Freitag, 27. Oktober 2023

„Franziskus und die 'bösen Kleriker“ oder der seltsame Kampf gegen den Klerikalismus

Franziskus und die 'bösen Kleriker“

Papst Franziskus hat seinen Lieblingsfeind, gegen den er am liebsten Tag und Nacht kämpfen würde. Progressiv wie er ist, ist ihm nicht der Leibhaftige der Feind der Kirche, auch revitalisiert er nicht die Lieblingsfeindbilder der Kirche, etwa die sog. Putzsucht der Frauen, die Ungläubigen oder die nur nach Sinnlichem Strebenden, nein ganz kreativ entdeckt er einen ganz anders gearteten Feind, den Kleriker mit seinem Klerikalismus. (Vgl dazu Kath net am 27.10.2023!) Dies Feindbild müßte irritieren, hätte man sich nicht längst an diese päpstlichen Polemiken gewöhnt. Wer nun klar Definiertes erwartet aus dem Munde des Papstes zu vernehmen, was denn genau er dadrunter verstünde, wird stets enttäuscht. Die Diffusität des damit Gemeinten, was ist überhaupt dieser so vermaledeite Klerikalismus, scheint geradezu ein Grund dafür zu sein, daß der Papst mit dieser Vokabel so wild um sich zu schlagen beliebt: Kleriker meint einfach alles, was in der Kirche ungut sei und er ist dnn der Mann, der nun allein auf sich gestellt wider den wohl gerade in Rom fast allgegenwärtigen Klerikalismus zu kämpfen hat.

Soziologisch betrachtet könnte geurteilt werden, daß die moderne bzw postmoderne Gesellschaft durch den Prozeß der Ausdifferenzierung bestimmt ist, daß die Einheit der Gesellschaft sich durch diese Selbstausdifferenzierung auflöst in unendlich viele Subsysteme mit ihren jeweiligen Expertensystemen. Ein Bürger ist so in der Regel nur noch in einem sehr limitierten Bereich ein Experte, sonst immer nur ein Laie, der auf die jeweiligen Experten mit ihrem Spezialwissen angewiesen ist. Der Kleriker wäre dann der Experte in allen Religionsfragen, dem der Laie gegenübersteht als Empfänger von religiösen Dienstleistungen. Dann könnte der so propagierte Antiklerikalismus ein Ausdruck des Unbehagens wider den Expertenstand in der Kirche sein, daß man genereller gesagt, überall und somit auch in der Kirche nur noch als ein Betreuungsobjekt in den vorkommt. Im Sinne Adornos wäre das ein Ausdruck des Mißhagens, nur noch als ein Objekt einer total verwalteten Welt zu fungieren.

So diffus dann sich dies Unbehagen wider den Expertenstand in der Kirche in der Antiklerikalismuspolemik äußerte, so alt ist der Sozialneid wider die hierarische Ordnung in der Kirche: Wir seien alle Gott gleich nahe, Gott ist jedem gleich nahe, sodaß es keine Hierarchie geben dürfe. So tönte schon die Rotte Korach und dieser Protestgesang wird wohl so lange ertönen, wie die Kirche Jesu Christi existiert.

Papst Franziskus scheint so darauf zu setzen, beim Kirchenvolk populär werden zu können, wenn er so wider den Klerikalismus wettert. Er kann so für alles Negative der Kirche einen Sündenbock präsentieren und sich selbst als den guten Kämpfer dawider. Es muß nun nicht geglaubt werden, daß der Papst wirklich in dem Klerikalismus den Urgrund aller Kirchenübel ansieht, es reicht, daß er einen Feind der Öffentlichkeit präsentieren kann, auf den alle gern einschlagen mögen.

Wir erleben ja generell eine Zeit der Rückkehr zum Glauben an den Feind, den es zu bekämpfen gilt. Die Epoche des Habermaschen: Wir reden mit jedem offen über alles, ist vorbei: Jetzt gilt: Mit wem habe ich nicht zu reden, wer ist auszuschließen, weil er der Feind ist? Mit Falschen zu reden, gilt heutzutage als die Sünde der Kontaktschuld. Wenn also in der Kirche über Reformen zu reden ist, dann sind die Kleriker, also alle Amtsträger mit klerikalen Tendenzen davon auszuschließen. Simpler formuliert: Nur mit Antiklerikalen, das sind die Linksliberalen ist der Diskurs über die Kirchenreformen zu führen, nicht mit den Reformverweigeren.


 

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