Samstag, 4. Juni 2022

Eine Skandalgeschichte oder wie weit sich die Kirche doch von Jesu Christi Verkündigung emanzipiert hat

Eine Skandalgeschichte oder wie weit sich die Kirche doch von Jesu Christi Verkündigung emanzipiert hat


In manchem Kommentar zum letzten „Katholikentag“ war zu lesen, daß zwar alle aktuellen Tagesthemen dort präsent waren, aber wenig, wenn nicht gar nichts von Jesus zu hören war. Es könnte fast von einer Entchristlichung des „Katholikentages“ geschrieben werden wegen der Nichtpräsenz Jesu Christi dort.

Können Gründe für diese Jesusvergessenheit eruiert werden? Wer das Jesusgleichnis vom anvertrauten Gelde (Mt 25,14-30) in seinem Kontext der Belehrung Jesu über das göttliche Endgericht liest, wird auf diese Frage eine sehr plausible Antwort finden. Die Skandalgeschichte: Gott gibt Menschen gemäß ihrem Vermögen mehr oder weniger Talente. Am Tage des Gerichtes frägt er jeden, was er aus den ihm gegebenen Talenten gemacht hat. Die aus ihren Talenten viel gemacht haben, lobt Gott, dem, der nichts aus seinem Talent gemacht hat, zürnt Gott und verstößt ihn in die ewige Verdammnis.

Dieses „Gottesbild“ ist selbstverständlich in der heutigen Kirche unmöglich geworden. A) müßte Gott nämlich jedem gleichwertige Talente geben, auf keinen Fall aber dürfe er auf die Leistungsfähigkeit, die natürliche schauen und dann den Leistungsfähigeren mit mehr und den Leistungsschwächeren mit weniger Talenten ausstaffieren. Wenn mit der Bildrede vom Talent (=Geld) sachlich dann gar Gnade gemeint ist, wird diese Jesurede noch ärger. Gott müsse sich an der Menschenrechtsideologie orientierend jedem genauso viel Gnade gewähren wie jedem anderen. B) Jesus hätte doch wissen müssen, daß Gott wegen seiner Liebe zu allen Menschen in seinem Endgericht jeden in sein ewiges Reich aufnehmen müssen. Schon gar nicht dürfe er Menschen nach ihren erbrachten guten Werken beurteilen, sodaß er die viel Gutes gewirkt Habenden mit dem ewigen Leben belohne, die nichts Gutes gewirkt Habenden aber in die Hölle verurteilen. Für Gott könne es weder gute noch faule und schlechte Diener geben, da er ja zu jedem Menschen sein Ja sagt: So wie Du bist, sage ich Ja zu Dir!

Überhaupt ist die ganze Fragestellung der jesuanischen Gerichtspredigten nicht theologisch korrekt. Die Frage, wie habe ich zu sein, um im Endgericht bestehen zu können, ist eben schon eine völlig abwegige Frage, die nur Falschantworten evozieren kann. Theologisch korrekt ist zu fragen: Wie ist Gottes Beziehung zu uns Menschen zu denken, damit die Kirche einen wesentlichen Beitrag zur Humanisierung der Welt leisten kann. Unter der Humanisierung sei die Verwirklichung der Menschenrechte verstanden. Das Subsystem der Kirche rechtfertigt ihre Existenz in der Gesellschaft ja durch ihre Funktionalität für sie. Da das Fundament aller westlichen Gesellschaften die Menschenrechtsideologie ist, offeriert die Kirche der säkularisierten Gesellschaft eine rein theologische Letztbegründung für die Menschenrechte, daß Gott als der jeden Menschen unbedingt Bejahende der Grund der Menschenrechte sei, da sein Ja zu jedem Menschen diesen zum absolut wertvollen Menschen mache. Dem philosophischen Diskurs gelingt nämlich eine solche Letztbegründung der Menschenrechte kaum. (Vgl dazu etwa: Alain de Benoist, Kritik der Menschenrechte)

Eines ist aber offenkundig: Der von Jesus verkündigte und offenbarte Gott paßt sehr wenig zu diesem die Menschenrechte letztbegründenden Gott der modernen Theologie. Das theologische Konstrukt dieses Gottes fundiert sich eben aus der Fragestellung der Nützlichkeit welcher Gottesvorstellung für das gesellschaftliche Leben. Die Frage: Was muß ich tuen, um das ewige Leben zu erlangen?, ist eben für die Frage der Funktionalität der Kirche für die Gesellschaft überflüssige Frage und darum sind dann auch Jesu Christi Antworten überflüssig und sinnlos für die heutige Kirche geworden.


Corollarium 1

Diesen Versuch, die Existenz der Kirche in der Gesellschaft durch ihre Funktionalität für sie zu legitimieren, könnte auch als ein Versuch eines Anknüpfens an die Konstantinische Epoche gedeutet werden:Nach dem endgültigen Tod dieser Epoche, in der sie sich auch durch dies Thron- und Altarbündnis legitimierte,will sie sich jetzt nachkonziliar durch eine andere Relation zur Welt legitimieren, durch den Erweis ihrer Nützlichkeit für die Legitimierung der ideologischen Grundlagen der modernen Gesellschaft. Dabei positoniert sich die Kirche auch, wie jetzt der Ukrainekrieg zeigt, als kämpferisch eingestellt gegen andere Kirchen, die noch nicht die ideologischen Grundlagen der modernen westlichen Staaten uneingeschränkt bejahen, wie etwa die Russisch-Orthodoxe Kirche.



 

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