Samstag, 11. Juni 2022

Eine Kritik: Der Glaube an den "guten Menschen"

Der Glaube an den „guten Menschen“ - eine Kritik


Diese dunkle und menschenskeptische Anthropologie geht den Modernen gegen den Strich,denn die Moderne stellt sich alternativelos als ein Ermächtigungs- und Fortschrittsprojekt der politischen Vernunft und der Technik vor,ein Projekt,das nur Sinn ergibt,wenn der Mensch aus eigener Kraft gut und klug sein kann,zumindest klug und gut genung,um nicht sofort an sich selbst zu scheitern.Aufklärung ist nur möglich,wenn der Mensch nicht schon kurzfristig der Gnade bedarf, um das Richtige zu tun.“ So analysiert P.Sloterdijk die Anthropologie der Moderne. (P.Sloterdijk, H.-J. Heinrichs: Die Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen, S.105f)

Der Philosoph fügt dem dann an, daß die moderne Anthropologie eben Pelagius und nicht Augustin folge. Die pelagianistische Anthropologie ist im Kern die der Moderne, daß der Mensch kraft seiner Natur, isb seiner Vernunft das Gute erkennen und auch realisieren könne. Wäre, so das Argument des Pelagius für das Gute Erkennen und Verwirklichung Gottes Gnade notwendig, könnte Gott keinen Menschen als Sünder verurteilen, wenn er das Gute nur könnte, wenn Gott ihm die Gnade dazu nicht vorher gegeben hätte. Der Mensch ohne die Gnade Gottes könnte so kein Sünder sein. (Erasmus von Rotterdamm wird dann dies Argument wider Luthers Gnadenlehre repristinieren.)

Die Moderne setzt also als denknotwendige Prämisse ihres Projektes den Menschen als von Natur aus gutseienden voraus. Bertold Brechts Theaterstück: „Der gute Mensch von Sezuan“ partizipiert selbst in seiner kritischen Position dem Humanismus gegenüber noch an diesem Glauben an das Gutsein des Menschen, indem nur eingewandt wird, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse es dem an sich guten Menschen verunmöglicht, auch das Gute zu realisieren. Daß der Mensch von Natur aus gut sei, diese Anthropologie verdankt sich nun in der Moderne nicht einer vertieften Menschenerkenntnis, daß nun etwa durch die Wissenschaft die augustinische Erbsündenlehre widerlegt worden wäre, sondern der banalen Einsicht, daß wenn im Geiste der Aufklärung auf die Möglichkeit der Humanisierbarkeit des Menschen und der Gesellschaft gehofft werden soll, diese Hoffnung nur realistisch und nicht rein utopisch ist, wenn an das prinzipielle Gutsein des Menschen geglaubt wird.

Carl Schmitt betont deshalb rechtens, daß für die politische Theorie die Frage, ob der Mensch von Natur aus böse oder als von Natur aus gut anzusehen sei,von fundamentalster Bedeutung ist. (Carl Schmitt, Römischer Katholzismus und politische Form, 1984, S.13) Es ist wohl einer der größten Selbsttäuschungen des aufklärerischen Denkens, die Aussage, daß der Mensch von seiner Natur nach gut sei, selbst als ein Produkt des aufklärerischen Denkens anzusehen, statt einzurämen, daß um der These der Realisierbarkeit einer vernünftig gestalteten Welt an das prinzipielle Gutsein des Menschen geglaubt werden muß. Einen vernünftigen Beweis dafür, daß der Mensch so ist, kann dies moderne Denken nicht erbringen.Im Geiste Carl Schmitts müßte hier für den politischen Diskurs eine Entscheidung getroffen werden, eine Dezision also, von der her dann alles Weitere sich deduzieren läßt, die aber selbst nicht begründet ist sondern erst alles andere begründet.

So begönne die Anthropologie mit einer dezisionistischen Glaubensentscheidung.

Die einfachste und effektivste Lösung dieses anthropologischen Problemes ergibt sich dann aber aus der Unterscheidung von Freund und Feind: Der Feind ist der von Natur aus böse und wir dagegen sind die Guten. Die Anthropologie wird somit zu einem Element der Kriegspropaganda. Wer sich mit solch versimplifizierenden politischen Anthropologien nicht zufrieden geben will und theologisch Rechenschaft darüber abgeben will, wie es wahrhaft um den Menschen steht, der muß sich auf die Erzählung des Menschen einlassen, wie er von Gott erschaffen wurde, wie er abfiel und wie Gott seine Errettung durchführt, denn nur im Raume dieser Erzählung wird der Mensch, auch ob er gut oder böse ist, begreifbar.


 

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