Donnerstag, 12. Mai 2022

Der Christ und die Gewalt oder der gewaltfreie Gott? Lehrt der Kriege um die Ukraine uns Neues?

Der Christ und die Gewalt oder der gewaltfreie Gott?


Das Narrativ von dem Gott, der nur die Liebe sei und so von uns Christen, aber genaugenommen von allen Menschen guten Willens die Absage an Gewalt erwarte, dem wir die Fehlübersetzung, selig seien die,die keine Gewalt anwenden in der Bergpredigt verdanken,ist ganz plötzlich aus dem kirchlichen Diskurs verschwunden, seit dem die Kirche und die Theologie den Natokriegskurs in der Ukrainekrise sich ganz zu eigen machten.


Ein kleiner Rückblick auf dies verstorbene Narrativ sei deshalb gestattet. Wie einst Luther die Aussage: „Aus Glauben werden wir gerechtfertigt“ transformierte in die, daß wir allein aus Glauben gerechtfertigt würden, obzwar der Jakobusbrief genau dies allein schon als Mißverständnis der paulinischen Theologie schon verwarf, so transformierte dies Narrativ die Aussage, Gott sei die Liebe in die, daß er nur die Liebe sei. Diese Liebe schlösse nun jede Gewalt von Gott ausgehend aus.

8 Menschen überlebten in der Arche Noah das Strafgericht Gottes über die Menschheit in der Gestalt der Sintflut. Hätten damals nur 8000 Menschen gelebt, wären das 0,1 Prozent der Menschheit gewesen. Wenn Gott nur die Liebe wäre, wie könnte dies gigantische Strafgericht mit einem Gott der Liebe vereinbar sein?Im ersten Buch der Bibel wie im letzten, dort lesen wir (Apokalypse 9,18), daß Gott ein Drittel der Menscheit durch Racheengel töten lassen wird, steht so mit der These, Gott sei nur die Liebe Unvereinbares. Gott tötet als Gerechter Sünder. Hier ist von einer göttlichen Gewaltfreiheit nichts zu bemerken und all das zwischen dem ersten und dem letzten Buch der Bibel Geschriebene weiß auch nichts von einem pazifistischen Gott.

Wo Gott liebe, da kann keine Gewalt von Gott ausgehen, das klingt dann aber doch wenigstens plausibel. Aber warum lesen wir dann in der Apostelgeschichte 13,19, daß Gott sieben Völker im Lande Kanaan vernichtet hat, um dann seinem Volke dies Land zu geben? Vertilgte Gott hier nicht aus seiner Liebe zu seinem Volke diese sieben anderen Völker? Tötet ein Ehemann den, der seine Frau gerade ermorden will, so tötet hier dieser Mann aus Liebe. Nein, gerade wo nicht die Gleichgültigkeit sondern die Liebe das bestimmende Handlungsmotiv ist, kann und wird gewaltsam getötet.

Damit stehen wir nun aber schon mitten in der Problematik der Frage: Der Christ und die Gewalt. Offensichtlich kann das Gebot der Nächstenliebe wie das zur Selbstliebe dazu führen, daß ein Christ zu einer Gewaltanwendung sich geradezu verpflichtet weiß. Pointiert gesagt: Wenn ein Christ sieht, wie ein Mann eine Frau vergewaltigt und er, obschon es ihm möglich wäre, durch Gewalt den Vergewaltiger an dieser Untat zu hindern, dies unterließe, weil er als Christ keine Gewalt anwenden möchte, weil das der christlichen Liebe widerspräche, der sündigt – das kann nicht bezweifelt werden. Das Gebot der Nächstenliebe läßt in diesem Falle einen Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung nicht zu, sofern gewaltfrei der Täter nicht von seiner Untat abbringbar ist.

Das Gebot der Selbstliebe erlaubt es, verpflichtet in diesem Falle sogar die Frau, wenn es ihr möglich ist, sich mit Gewalt der versuchten Vergewaltigung zu entziehen. Oder könnte wirklich ernsthaft moraltheologisch vertreten werden, daß sie ihre Vergewaltigung hinzunehmen hätte, wenn sie die Möglichkeit hätte, durch Messerstiche den Täter an der Vergewaltigung zu hindern?

Daß durch eine Selbstverpflichtung zur Gewaltfreiheit der Christen die Welt humaner und weniger brutal werden würde, ist eben ein durch nichts gerechtfertigter Optimismus, ja dieser Glaube ist ob seines illusionären Charakters für das Leben auf Erden sogar gmeingefährlich. Die Bösen würden nämlich, träte niemand ihnen gewaltsam entgegen, immer böser und so es immer schlimmer treiben werden. Gott selbst hält durch die staatliche Gewalt, die Schwertgewalt das Böse in Zaun, auch deshalb gab Gott dem Staate so das Recht zur Gewaltausübung, in den extremsten Gestalten des Rechtes zum Kriegführen und des Rechtes, die Todesstrafe auszuüben.

So befremdlich es klingt: Nicht nur Gott sondern auch der Christ kann Gewalt ausüben aus Liebe oder um der Gerechtigkeit willen.Der Pazifismus ist eben keine mit dem christlichen Glauben kompatible Gesinnung. Das ist eben eine bittere Wahrheit für jeden Enthusiasten der glaubt, daß allein durch eine friedliche Gesinnung der Frieden in der Welt erwirkbar sei.

So gesehen stirbt jetzt im innerkirchlichen Diskurs ein Narrativ, das nie in der Kirche hineinpaßte und dort vertreten werden konnte. Aber es muß nun auch erlaubt sein, kritisch zu anzufragen, ob jetzt nicht ein Taumeln von dem einen Extrem des Pazifismus, wenn nur alle friedlich gesonnen sind, dann gäbe es Frieden ohne Unterlaß in das andere, in das andere Extrem, dem eines vorbehaltlosen Militarismus sich ereignet. Plötzlich gilt es als geradezu unmoralisch, eine der Konfliktparteien verstehen zu wollen, Kompromisse zu suchen, die beiden Konfliktparteien gerecht werden. Plötzlich kennt man nur noch: Frieden schaffen durch den militärischen Sieg über den Feind! Daß jetzt die großen Mengen an die Ukrainie ausgelieferten Waffen diese ermutigt,den Krieg weiterzuführen bis zum militärischen Sieg, statt einen Kompromisfrieden zu suchen, ist kaum noch übersehbar.

So bestärkten die englische Beistandsgarantie für Polen ja auch 1939 Polen in dem zwischen Deutschland und Polen eskalierenden Konflikt keine Kompromisse Deutschland gegebüber einzugehen bezüglich des Status von Danzig und einer sicheren Verbindung Deutschlands zu dieser Stadt. Wo keine Kompromisse mehr gesucht werden, da kommt es dann zu Kriegen. Das gilt so auch für den Ukrainekonflikt, wozu Papst Franziskus sachkundig anmerkte, daß an diesem Kriege die Nato eine beachtliche Mitschuld trage. Hier kann es nur einen Frieden geben, wenn für die russische Minderheit auf dem Staatsgebiete der Ukraine eine Lösung gefunden wird, am sinnvollsten wohl das Recht zur Separation und der Gründung eigenständiger russischer Republiken und wenn die legitimen Sicherheitsinteressen Rußlands gegen den Ostexpansionskurs der Nato eine Berücksichtigung finden, etwa in einer Verpflichtung zur Neutralität der Ukraine.

Aber stattdessen setzt man in Deutschland in der Politik wie in der Kirche völlig einseitig auf rein militärische Lösungen. So taumelt man in der Kirche von dem einen Extrem in das andere.

 

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