Sonntag, 19. Juni 2022

Letzte merkwürdige Fragen- oder gibt es nur noch soziale? Ein Versuch zur Krise der christlichen Religion

Letzte Fragen- oder gibt es nur noch soziale? Ein Versuch zur Krise der christlichen Religion


Im Grunde gibt es nur ein einziges Problem:wird wirklich alles getan.damit auf der Erde möglichst viel Bequemlichkeit und Gerechtigkeit herrscht?“ So frägt Laurence in dem Roman von Simone de Beauvoir: Die Welt der schönen Bilder, im 1.Kapitel. Es ist keine simple Aussage, sondern eine in anfragendem Ton gefällte. Daß der „Gerechtigkeit“ als Ziel allem sozialpolitischem Handelns der Begriff der Bequemlichkeit vorangestellt wird, ironisiert dann auch noch das Ideal des Strebens nach der Gerechtigkeit. Müßte es neben oder über dieses einzige Problem hinaus nicht noch andere, wesentlichere Fragen geben? Aber die soziale Frage dominiere. Hierin kann die Substanz der heute vorherrschenden Ideologie des Humanitarismus wiedererkannt werden. Selbst das Problem des Umweltschutzes, der sogenannten Klimakatastrophe ist nur ein Unterpunkt des Problemes, wie für alle das Leben auf Erden komod zu gestalten sei.

Aber ihre Tochter, Catherine stellt nun noch andere Fragen. „Ich finde, Catherine wirkt traurig, irgend etwas beunruhigt sie.Sie stellt merkwürdige Überlegungen an.“ „Der Tod,das Böse, das ist schwer zu erfassen für ein Kind“. Die Mutter wollte ihre Tocher in einer Welt aufwachsen lassen, in der all dies ihr Kind beunruhigen Könnendes ausgesperrt ist, eine Welt schöner Bilder. Aber in diese, gleichsam durch Ritze drängt dann doch Irritierendes in die Welt ihrer Tochter. Der Mutter wird dann der gute Rat erteilt, sie zur Erstkommunion anzumelden, getauft worden sei sie ja schon, obzwar die Eltern nicht gläubig sind, denn: Mit solchen Fragen käme ein Kind nicht zu recht, „wenn es nicht an Gott glaubt. Der Glaube würde ihr helfen.“

Aber die Mutter reprobiert diesen Rat, denn sie wolle die Fragen ihrer Tochter nicht mit „Lügen“ beantworten. Die Ratgeberin erwidert: Nein, „Wahrheiten“ seien das, aber sie kann das auch nur beteuern, behaupten. Eine Pattsituation: Keine von Beiden kann die jeweilige Wahrheit ihrer Aussage begründen, ob der Glaube unwahr oder wahr sei.

Die Tochter stellt hier aber sie und die Erwachsenenwelt beunruhigende Fragen, das seien „merkwürdige Überlegungen“. Für solche Fragen sei dann der Glaube für Kinder eine gute Hilfe, mit ihnen zurecht zu kommen. Dieser Rat impliziert aber auch, daß der Glaube halt nur etwas für Kinder sei, um sie über ihre Fragen zu beruhigen, denn erwachsengeworden, frügen sie dann auch nur noch, was alle frügen, nämlich die einzig relevante Frage: Wie ist die Welt für alle Menschen bequem und gerecht zu gestalten? Der Glaube sei so nur etwas für Kinder mit „merkwürdigen Überlegungen“. Das will die Mutter nicht akzeptieren, sie insistiert auf das Recht dieser Fragen, lehnt aber den Glauben als die Antwortmöglichkeit ab.

Darin manifestiert sich eine Besonderheit des Existentialismus. Wie ihr Lebensgefährte Sartre sympathisierte auch de Beauvoir mit dem Marxismus und der Kommunistischen Partei, aber für Beide beantwortete diese Philosophie eben nicht alle Fragen der menschlichen Existenz. Da gibt es noch andere Probleme als die des Wieerschaffens einer gerechten Welt, in der dann im Prinzip alle Probleme gelöst sein werden. Diese „merkwürdigen Überlegungen“ sind sozusagen Pforten, die hinausführen können in den Raum der Religion und des Glaubens als individuierte Partizipation an einer Religion. Aber ein Hindernis verstellt auch den Weg zum Glauben: Sind denn die Antworten der Religion nicht bloße Lügen, Selbsttäuschungen? Daß die Antworten der Religion für das Leben nützlich wären, bestreitet hier die Mutter ja gar nicht, aber sie hält sie für unwahr und darum will sie nicht, daß ihr Kind in dem Glauben die Antworten auf seine Fragen findet.

Ihr Kind, Catherine ist ein zu metaphysischen, sie so somit auch beunruhigenden Fragen geneigter Mensch. Was passiert aber, wenn die Illusion, daß die „Soziale Frage“ die Antwort auf alles ist, wie es die Ideologie des Humanitarismus vorgibt, daß eben das Böse nur eine Folge der sozialen Ungerechtigkeit sei und daß der Tod kein Problem mehr wäre, lebten alle komod bis zu ihrem Tode, der dann nur noch den Schlußpunkt hinter einem abgeschlossenem Leben wäre, sich durchsetzt? Ist das dann Nietzsches „letzter Mensch“, der keine metaphysischen Fragen mehr stellt, auch und gerade auch die nach dem Sinn des Lebens, weil er im bequemen Konsumieren von Allem seinen Frieden findet? Auch dieser Philosoph wird noch umgetrieben von merkwürdigen Fragen, was denn der Sinn, der Zweck des Menschen sei (vgl die Vorrede seines Zarathustras), aber sind dem postmodernen Menschen diese Fragen etwa abhanden gekommen?




 

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