Sonntag, 14. Mai 2023
Auf Gnade verzichtet die heutige Kirche: ein gnadenloser Gott? Oder über eine kaum bemerkte Revolution in der Kirche plus Corollarium
Auf Gnade verzichtet die heutige Kirche: ein gnadenloser Gott?
„Auf den Begriff der Gnade wird heute (in Predigten) zunehmend verzichtet und dieser durch Begriffe wie „Hand Gottes“, „Liebe Gottes“, „Rettung“ oder auch „Befreiung durch Menschenliebe Gottes“ ersetzt.“ Dieser Feststellung des Lexikonartikels: „Gnade“ von Wikipedia muß man leider zustimmen. Nur würde ich dabei den Akzent etwas anders setzen: Zumeist wird der Begriff der Gnade durch den der Liebe, isb der bedingungslosen Liebe ersetzt, wohingegen die Begriffe: Rettung und Befreiung seltener verwendet werden.
Unter der Liebe wird dann verstanden, daß Gott uns so bejahe, wie wir sind. Wir bräuchten nichts zu leisten, nichts Besonderes vollbringen, um von Gott geliebt zu werden. Gern verbindet sich dies mit dem feministischen Anliegen, Gottes Liebe als eine mütterliche zu explizieren.So bedingungslos die Mutter ihr (Klein)Kind liebt, so liebe Gott uns. Er verlange wie eine Mutter von ihrem Kleinkinde keine Leistungen, damit es in ihren Augen liebenswürdig würde, noch rechnet die Mutter ihrem Kinde ein eventuelles Fehlverhalten an. Wichtig ist dabei, daß diese Liebe den Menschen nicht verändert, sie sagt einfach nur: Ja zu den Menschen.
Der Begriff der Gnade besagt dagegen etwas völlig anderes. 1. Dem Grundsatz folgend, daß die Natur des Menschen seinem Wollen und Handeln vorausgeht und so er nur gemäß seiner Natur wollen und handeln kann, wird die Gnade begriffen als etwas in die menschliche Natur Einfließendes, das seine gefallene, zum Sündigen neigende Natur heilt und zum guten Wollen und Handeln befähigt. 2.bedeutet Gnade aber auch, daß Gott einen Sünder begnadigt und somit nicht für seine Sünden straft.Der göttliche Beweggrund für dies Gnadenwirken ist Gottes Liebe zu den Menschen, aber die Gnade ist nicht ineinszusetzen mit der Gnade. Wenn eine Mutter gnädig gestimmt,ihrem Kinde außer der Reihe eine Extrasüßspeise zubereitet, dann ist diese Süßspeise nicht selbst die Gnade, sondern eine Speise, die sie aus ihrer Liebe zum Kinde ihm gewährt.
Außerdem verhält sich Gott nicht zu jedem Menschen gnädig.Gerecht ist Gott zu jedem, seine Gnade wendet er aber seinen Erwählten zu. Gott erwies dem Volke Israel seine Gnade,indem er es aus dem Sklavenhause Ägyptens befreite, die Ägypter dagegen strafte Gott fürchterlich durch die Plagen und durch den Tod ihres Heeres im Roten Meer. Die Liebe Gottes dagegen, wie sie heutzutage gepredigt wird, wird als eine jeden Menschen geltende gepredigt. Gleichgültig, ob wir an ihn glauben oder nicht, gleichgültig wie wir leben, heilig oder in Sünden, immer sagt Gott immer nur sein Ja zu uns.
Überprüft man diese Liebespredigt auf ihre Zielgruppe hin, auf die sie konzipiert wurde, erscheint der Adressat als ein depressiv Verstimmter, der an seiner eigenen Liebenswürdigkeit zweifelt:Niemand liebt mich, niemand bejaht mich! Bin ich es denn wert, geachtet zu werden? Diesem so sich Empfindenden soll das Evangelium: Gott sagt Ja zu Dir!, so vermittelt werden. Das ist ein therapeutischer Ansatz, der das Evangelium verkürzt auf dies bloße Bejahen. Gravierender ist es aber, daß gerade der sich so depressiv Verstimmter die Botschaft: „Du wirst geliebt!“, kaum aufnehmen kann, weil er an seinem Selbstwert so sehr zweifelt, daß er nicht an sein Geliebtwerden glauben kann und will. Diese Liebespredigt bleibt ihm nämlich äußerlich, weil sie keine Gnade ist, die ihn innerlich verändert, seine durch seine Depressivität verfinsterte Seele wieder aufhellt.
Meist wird ja auch die Aussage: Gott liebt Dich, Gott liebt jeden Menschen nur als Begründung dafür vernutzt, um die Hörer zur Nächstenliebe oder zeitgeistgemäßer zur Solidarität mit allen Notleidenden aufzufordern, isb in der 3.Welt. Polemisch formuliert: Christsein heißt, Geld nach Afrika zu spenden. Man könnte es aber auch so sehen: Die Kirche holt so die Menschenrechtsideologie in sich heim: Weil Gott alle Menschen liebe, müsse jeder Mensch gemäß der Würde des Menschen anerkannt werden. Deshalb setze sich die Kirche nun weltweit für die Anerkennung der Menschenrechte ein und hält das für ihre Mission, die die traditionelle Missionierung bzw Evangelisierung zu ersetzen habe.
Dies Verschwinden des einstigen Zentralbegriffes der christlichen Religion zeigt, wie sehr sich die Kirche heute von ihren Fundamenten entfremdet hat. Aber der Verlust des Begriffes der Gnade führt auch zum Verlust des Begriffes der Heiligung. Die einfache Bejahung: "So wie Du bist, sagt Gott Ja zu Dir!" macht jeden Aufruf zur Umkehr und zur Heiligung überflüssig. Der "Neue Mensch",der sein altes Adamsmenschsein hinter sich läßt, ist das Ziel der christlichen Erlösungsreligion, dazu wird er durch Gottes Gnade befähigt, jetzt soll er sich damit begnügen, als "Alter Adam" von Gott bejaht zu werden.
Corollarium
Die Transformation der Theologie der Gnade in die der Liebe Gottes ist die Umformung zu einer Menschenrechtdtheologie, in der die Liebe Gottes als die Letztbegründung der Würde des Menschen und der Menschenrechte fungiert.
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