Sonntag, 22. Mai 2022

Über eine gottlos gewordene Kirche - eine Problemanzeige

Über eine gottlos gewordene Kirche- eine Problemanzeige


Ich freute mich,als man zu mir sprach:Lasset uns zum Hause des Herrn gehen!“ „In donum Domini ibimus“ ist aber futurisch: „In das Haus des Herrn werden wir gehen!“ So steht es im 122 Psalm im ersten Vers. Für circa 95 Prozent der Katholiken und circa 97 Prozent der Evangelischen gilt das nicht mehr: Worüber sie sich auch an einem Sonntag freuen mögen,wenn sie sich denn über etwas freuen, auf den sonntäglichen Kirchgang freuen sie sich nicht. Außerdem: Zu wem wird denn noch gesagt: „Wir werden in das Haus des Herrn gehen!,oder wer wird gar noch zum Kirchgang aufgefordert: „Lasset uns in das Haus des Herrn gehen“?

Könnte das Fehlen der Freude an dem Kirchgang seinen Grund darin haben, daß nicht mehr gewußt wird, was der Begriff des Hauses des Herrn bedeutet? Oberflächlich könnte man meinen, daß die Kirche ein Versammlungsraum ist, in dem Menschen zusammenkommen, um gemeinsam zu singen, zu beten, eine Predigt anzuhören, nach vorne schreiten, um etwas nicht so genau Definierbares zum Verzehr zu empfangen, das da als „Hostie“, „Leib Christi“ benannt wird und dann spricht der Pfarrer einen Segen, das Ganze währt circa 1 Stunde, oder eben auch weniger und dann geht man wieder heim. Besonders attraktiv scheint diese Veranstaltung nicht zu sein, zumal man statt eine Predigt sich anzuhören, auch ein Buch, einen Aufsatz zu etwas Religiösem lesen könnte oder im Internet sich anhören kann. Die Kulturtechnik des Singens wird heutzutage sonst nur noch enthusiasmiert in Fußballstadien praktiziert und beten kann man doch viel besser Zuhause allein. Es bliebe so nur noch die Eucharistie. Wäre unter uns Christen noch bekannt, daß der Leib und das Blut Christi, recht genossen, die wirkkräftigste Medizin auf Erden ist, daß sie uns vom Tode befreit als Heilmittel zur Unsterblichkeit, Schlange stünde man, um sie zu erlangen. Aber was weiß ein heutiger Katholik durchschnittlich noch von der Eucharistie?

Das Haus des Herrn“ das ist das Wohnhaus Gottes auf Erden. Die Lehre von der Eucharistie expliziert nun, warum diese Aussage wirklich wahr ist, daß Gott selbst in seinen Kirchen wohnt. Im Alten Bund ließ Gott seinen Namen im Jerusalemer Tempel wohnen. Die Gläubigen kamen in den Tempel, weil dort ihr Gott für sie anwesend und ansprechbar war. Im Neuen Bund gilt nun die Verheißung, daß in jeder Kirche Jesus Christus, Gott in seinem Namen für uns gegenwärtig ist im Tabernkel. Was im Alten Bund das Begegnungszelt war, das ist im Neuen der Tabernakel, =das Zelt, in dem Jesus Chritus in der Gestalt der geweihten Hostie gegenwärtig ist.

Ein Christ geht nicht primär in eine Kirche, um sich da mit Gleichgesinnten zu versammeln, sondern er geht dahin, wo er weiß, daß da Gott selbst auf ihn wartet. Es ist das Haus des Herrn, in dem wir zu Gast sind und seine Gastfreundschaft genießen. Die Kirchen gehören nämlich dem Herren. Jesus als Kleinkind lag in Windeln in einem Stall zu Bethehelm, jetzt soll ihm in jeder Kirche ein ihm gemäßeres und würdigeres Zuhause erschaffen werden: Die allerschönst ausstaffierte Kirche ist gerade so ein Abbild der Schönheit und Herrlichkeit des hier wohnenden Gottes. Wie sehr das heutzutage nicht mehr gewußt wird, demonstriert auf das Abstoßendste der moderne Kirchenbau, aus dem alles Schöne und Herrliche verbannt wird in dem Grau in Grau des Betons. Dem korreliert dann auch der Verlust der Schönheit der Liturgie: volkskirchlich pädagogisch durchgeformt hat sie ihren heiligen Charakter verloren. Die Liturgie degeneriert zu einer Gemeindeveranstaltung.

Die Reformation legte den Grund für diesen Verfall, indem die Kirchen zu gottlosen Räumen wurden. Denn nach dem reformatorischen Verständnis wohnt Gott nicht mehr in den Kirchen. Er ist dort abwesend, nur wenn sich in dem kirchlichen Raume dann Gläubige versammeln, ist Gott dann unter ihnen. Der Raum ist so selbst kein heiliger Ort mehr, zu dem die Gläubigen kommen, kein von Gottes Präsenz erfüllter Raum. Die die Gemeinde belehren sollende Predigt avanciert stattdessen zum Zentrum des Gottesdienstes. Man geht zur Predigt, heißt es so unter reformierten Christen. Aber wozu hat man sich noch zu unterrichten und belehren lassen, wenn man schon hinreichend sich auskennt in den christlichen Glaubensartikeln. Calvin, der reformierte Reformator hatte sich schon mit diesem Standpunkt auseinanderzusetzen: Wir gehen nicht mehr zum Gottesdienst, weil wir nicht mehr belehrt werden müssen. Wie viele Katholiken sind wohl heutzutage faktisch reformiert geworden: Nur Lehrlinge brauchen noch Belehrungspredigten, wir nicht mehr. Und dann noch das viele Gesinge im Gottesdienst!

Wenn die Kirche nicht mehr das Haus des Herrn ist, wenn sie als solche nicht mehr geglaubt wird, wie sollte da sich noch wer freuen, zur Kirche zu gehen. 

 

Zusätze

Die nachkonziliare Liturgiereform transformiert ja den auf Gott hin ausgerichteten Kult hin zu einer Gemeindeveranstaltung mit dem Pfarrer im Zentrum, nicht mehr dem Tabernakel als dem Ort der Präsenz Gottes. Diese Pfarrerzentrierung evoziert dann den Protest der Gemeinde, daß sie und doch nicht der Pfarrer im Zentrum zu stehen habe, denn für die da Versammelten würde doch dieser Gottesdienst abgehalten werden, also habe der Kunde als König im Zentrum zu stehen und der Pfarrer der Gemeinde zu dienen.

Der ökumenische Diskurs über die Eucharistie, von den Protestanten als Abendmahl verzeichnet, führt dazu, daß die für das Kirchensein konstitutiver Glaube an die Präsenz Jesu Christi im Tabernakel entschwindet, daß die Kirche wirklich der Wohnort Gottes auf Erden ist, weil nach lutherischer Lehre die Kirche, wenn nicht ein Gottesdienst gefeiert wird, gottlos ist. Da ist Gott nicht in der Kirche. In einem evangelischen Predigtgottesdienst begegnet Gott einem nur noch in der Predigt, wenn denn überhaupt. 

 

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