Mittwoch, 1. Juni 2022

"Edel sei der Mensch,hilfreich und gut". Glauben wir an den "guten Menschen"?

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“


Auf der Internetseite: „Sezzion“ findet sich zu dieser anthropologischen Frage ein sehr bedenkenswerter Essay am 25.Mai des Jahres mit obiger Überschrift. Provokant wird dieser Essay gleich durch seine Hauptthese prälumiert: „In der Ukraine erscheint nicht nur „der Russe“,nicht nur „der Ukrainer“ sondern erscheint vielmehr überhaupt der Mensch- wie er ist.“ Zu denken gibt das Verb: erscheinen.Was der Mensch ist, das ist eben in der Regel verborgen, ermöglicht so phantastische Vorstellungen über ihn, aber dann ereignen sich Situationen, in der Mensch in seiner Wahrheit, wie er wirklich ist, offenbar wird. Diese Lichtung ereignet sich nun in dem Ukrainekrieg.

Die versimplifizierende Schwarz-Weiß- Malerei, daß der Russe hier der Böse und der Ukrainer der Gute sei, wird in dieser These energisch reprobiert. In diesem Kriege kämpfen nicht Gute gegen Böse. Die Vermoralisierung des Krieges, daß in ihm die Guten gegen die Bösen kämpfen, gehört seit dem 1. Weltkrieg zum Einmaleins der Kriegspropaganda, ein Ernst Jünger, der in seinen „Stahlgewittern“ noch den Respekt vor dem Kriegsgegner kennt, wird eben zu einer Ausnahme. Daß der deutsche Soldat des 2.Weltkieges eine Inkarnation des Bösen war, ist zu so einer Selbstverständlichkeit geworden, daß jede Kritik an dieser Verteufelung der deutschen Soldaten als „Revisionismus“ verurteilt wird. Das offizielle Geschichtsbild, daß in diesem Kriege die bösen Deutschen gegen eine Welt voller Friedensfreunde Krieg führte, darf eben nicht in Frage gestellt werden.

Dieser Essay greift tiefer an, indem er den humanistischen Glauben an den an sich gut seienden Menschen in Frage stellt. Er dekonstruiert somit das Fundament der westlich-aufgeklärten Welt, den Glauben an das prinzipielle Gutsein des Menschen. Rausseaus Glaube an den natürlich guten Menschen tritt an die Stelle des christlichen Glaubens, daß der Mensch erbsündlich bestimmt zum Bösen geneigt ist,daß er deshalb erlösungsbedürftig ist. Der hl. Augustin mit seiner Erbsündenlehre gilt dann als der Verkenner des Menschen, wie er an sich ist, dessen Erbe die Kirche nun unbedingt von sich abstoßen solle, um ganz rein humanitaristisch werden zu können.

So läge es nun nahe, auch diesen Ukrainekrieg als einen weiteren Beleg dafür anzuzeigen, daß eben doch der hl. Kirchenlehrer Augustin mehr im Recht ist als seine Kritiker, die vom Glauben an den guten Menschen ganz erfüllten. Aber doch greift dieser Schluß nicht.Kein Krieg ist einfach auf die Natur des Menschen zurückführbar. So wenig wie das komplizierte Regelwerk des Schaches aus der Natur des Menschen her erklärbar ist, so wenig ist die viel komplexere Ordnung des Krieges aus der Natur des Menschen her deduzierbar. Denn der Krieg ist nun mal ein Mittel der Politik, wie es Clausewitz so treffend auf den Punkt gebracht hat. Um das Phänomen des Krieges als ein Instrumentarium der staatlichen Politik begreifen zu können, müßte erst eruiert werden, was denn das Wesen des Politischen und das Besondere der Staatspolitik ausmacht.Aus einer noch so gut explizierten Anthropologie läßt sich aber weder das Wesen der Politik noch das Besondere dieses Instrumentariumes der Politik erfassen.

Einfacher gesagt: Auch der Krieg hat eine ihm eigene Ordnung, in der dann die Soldaten funktionieren, indem sie gemäß dieser Kriegsordnung agieren. Diese Ordnung ist etwas Transsubjektives und so nicht einfach aus dem Wesen des Menschen rekonstruierbar. Deshalb erscheint in Kriegen auch nicht die wahre Natur, das Wesen des Menschen sondern der Krieg demonstriert, daß der Mensch als Soldat der Ordnung des Krieges unterwerfbar ist, sodaß er gemäß dieser Ordnung dann auch funktioniert. Nimmt man so etwas wie das Wesen des Menschen jenseits aller Ordnungen an, den sagen wir mal: natürlichen Menschen, so haben wir es bei dem Soldaten mit dem von seiner Natur Entfremdeten zu tun, dem, der der Ordnung des Krieges Unterworfenen.

Hier stoßen wir so auf ein in der postmodernen Philosophie vielfältigst diskutiertes Phänomen, daß der Mensch als Subjekt als der Unterworfene thematisiert wird, das „Subjectus“ von subicio kommend der Unterworfene bedeutet. Der Mensch würde erst durch seine Unterwerfung, etwa durch seine Sprachsozilisation zum Subjekt durch sein Eingeschriebenwerden in die Ordnung der Sprache. Aber das würde jetzt zu weit wegführen von dem jetzigen Thema.

Wie immer auch das eigentliche Wesen, die Natur des Menschen zu bestimmen sein mag, der Krieg offenbart nur, daß er ein der Ordnung des Krieges Unterwerfbarer ist, der so im Sinne dieser Ordnung dann auch funktioniert. Der Mensch erweist sich so höchstens als zum Mitmachen Geneigter, dem eben nur die Ausnahmefälle der Steppenwolfexistenzen (Hermann Hesse) gegenüberstehen. Theologisch könnte der Mensch dagegen als eine eigentümliche ihn hervorbringende Geschichte begriffen werden, als von Gott Erschaffendem, der abfiel durch die Sünde und den Gott erlösen will, der in einer Welt existiert, in der Gott und der Teufel um ihn kämpfen. Er ist so ein geschichtliches Wesen, eine Erzählung im großen Welttheater Gottes.

 

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