Montag, 2. Oktober 2023

Für das gemeine Volk: Wasser-und Brotpredigten in unseren Ökokrisenzeiten

Für das gemeine Volk: Wasser-und Brotpredigten


Ein Klassiker kirchlicher Predigt soll nun wiederbelebt werden, ginge es (nicht nur) nach dem Kath de Artikel „Sozial-ökologische Wende – Warum zögert die Kirche?“ vom 1.10.2023. Den Menschen ginge es zu gut,darum interessierten sie sich nicht mehr für den christlichen Glauben. Not lehrt beten, aber was, wenn die Bürger rundum gut versorgt und abgesichert sind? Diese Litanei ist nun schon so alt und klingt so antiquiiert, daß nicht einmal mehr Religionssoziologen damit hausieren gehen. Entsaget auf Erden, verzichtet um des Himmelreiches willen, traut man sich auch nicht mehr zu predigen - zu ärgerlich und erfolgreich war da doch die Kritik so gearteter Jenseitsvertröstung.


Aber jetzt eine innovative Idee: Warum sollte man nicht dem gemeinen Volke wieder die Tugend des Verzichtens, des Gürtelengerschnallens und der Genügsamkeit mit Wenigem predigen im Namen der Klimakatastrophe: „Weil Du zu viel konsumierst , ruinierst Du das Klima, zerstörst unsere Erde.“ Und: „Weil Du zu viel konsumierst,leben so viele in Armut in der sog. 3.Welt.“ Einst war die Welt ja noch in Ordnung: Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung konnte nicht konsumieren, da der Lohn gerade mal für das Lebensnotwendige ausreichte.In diesem Punkte muß man auch als Nichtmarxist Marx rechtgeben. Zu konsumieren war das Privileg des Bourgeois. Aber die moderne Massengesellschaft kennzeichnet sich eben gerade durch die Entprivilegierung der Bourgeois aus: Der gemeine Man begann zu konsumieren, ißt täglich sein Fleisch, trinkt Wein, verreist mit seinem eigenen Auto und ob seiner Kaufkraft konsumiert noch vieles andere. Die Rede von der nivellierten Massenkonsumgesellschaft kam auf: ein Volk von Käufern, das über einen unendlichen Appetit nach immer mehr vorangetrieben wird. Die Wachstumsideologie als effektiver Ersatz für den Glauben an die Verheißung des ewigen Lebens verhieß ein permanentes Wachsen der Wirtschaft, sodaß es allen, auch denen, die nur mit einer kleinen Kelle aus dem Reichtum abschöpften, kontinuierlich besser gehen werde und erst den Kindern und Enkelkindern.


Damit soll es nun aber vorbei sein! Die nahende ökologische Katastrophe verlangt nun eine Umkehr: Wir alle müssen wieder verzichten lernen. Dafür werden die Preise für die Lebensmittel, für das Wohnen und für das Heizen so angezogen, daß der Bürger wieder ganz von selbst das Gürtelengerschnallen wieder lernt.Für ihn sollen eben die 7 guten Jahre vorbei sein. Unbestritten sei es ja zudem, daß es den Armen in der Welt nur so schlecht ginge, weil hier wir so gut lebten.

Wie sollte das Konsumieren auch noch etwas Genußvolles sein, wenn jeder konsumieren kann! Erst wenn das tägliche Fleisch auf dem Teller und eine beheizte Wohnung wieder ein Privileg ist, ist es doch erst ein Genuß.Abstrakter formuliert: Ein Genuß ist nur ein Genuß, wenn er verbunden ist mit dem Wissen: Nur ICH und ein paar Andere können sich das leisten. Aber genau das evoziert den Willen: Was jetzt noch ein Privilegium ist, soll morgen das Recht aller sein. Hört es aber auf, ein Privileg zu sein, ist es kein Genuß mehr. Das wiederum evoziert den Willen, daß das wieder zum Privilegium werden sollte. So ist die Praxis der Verteilungskämpfe, der Marxismus erschuf sich daraus gar die geschichtsphilosophische Konstruktion der Geschichte als die ihrer Klassenkämpfe ein dauernder Kampf um eine Ent- und eine Reprivilegierung von Gütern.

Zur Zeit läßt sich die Ideologie der Ökokrise vortrefflich zu einem Projekt der Reprivilegierung instrumentalisieren: Das gemeine Volk hat zu verzichten, damit die Anderen endlich wieder genießen können. Dem Volke ist so die Umkehr zu Wasser und Brot zu predigen, während man unter sich Sekt und Kaviar genießen will nur nicht mehr um des Himmelreiches willen sondern für die Bewahrung der Schöpfung.

 

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