Dienstag, 9. Mai 2023

Sollte da vielleicht etwas nicht stimmen mit der Sexualmorallehre der Kirche? Ein Verdachtsfall

Sollte da vielleicht etwas nicht stimmen mit der Sexualmorallehre der Kirche? Wenn (von mir jetzt) geschätzt 99,9Prozent der Katholiken Deutschlands nicht nur die Sexualmorallehre der Kirche nicht praktizieren sondern auch ablehnen, so weit sie sie überhaupt noch kennen, ist kein Beweis für ihre Unwahrheit. Das gilt auch, wenn berücksichtigt wird, daß sie faktisch in der Kirche weder in der Predigt noch im Religionsunterricht gelehrt wird, daß sie faktisch nur noch im Katechismus geschrieben steht. Aber es muß doch die Anfrage erlaubt sein, ob diese Nichtakzeptanz nicht ein Indiz dafür sein könnte, daß vielleicht doch nicht etwas mit dieser Lehre stimmt. Die Kirche lehrt, daß jeder Freitod eine schwere Sünde ist und gleichzeitig sprach sie Pater Kolbe heilig, der sein Leben opferte, um das eines anderen zu Tode Verurteilten zu retten: „Tötet mich, und verschont den Anderen!“ Diese Aufforderung zur Tötung, tötet mich!, ist aber eindeutig eine Gestalt des Freitodes, der nach der Lehre der Kirche auch durch noch so einen guten Zweck gerechtfertigt werden kann. Es drängt sich hier der Anfangsverdacht auf, daß die Kirche ihre eigene Morallehre nicht ganz ernst nimmt! Sollte das in anderen Fällen auch so sich verhalten? Der Verdacht läßt sich nicht von der Hand weisen, daß die Lehre, daß der Geschlechtsverkehr in der Ehe nur legitim sei, wenn er offen ist für die Zeugung neuen Lebens auch unverträglich sich verhält zur Lehre, daß es erlaubt sei, in der Ehe den Geschlechtsverkehr auszuüben und dabei die Zeugung neuen Lebens auszuschließen, wenn zur Verhinderung einer Schwangerschaft natürliche Mittel benutzt werden. Wenn dazu künstliche benutzt werden, sei das aber eine Sünde! Hierbei ist eine Konfusion der Begrifflichkeit: natürlich – künstlich – widernatürlich= sündig wahrzunehmen. Natürlich ißt der Mensch mit den Händen, künstlich kultiviert mit Messer und Gabel, widernatürlich ißt er, wenn er nichts mehr essen will, sodaß er verhungert. Das künstlich-kultivierte Essen, wie auch jedes so geartete Handeln ist ob seiner Nichtnatürlichkeit kein widernatürliches Verhalten. Auch ist ein Mord immer eine Sünde, gleichgültig ob der Täter sein Opfer erwürgt (mit einem natürlichem Mittel) oder mit einem Messer (mit einem künstlichen Mittel) erdolcht hat. Entweder ist also das Ziel des Geschlechtsverkehres unter Ausschließung der Möglichkeit einer Schwangerschaft unerlaubt, dann ist es gleichgültig, ob dieser Ausschluß durch natürliche oder künstliche Mittel erzielt wird, oder dies Ziel ist unerlaubt, dann ist die Wahl der Mittel, natürliche oder künstliche irrelevant.Denn „natürlich“ kann nicht gleichgesetzt werden mit erlaubt und „künstlich“ nicht mit unerlaubt. Essen und Trinken tut der Mensch, um zu überleben. Wenn ein Schwererkrankter nur noch durch eine künstliche Ernährung am Leben erhalten werden kann, ist eine künstliche Ernährung erlaubt, verböte man sie, verurteilte man ja so Erkrankte zum Sterbenmüssen. Wenn nun ein Ehepaar auf natürliche Weise kein Kind bekommen kann in Folge irgendeiner Erkrankung, dann müßte dem eine künstliche Befruchtung eigentlich genauso erlaubt werden wie dem Schwersterkrankten eine künstliche Ernährung. Aber hier schon sagt die Kirche Nein, weil der Mensch nur natürlich erzeugt werden dürfe. Hier soll plötzlich gelten, daß das Künstliche, weil es nichtnatürlich ist, unerlaubt sein! Das ist ein klarer Kategorienfehler. Wollte man nun auf das Naturrecht zurückgreifen, um die künstliche Befruchtung zu verurteilen,muß erwidert werden, daß das Naturrecht das Recht auf Fortpflanzung beinhaltet aber kein Verbot einer künstlichen Befruchtung. Verweilen wir beim Essen und Trinken: Der Mensch muß sich ernähren, um nicht zu sterben. Die