Freitag, 24. Dezember 2021

Weihnacht - der Erlöser ist uns geboren: eine kritische Anfrage

Weihnacht- der Erlöser ist uns geboren: eine kritische Anfrage


Eine jüdische Religionsunterrichtsstunde:Ein Schüler ruft aus: „Rabbi, Rabbi, der Messias ist da!“ Der Rabbiner schaut aus dem Schulfenster, sieht ein weinendes Kind und erwidert: „Nein, der Messias ist noch nicht gekommen!“

Wenn der Messias da ist, dann erlöst er die Welt,sodaß dann kein Kind mehr weinen wird. So viel wird noch auf der Welt geweint, der Christus kann noch nicht angekommen sein. Halten wir uns dann noch vor Augen, daß seit Jesu Christi Geburt im 20.Jahrhundert so viel unschuldige Menschen getötet worden sind, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Es kann nur mit geschlossenen Augen behauptet werden, daß seit Weihnachten die Welt im Ganzen besser geworden sei! Auch wenn eine christliche Geschichts-schreibung nun noch so sehr sich abmühte, einen humanisierenden Effekt der christlichen Religion in den letzten 2000 Jahren nachzuweisen, angesichts der Leichenberge des 20.Jahrhundertes muß sie sich blamieren.


Was also tuen angesichts dieser jüdischen Christentumskritik? Der einfachste Ausweg wäre der, dazu aufzurufen, gemeinsam einen Beitrag zur Humanisierung der Welt zu leisten und dabei die Frage, ist denn der Erlöser schon gekommen, auszublenden. Oder es könnte der Messias Jesus reduzuiert werden darauf, daß er alle zur Humanisierung beauftragte und daß es nun auf uns ankäme, seinen Auftrag in die Tat umzusetzen. Das jetzige Elend der Welt läge dann einfach darin, daß wir Menschen Jesu Aufruf zur Humanisierung nur sehr partiell Folge geleistet hätten. Nur versteht weder die christliche noch die jüdische Religion den Messias als einen Aufrufer zur Weltverbesserung sondern als die Kraft, die die Welt wirklich erlöst.

Auch in seinem eigenen Schülerkreis gab es so vom Messias Jesus Enttäuschte. Aus dieser Frage: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6)klingt diese Desillusionierung mit. Die Judenchristen erwarteten eben vom Messias vorrangig eine Wieder-herstellung des jüdischen Reiches, selbstredend nicht einfach eine Repristination des einstigen Reiches, sondern eine vollkommene Neuauflage des alten Reiches. Wenn der Sprecher der Apostel, Petrus, der spätere erste Papst so entsetzt auf die Leidensankündigung Jesu reagierte, daß der Heiland gar zu ihm sagen mußte: „Weiche von mir Satan!“, dann wohl auch deshalb, weil er sich außer Stande sah, sein Messiasverständnis in Einklang zu bringen mit Jesu Messiasverständnis, daß er in die Welt gekommen ist, um am Kreuze die Sünden der Welt zu sühnen.

Es soll nun anders weitergefragt werden: Wo verheißt Jesus eigentlich, daß mit ihm eine Heilsgeschicht anfänge, in der die gefallene Welt Schritt für Schritt zu einer besseren wird,daß von nun aber auch die Menschen bessere werden, bis daß dann die Welt zum Reich Gottes würde, in der alle als Erlöste und Befreite leben werden? Wo expliziert Jesus als Lehrer der Gerechtigkeit einen Weltoptimierungsplan, den dann seine Kirche umzusetzen habe? Wo sagt er uns, daß ab nun wir auf Erden paradiesisch leben werden? Ja, Jesus heilte Blinde, Besessene und viele andere Kranke, aber die Zahl der Ungeheilten dürfte zu Lebzeiten Jesu doch größer gewesen sein als die Zahl der von ihm Geheilten.

Mißverstehen wir so Jesu Erlösungswerk, wenn wir es als ein Werk der Humanisierung und allgemeinen Weltverbesserung verstehen, um dann zu fragen, warum all dies nicht sich ereignete? So drängt sich die Einsicht auf, daß wirklich Jesu Heilswerk das seines Kreuzes, seines Sühnopfertodes ist. Er ist so noch nicht gekommen, um sein ewiges Reich zu errichten, denn das wird er erst erwirken, wenn er wiederkommt, zu richten die Lebenden und die Toten.Die Johannesapokalypse, ganz im Geiste Jesu Reich Gottes Verständnisses geschrieben, offenbart uns ja unüberlesbar, daß die ganze Menschheitsgeschichte nach Jesu Geburt nicht ein allmähliches Sichentwickeln zum Reich Gottes auf Erden ist, sondern daß Gott selbst diesen unseren Äon vernichten wird, um eine neue Erde und einen neuen Himmel zu erschaffen! Der Messias Jesus war ein apokalyptisch Gesonnener, keiner, der auf einen menschlichen Fortschritt zum Besseren setzte. Er vertraute allein auf Gott, der ein neues Paradies für uns Menschen erschaffen wird!

So mißversteht sich auch die Kirche völlig, meint sie, daß ihre vordringlichste Aufgabe die eines Engagements zur Verhumanisierung der Welt sei. Denn ihre eigentliche Aufgabe ist ihr Opferkult, Gott sein Versöhnungsopfer darzubringen und nicht sich einer Hoffnung auf eine moralische Perfektibilisierung des Menschen hinzugeben.

Wäre aber Jesus wirklich im weltlichen Sinne ein Erlöser gewesen, dessen Anliegen eine humane Welt gewesen wäre, dann müßte aber konzidiert werden, daß er als Erlöser versagt hat.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen