonnenen mag das gefallen, aber gewiß keinem Kind. Die 3 heiligen Könige bringen dem Gottessohn Geschenke, um ihn zu huldigen, aber dann müßten wir ja zu Weihnachten den Heiland in der Krippe beschenken, etwa durch eine Andacht.

Wie kam es überhaupt dazu, daß Christen sich zu Weihnachten beschenken? Sind wir nicht durch die Geburt Jesu Christi hinreichend Beschenkte und bedürfen so keiner weiteren Geschenke? Aber nun steht der Weihnachtsmann immer noch vor der Türe: „Lassen wir ihn herein?“

Es soll nun eine kleine religionspädagogische Erwähung versucht werden, um einen sinnvollen Umgang mit dem Weihnachtsmann zu ermöglichen.

Die Ausgangsthese:

Jede Religion fundiert sich in der Vorstellung, daß unsere Lebenswelt nicht ein sich ge- und verschlossener Kosmos ist, sodaß im Prinzip alle Elemente und Ereignisse dieses Kosmos immanent erklärbar sind sondern daß mitten in unserer Lebenswelt es Übernatürliches, nicht aus der Welt immanent Erklärbares gibt, das aber für unser Leben höchste Relevanz besitzt. Philosophischer formuliert: Ein Zweiweltendualismus ist konstitutiv für jede Religion. Die andere jenseitige Welt ist nun in Einzelobjekten und Einzelereignissen mitten in der Welt präsent als doch etwas ihr zutiefst Fremdes.Aus diesem Dualismus generiert sich dann auch die für die Religion, jetzt im Sinne des Wesens der Religion gemeint, der Dualismus von heilig und profan, von natürlich und übernatürlich.

Zwei differente Weisen des Umganges mit diesem im Weltlichen Unweltlichen weist nun die Kultur auf: a) die magische Praxis, in der dies Außerweltliche in der Welt als etwas behandelt wird, das der Mensch zu seinen Gunsten beherrschen kann durch Beschwörungspraktiken und b) die religiöse Praxis, die eine kommunikative Praxis ist zwischen den personal gedachten überirdischen Kräften und den Menschen in der Gestalt des Kultes: Es wird gebetet und geopfert, aber die Götter offenbaren auch ihre Absichten den Menschen durch Orakel, Visionen und Eingebungen oder durch Boten, Engel etwa.


Eine weitere These:

Unsere heutige Lebenswelt wird weltimmanistisch gedeutet: Alles in ihr ist weltimmanent erklärbar und wenn nicht, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis das jetzt noch nicht Erklärbares erklärt werden wird. Jede religiöse Vorstellung wird so, in dies Weltverständnis eingezeichnet, säkularisiert. Aus dem Sohn Gottes wird dann eine beeindruckende Persönlichkeit, aus Gott der Appell zum moralischen Handeln, aus dem Glauben an den Gott, der die Welt erschuf der Auftrag des Menschen, die Welt wertschätzend zu behandeln und nicht auszubeuten. Die erste Aufgabe der Religionspädagogik muß es so sein, diese Weltdeutung zu überwinden und für die Möglichkeit von Übernatürlichem und Jenseitigen mitten in unserer Welt zu sensibilisieren. Es gibt in der Welt mehr als Weltliches!


Die Vorstellung vom Weihnachtsmann ist nun keine christliche Vorstellung, aber eine religiöse, weil sie besagt, daß wir Menschen von „Oben“, vom Himmel her beschenkt werden. Es sei an die Weihnachtsmannbilder erinnert, die ihn Schlitten fahrend mit den Weihnachtsgeschenken vom Himmel her kommend darstellen. Ihre Botschaft ist eindeutig: Vom Himmel her kommt der Weihnachtsmann, um uns zu beschenken. Das ist die zutiefst religiöse Komponente der Weihnachtsmannvorstellung. Sehr kindgemäß wird dabei der Himmel als etwas über uns vorgestellt, von dem herab der Beschenker kommt. Vom Himmel her wird auf uns (Kinder) geschaut und von dort werden wir (Kinder) beschenkt.Der Himmel, die jenseitige Welt steht unserer Lebennswelt nicht gleichgültig gegenüber. Der Himmel verhält sich zu uns. Wird das gar noch verbunden mit der Vorstellung, daß der Weihnachtsmann vom Himmel kommend die braven Kinder (mehr) beschenkt (als die nichtbraven), haben wir schon das Fundament jeder Religion vor Augen. Das ist noch nicht die spezifisch christliche Religion, aber auch die christliche Religion ist in dieser allen Religionen gemeinen Vorstellung fundiert.

Der Weihnachtsmann ist so gesehen mehr als geeignet, Kinder in diese Fundamentalvorstellung der Religion einzuführen: Wir werden vom Himmel her beschenkt. Werden die Kinder älter, kann dann diese Vorstellung vertieft werden, daß der Weihnachtsmannn nur ein Symbol für unser Beschenktwerden von Gott her ist. Die Weihnachtsmannvorstellung darf dann nicht einfach säkularistisch negiert werden sondern aufgehoben in der vernünftigen Einsicht des Geschenktcharakters unseres eigenen Lebens und der vielen besonderen Gaben von Gott her. Gerade auf dem Gebiet der Anthropologie bietet sich dabei die Seelenlehre an, daß die menschliche Seele nicht aus dem Zeugungsakt selbst hervorgeht sondern daß Gott sie in den werdenden Menschen inkarniert als unmittelbar von ihm Geschaffenes.

Ästhetisch geurteilt kann man nicht die Augen davor verschließen, daß gerade der Weihnachtsmann, wie ihn Coca Cola gestaltet hat, optimal kindgerecht ist- besser hätte man es nicht machen können. Darum ist gerade dieser Cola-Weihnachtsmann so erfolgreich. So gibt es keinen legitimen Grund, diesen Weihnachtsmann zu schmähen: Wenn doch vieles andere in unserer Gesellschaft so kindgerecht wäre wie gerade dieser Weihnachtsmann. Religionspädagogisch gesehen ist der Weihnachtsmann so eine gute Chance, Elementaria der Religion zu vermitteln, daß wir vom Himmel her Beschenktwerdende sind.




 

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