Freitag, 3. Juni 2022

"Bei uns entscheidet die Demokratie und nicht der Papst"

Bei uns entscheidet die Demokratie und nicht der Papst“


Wer vertritt wohl diese Position? Natürlich ist diese Aussage keine simple Tatsachenfeststellung sondern ein Werturteil: Gut ist es, daß bei uns nicht der Papst entscheidet. Ob so provokant zeitgenössische Protestanten, vielleicht luthernostalgisch gestimmt ihr Proprium gegen die Katholische Kirche ausspielen oder „Freidenker“, die endlich den demokratisch strukturierten Staat von jeglicher Manipulationsversuchen durch die Kirche freihalten wollen? Mitnichten: So spricht der BDKJ auf dem „Katholikentag“ zu Stuttgart. (Tagespost 2.6.2022: Viel Aktivismus,wenig Jesus war auf dem Katholikentag zu finden.)

Diese Parole läßt aufhorchen, denn in ihr wird der Begriff der Entscheidung in den Vordergrund gestellt.Dezision bedeutet daß das objektive Recht durch eine Autorität gesetzt wird. Als wahr gilt das, was die dazu berechtigte Autorität als wahr bestimmt. Es könnte so sein, daß diese BDKJ-Parole mehr aussagt, als der Autor dieser Parole sich bewußt war, als er sie verfaßte. Der Dezisionismus als bedenkenswerte Theorie des Rechtes besagt nämlich, daß es kein objektives wahres Recht gibt, das dann von der Rechtswissenschaft er- und anerkannt wird, um es dann zu explizieren.Erst durch die Entscheidung, gleichsam durch eine creatio ex nihilo wird das Wahre, das Gute und das Schöne gesetzt. Ideengeschichtlich ist der Vater dieser Vorstellung der in seiner Bedeutsamkeit oft unterschätzte Wilhelm Ockham, daß Gott in seiner vollkommenen Freiheit erst die Unterscheidung von Wahr und Unwahr, Gut und Böse und Schön und Häßlich hervorbrachte; es gibt kein Wahr-Gut- und Schönsein an sich, unabhängig von Gottes Dezision, das als das Wahre, Gute und Schöne zu bestimmen.

Da nun Gott diese Entscheidung getroffen hat, kann kein anderer mehr entscheiden, denn die göttliche Entscheidung ist für alle verbindlich von Gott selbst gefällt worden. Gott als der Dezisionist verunmöglicht jede andere Entscheidungsinstanz. Das Papstamt ist und kann so kein kreatives sein, das autonom entscheidet, was wahr und was nicht wahr ist.Nur Dostojewskijs Großinquisitor versteht das Lehramt der Kirche als die einzige Instanz, die zu entscheiden hat, was für den Gläubigen als wahr zu gelten habe. (Seine ihm eigene Tragik ist dann aber die, daß er genau weiß, das er mit seinen Entscheidungen Gottes Entscheidungen nicht außer Kraft setzen kann, deshalb kann er nur simulieren, daß er der Entscheider ist.)

Nur diese BDKJ-Parole versteht das päpstliche Lehramt völlig, denkt es als das Vermögen, autonom das Recht zu setzen.Somit revolutioniert diese Parole zuerst das Papstamt, daß es frei lehren kann, was es will und daß das dann so Gelehrte als die Wahrheit für alle Gläubigen zu gelten habe, um dann im zweiten Schritt dies Papstamt nicht etwa abzuschaffen sondern auf das Kirchenvolk zu übertragen. Das Kirchenvolk ist der Souverän in der Organisation des BDKJ und soll es auch in der ganzen Kirche werden.

Daß von Jesus auf diesem „Kirchentag“ so wenig zu hören war,ist dann nur konsequent: Wie sollte das Kirchenvolk demokratisch herrschen, solange noch Jesus Christus als der Herr über seine Kirche sie regiert? Impiziert sagt man somit, daß schon das Papstamt die Entthonung Jesu Christi gewesen war und daß nun diese Entthronung konsequent zu Ende zu führen sei, indem nun das Volk die Kirche zu regieren habe. Das Volk und nur es darf und kann bestimmen, was als wahr und verbindlich in der Kirche zu gelten habe. Die Autorität der Mehrheit der Stimmen bringt so die Wahrheit der Kirche hervor. So kann es keine objektive Wahrheit mehr geben, die von Gott offenbarte Wahrheit, sondern nur noch von Menschen produzierte Wahrheiten, die weil sie von der Mehrheit der Abstimmungsberechtigten hervorgebracht werden, als wahr gelten, bis sie von neuen Mehrheitsentscheidungen wieder revidiert werden.

Wahrheit wird so zu etwas Auszählbarem. Das ist der Triumph der Demokratie über die von Gott selbst offenbarten Wahrheiten. 

 

Zusatz:

Seit 1945 werden wir demokratisch regiert, regierten die Kaiser vor dem uns wirklich so viel schlechter, ist die faktische Parteienherrschaft real besser als die der Habsburger und der Hohenzoller? 


 

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