Samstag, 13. Mai 2023

Irritierendes: Das kann doch nicht stimmen! Der unbewegliche Gott oder war früher alles in Ordnung?

Irritierendes: Das kann doch nicht stimmen! Der unbewegliche Gott? Der Philosoph Heidegger kritisierte in seiner Zeit nach der „Kehre“, die metaphy-sische Gotteslehre, die bis zum 2. Vaticanum anerkannte Gotteslehre als den Tod Gottes. Mit Platon habe diese Fehlentwickelung schon begonnen und an ihre elaboriere auch die Gotteslehre des Christentumes. In dem Abendgebet der Kirche, der Freitagskomplet wird als Hymnus gebetet: „Du starker Gott,der diese Welt im Innersten zusammenhält, du Angelpunkt,der unbewegt den Wandel aller Zeiten trägt.“ Es soll sich nun auf diese eine Aussage, daß Gott unbewegt trägt. Die Vorstellung der Unbewegtheit Gottes gehört zur metaphysischen Vollkommenheitslehre Gottes. Das platonische Denken unterscheidet die Welt des Veränderlichen und stets Sichbewegenden von den Welt der ewig gleich bleibenden Ideen, wobei die Idee des Guten die höchste Idee ist, die gleichzusetzen ist mit Gott. Die einfache Aussage: „Das ist ein Baum“ wird dabei so ausgedeutet: Da existiert ein Einzeletwas, das an der Idee des Baumes partizipiert, ein Fall des Baumseins ist. Dies Einzeletwas ist etwas sich Veränderndes, einmal Entstandendes und einmal auch Vergehendes. Es existieren viele Einzeletwasse, die alle Individuierungen der Idee des Baumes sind. Die Idee des Baumes ist aber nur eine unvergängliche ewige. So ist auch Gott als die Idee des Guten zu denken. In diese Konzeption kann nun Aristoteles Kritik der Bewegung eingezeichnet werden: Eine Bewegung ist ein Streben aus einem Mangel zur Behebung des Mangels. Wer sich vom Ort A zum Ort B bewegt, dem war der Ort A ein inadäquater. Mitten in der Nacht steht nur der auf und geht zum Kühlschrank, den der Hunger dazu treibt. Ein vollkommenes Wesen bewegt sich deshalb nicht, weil ihm nichts fehlt. Das Ziel aller Bewegung ist ja die Ruhe, die Nichtbewegung. (Eine sozialgeschichtlich orientierte Deutung dieser Vorstellung liest hier leicht die Differenz der arbeiten Müssenden und der Begüterten,die sich der Muße hingeben können, heraus.) Da Gott als Vollkommenheit zu denken ist, muß er also als unbeweglich gedacht werden. Verweilen wir erst mal im philosophischen Denken: Ein Stein hat die passive Fähigkeit, bewegt zu werden, er kann sich aber nicht selbst bewegen. Pflanzen können sich selbst bewegen und können bewegt werden. Tiere können darüberhinaus mit anderen gar kommunizieren und Menschen mit Menschen gar sprachlich. Ist nun ein Wesen, das sich nicht bewegen lassen kann eher weniger als ein Stein als etwas Vollkommeneres als ein Mensch. Nach Aristoteles bewegt nun Gott alles andere als sich selbst wie eine schöne Frau Männer: Angezogen durch ihre Schönheit werben sie um ihre Gunst, streben sie danach, auch vollkommen zu werden. Jedes Seiende ist so gut, weil es in seinem Streben nach sich selbst, daß ein Baum zu einem Baum heranwächst, seine ihm eigene Vollkommenheit erreicht. Gott ist so das Prinzip, der Grund alles Vollkommen und so nur „bewegt“ er. Nüchtern betrachtet bewegt Gott so aktiv gar nichts, denn ein reales Bewegen setzte ja doch wieder einen Mangel in Gott voraus. Er müßte sich ja bewegen und jedes Bewegen setzt einen Mangel voraus. Somit stehen wir vor dem abstrusen Ergebnis, Gott in seiner Vollkommenheit weniger lebendig ist als ein Stein, er kann sich weder bewegen noch anderes bewegen. Die Lehre von seiner Unveränderlichkeit macht ihn zu einem Etwas, das noch „toter“als ein Stein ist. Konfrontiert werden soll das nun mit einer nicht ungewöhnlichen Aussage der Bibel: Baruch,2,12-14: „Wir haben gesündigt, haben gottlos (besser unfromm) gehandelt,haben Unrecht gethan,o Herr,unser Gott wider alle deine Gebote. Es wende sich dein Zorn von uns ab;denn wenige sind wir übriggelassen unter den Völkern,unter die du uns zerstreut hast. Erhöre, Herr unser Flehen und unser Gebet und rette uns um deinetwillen“. Der Text stellt einen Bibelleser, der nicht die traditionelle Vollkommenheitslehre kennt, vor keine Probleme: Weil wir gesündigt haben, zürnt uns Gott, er hat uns deshalb, das Volk Israel in die Verbannung exiliert (586 v Chr) und nun bitten wir: Wende Deinen Zorn von uns ab, das heißt: sei uns wieder gnädig. Gott, der seinem Volke gnädig war ließ sich von dem Sündigen seines Volkes dazu bewegen, ihm zu zürnen und so aus ihrer Heimat, die Gott ihnen gegeben hatte, vertreiben. Nun hofft der Beter, daß Gott sich durch dies Beten dazu bewegen läßt, seinen Zorn von ihm abzuwenden, damit er ihm wieder gnädig sei. Wenn aber Gott ein unbewegter Beweger wäre im Sinne Aristoteles hätte ihn a) die Sünde des Volkes nie zu seinem Zorn bewegen können, noch könnte er b) sich durch ein Gebet zu einer Abkehr von seinem Zorn bewegen lassen können. Gott kann ob seiner Vollkommenheit gar keine Gebete erhören. Denn daß er erst zornig ist, dann beschließt ob der Gebete nicht mehr zu zürnen und seinem Volke wieder gnädig sein zu wollen, setzt notwendigerweise Gottes Veränderlichkeit voraus: Er kann sich vom zornigen zum gnädigen Gott bewegen! Aber die Vollkommenheitslehre beurteilt jedes Sichverändern als ein Beheben eines Mangels, den es in Gott nicht geben könne. Daß die Ordnung der Gerechtigkeit Gottes keine defizitäre der Ordnung der Gnade Gottes ist, ist offenkundig. Gott kann gemäß beiden Ordnungen handeln und frei wählen, nach welcher er handeln will. So kann er sich entscheiden, gemäß der Ordnung seiner Gerechtigkeit seinem Volke zu zürnen und es zu bestrafen, aber um der Gebete willen, gemäß der Ordnung der Gnade seinem Volke wieder gnädig zu sein. Gott bewegt sich dabei, über seine von ihm erschaffenen Ordnungen stehend als potentia absoluta, nach dieser oder nach jener Ordnung zu handeln. Denn es muß gegen Platon der Gott der ex nihilo diese 2 Ordnungen gesetzt hat, von diesen Ordnungen, von diesen Ideen unterschieden werden. Die Ordnungen sind ewig gleichbleibend, nachdem Gott sie konstituiert hat, Gott ist aber veränderlich als der Kreator aller möglichen Ordnungen, die er immer auch unterbrechen kann, etwa die Naturordnung durch das Wunder oder die Ordnung der Gerechtigkeit durch die Ordnung der Gnade. So hätte Heidegger doch etwas recht, denn ein unbewglicher Gott ist nun mal ein toter Gott. In vorkonziliaren Zeiten existierte so ein Widerspruch zwischen der Vollkommenheitslhre Gottes und der Gebetspraxis, die einen sich ändern könnenden Gott präsumiert. Jetzt, wo Gottes Vollkommenheit einfach nur noch sein Liebesein sein soll, kann dieser so konstruierte Gott tatsächlich keine Gebete mehr erhören, weil er als Liebe immer schon nur der liebend Wirkende ist,der sein Verhalten nicht verändern kann: Er kann nur lieben.

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