Finalursache der Nahrungsaufnahme ist also der Erhalt des Lebens. Darf der Mensch nun aber auch über den Zweck der Erhaltung seines eigenen Lebens hinaus das Essen und Trinken genießen? Wenn also ich vorgestern zu einer wunderschönen Musik, Mahlers 5.Symphonie ein Glas Wein trank, sündigte ich da, da diese Flüssigkeitsaufnahme nur dem Zweck des Genießens galt,da mein Bedarf an Flüssigkeitszunahme vorher schon gedeckt war? Dürfte ich nur etwas trinken, wenn es der Deckung meines Flüssigkeitsbedarfes diente? Das ist absurd. Der Wein ist ein Gut. Metaphysisch betrachtet ist Gott das Gutsein selbst,alles andere, wenn es gut ist, ist nur gut, weil es an dem Gutsein Gottes partizipiert. Gott ist durch sich gut, alles andere ist nur gut durch seine Teilhabe an seinem Gutsein. Die metaphysische Ordnung der Dinge besagt nun, daß es innerweltlich verschiedene Grade oder Stufen des Gutseins gibt.So strebt der menschliche Körper nach gutem Essen, die Seele nach dem Gut der Tugenden. Das Gut der Tugenden stellt dabei ein höheres Gut dar als das Gut wohlschmeckender Speisen.Darum darf ein Mensch aber sehr wohl eine gute Speise lieben, nur darf das für ihn nicht das summum bonum sein, das höchste Gut. Mehr zu lieben sind die Tugenden und noch mehr als alles andere der Grund alles Gutseins, Gott selbst. Falsch verstünden wir nun diese Ordnung des Guten, wenn wir meinten, nur den Grund alles Gutseienden lieben zu dürfen und somit auch genießen zu dürfen, denn wir lieben und genießen ja in jedem Gut dessen Gutsein als Teilhabe an dem Gutseins Gottes. Demzufolge darf ein Glas Wein auch genossen werden, wenn das Trinken des Weines nicht für die Deckung des Flüssigkeitsbedarfes des Körpers dient. Unerlaubt ist es nur, so wenig oder gar nichts zu trinken,um zu sterben. Der Geschlechtsakt dient auch dem Leben, dem Überleben der Gattung Mensch. Deshalb ist die Finalursache des Geschlechtsverkehres die Fortpflanzung. Aber wie nicht jedes Glas Wein nur dann erlaubt ist, wenn es der notwendigen Flüssigkeitszufuhr dient, da der Wein auch einfach nur genossen werden kann, so kann auch das Gut der Sexualität genossen werden, wenn sie nicht um der Fortpflanzung willen praktiziert wird. Faktisch erkennt die Kirche das an, indem sie den Geschlechtsverkehr, der so ausgeübt wird, daß kein Kind erzeugt werden kann, erlaubt, wenn dazu nur natürliche Mittel appliziert werden. Auch verbietet die Kirche den ehelichen Geschlechtsverkehr nicht, wenn die Ehefrau altersbedingt nicht mehr schwanger werden kann. In beiden Fällen ist die Finalursache des Geschlechtsverkehres ausgeschlossen und der Verkehr wird gewollt, obgleich dieser Zweck da nicht erreichbar ist. Hier wird also die Sexualität um ihrer selbst willen genossen als ein irdisches Gut. Das erlaubt die Kirche, nur verbietet sie jedes künstliche Mittel, um so das Gut der Sexualität selbstzwecklich zu genießen. Dabei muß dann aber das Künstliche mit dem Naturwidrigen=Sündigem gleichgesetzt werden: eine grober Kategorienfehler. Zum ehernen Bestand der katholischen Morallehre gehört nun Platons Bildrede vom Wagenlenker. Wie der Wagenlenker die vor den Wagen eingespannten Pferde lenkt, so soll die Vernunft die Leidenschaften und Begierden des Menschen lenken. Ohne diese Pferde könnte der Wagen sich nicht fortbewegen, wenn aber die Leidenschaften und Begierden die Führung des Wagens übernehmen, endet das in einem Fiasko. So genießt ein Weintrinker seinen Wein, indem er ihn mäßig trinkt und so sollte dann auch der vernünftige Umgang mit der Sexualität gestaltet werden.Der Sex darf nicht als das höchste Gut genossen werden sondern als ein niederes, das aber doch auch als ein niederes ein Gut ist- so die metaphysische Güterlehre, der die Ordnung, wie was zu lieben und zu genießen ist, zu folgen hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen