Montag, 16. Mai 2022

Ein neues Evangelium? Judas statt Jesus? Kath de auf wundersamen Irrwegen?




Enthusiasmiert berichtet Kath de über die Oberammergauerpassionsspiele des Jahres 2022. Die Spiele waren kirchenkritisch, sie überwanden alle judenfeindliche Elemente der Passion, indem Pontius Pilatus zu dem bösen Machtgierigen stilisiert wurde, der allein für die Hinrichtung verantwortlich sei. Innerjüdische Konflikte zwischen Reformern, um Jesus herum und conservativen Gegnern seien der Anlaß gewesen für Pilatus, so hart durchzugreifen. Dieser Konflikt zwischen Reformern und Conservativen prolongiere sich heutzutage in dem Konflikt um die Reformen in der Katholischen Kirche, das herauszustreichen mache die kirchenkritische Qualität dieser Inszenierung aus.

Daß aus Gründen der politischen Korrektheit willen Pontius Pilatus als Alleinschuldiger gegen die klare Aussagen der Evangelien diesbezüglich dargestellt wird, ist zu einer Selbstverständlichkeit in der nachkonziliaren Kirche geworden, man dürfe ja auf keinen Fall irgendwie judenkritisch sich äußern, wie es leider in den Evangelien geschieht. Daß nun die Jesus ablehnenden Hohenpriester und Schriftgelehrten die conservativen Kräfte in der Kirche präsentieren, die den Reformrabbi Jesus ablehnen, ist auch nicht gerade sehr originell für die Katholische Kirche ablehnenden Kreise, aber diese Passionsspiele bieten wahrhaft Revolutionäres:

Der von einem Muslim gespielte Judas Ischariot wird ganz neu gedeutet: Judas kritisiert Jesus, daß er sich nicht für die Befreiung des unterdrückten jüdischen Volkes von den Römern engagiere. Judas würde uns als ein politischer Apostel präsentiert, der nicht den Feinden die andere Backe hinhält, wenn er auf die andere geschlagen wurde. Judas gewönne so die Sympathien des Publikumes angesichts des Krieges in der Ukraine. Er stehe eben für die sich verteidigenden Ukrainer, die sich nicht unterdrücken lassen wollen, Jesus dagegen....für was steht er? Für ein unpolitisches Sich-Nicht- Engagieren -Wollen? Wenn man das konseuent zu Ende denkt, heißt das, daß Jesus eigentlich der Verräter an seinem nach Freiheit dürstenden Volke war und Judas der wirkliche Befreier, er wollte eben eintreten in den Kampf gegen die römische Unterdrückung.

Mirakulös scheint dann auch das Ende dieser Passionsinszenierung, in der zwar eine Frau verkündet, daß Jesus lebt,(das muß ja aus feministischer Sicht unterstrichen werden) aber der Kommentar betont dann, daß Jesus nicht mehr erscheint. „Glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet“, laute die Schlußbotschaft. Ein in einer Schale brennendes Feuer symbolisiert dann wohl dieses Licht. Daß mit diesem Licht wirklich Jesus Christus gemeint ist, darf bezweifelt werden, bleibt aber wohl extra polyinterpretabel.

Eines muß zu denken geben, wenn davon ausgegangen wird, daß hier Kath de angemessen über diese Inszenirung rapportiert, daß alles Christliche, Religiöse aus der Passion Christi eskamotiert worden ist: Ein Reformer scheiterte, aber die Hoffnung auf Reformen und auf eine Befreiung von Unterdrückung bleibt lebendig. Und dafür ist Judas (interessanterweise von einem Muslim gespielt) eigentlich ein besseres Symbol als der verglichen mit ihm blas wirkende Jesus. Ein politisch engagiertes Judaschristentum könnte doch so gesehen attraktiver sein als dieser unpolitische Jesus. 

Zusatz:

Wer Mel Gibsons Passionsfilm gesehen hat, hier sieht er, wie sehr die Passion Christi entchristlicht werden kann, daß in unserer Zeit Beides möglich ist, die Passion Christi äthetisch gediegen darzustellen oder sie  dem Zeitgeist gehorchend zu dekonstruieren und alles Christliche aus ihr zu streichen.

 

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