Samstag, 2. Dezember 2023

Spurensuche zum Niedergang der christlichen Religion: Vergessene Fragen

Spurensuche zum Niedergang der christlichen Religion: Vergessene Fragen


Wer heute noch nach der Relevanz von philosophischen Fragen für das theologische Denken und die Kirche frägt, dem wird sicher geantwortet, daß der philosophische Diskurs für die Kirche völlig irrelevant geworden sei, es sei denn man kritisiert mit Theologen wie Magnus Striet und Saskia Wendel, daß die katholische Theologie immer noch nicht den Aufklärungsphilosophen Kant zu ihrem Fundament erkürt hat.

Als völlig relevanzlos wird dagegen die Kontroverse zwischen der platonischen und der aristotelischen Philosophie angesehen, ob, um es mit J.Garder (Sofies Welt)zu formulieren die Idee des Pferdes vor der Realität des Pferdes oder ein Produkt des Nachdenkens über gesehene Pferde sei.(Vgl dazu: „Aristoteles“ in „Sofies Welt): „Aristoteles zufolge steckt Platon in einem mythischen Weltbild fest,das die Vorstellungen der Menschen mit der wirklichen Welt verwechselt“, deklariert Garder in seinem Aristoteleskapitel: „Keine angeborenen Ideen“. (Auf die Angabe von Seitenzahlen verzichte ich, da dies Buch sehr vielfältig publiziert wurde.) Aristoteles Philosophie führe uns also hinaus aus dem mythischen Denken des Platonismus hin zum modern aufgeklärten.

Ab ovo: Wenn ein Handwerker einen Stuhl fabriziert, hat er zuerst eine Vorstellung von dem Stuhl, die er dann realisiert. Ob die Realisierung ihm gelungen ist, wird er durch einen Vergleich seiner Idee von diesem Stuhle und seiner Verwirklichung beurteilen:Je mehr das Erschaffene der Idee des Zuerschaffenden ähnelt, desto mehr ist das Werk ihm gelungen. Gottes Erschaffung der Welt wird so theologisch in einer Analogie dazu gedacht: Gott realisiert die in ihm ewig existierenden Ideen von der Welt, indem er sie realisiert.Der Vergänglichkeit alles Geschaffenen steht so die Idee des Geschaffenen entgegen, die als solche unvergänglich ist. Wenn Schüler im Rechenunterricht Kreise malen sollen, einmal freihändig und einmal mit Hilfe eines Zirkels, dann entscheidet die Idee des Kreises, welcher der so hervorgebrachten Kreise mehr oder weniger ein gelungener Kreis ist, insofern er der Idee des Kreises mehr oder weniger ähnelt. Die Idee des Kreises ist so der wahre Kreis,alle gezeichneten Kreise sind dagegen nur Kreise,inwieweit sie dieser Idee ähnlich sind.Wer nun eine Vielzahl von verschieden gezeichneten Figuren sieht, wird nur die Figuren als einen Kreis bezeichnen, die der Idee des Kreises hinreichend ähnlich ist.Die Grunddifferenz, die Platon hervorhebt, ist nun die der Ewigkeit der Idee von etwas und der Vergänglichkeit von all seinen Realisierungen als Erscheinungen dieser Idee.

Was passiert nun, wenn diese platonische Ideenlehre reprobiert wird, wie es in „Sofies Welt“ geschieht? Die uns über unsere Sinne und das Nachdenken über sie Zugängliche wird uns das Reale, die Ideen darüber das Sekundäre und Bezweifelbare. Die Ideen Gottes, die durch die Schöpfung realisiert wurden, werden nun fragwürdig und nur das Existierende gilt als gewiß und damit auch Gott selbst als Schöpfer alles Existierenden, das er nach seinen Ideen erschuf. Die von Nietzsche geforderte „Treue zur Erde“ ist so zuallererst die Verneinung der Ideen Gottes, durch die dann alles Gott erschuf. Es existiert nur die Welt, insoweit sie uns sinnlich erfahren denkend zugänglich ist, aber keine zweite himmlische, die als die Ideenwelt dann noch die Norm der Wirklichkeit ist.

Die Frage, was ist realer und ursprünglicher, die Idee von etwas oder das Etwas, über das dann auch noch Gedanken gemacht wird,respondiert die Moderne antiplatonisch in einer solchen Selbstverständlichkeit, daß die Frage schon kaum noch begriffen wird.

Nur dieser Tod des Ideenhimmels präfiguriert auch den Tod Gottes als des Kreators, denn die Wirklichkeit der Welt wird so zum Selbstverständlichen, daß sie ist, wie sie ist. Nur Freunde philosophischen Spekulierens suchen dann noch nach ersten Ursachen jenseits dieser Wirklichkeit. Damit einher geht nun aber auch der Verlust des Normativen, wenn es keine göttlichen Ideen mehr gibt. Ist nur die Welt, existiert nicht mehr die Welt der normativen Ideen, die sind dann nur noch fragwürdige Hervorbringungen des Bedenkens der einzigen Wirklichkeit, der Welt, die uns in indikativischen Aussagen zugänglich ist.Wie sagte Hume doch so treffend: Imperative, was sein soll, sind nicht aus der Welt der Indikative, der Tatsachen derivierbar.

Zusatz:

Ein Zusammenhang existiert zwischen der Vorstellung, daß alles,was ist, durch Gott, der Geist ist,ist und der, daß die Seele als etwas Geistiges die Körperwelt beherrschen kann und soll, daß die Seele als menschlicher Logos das Geschaffene begreifen kann, weil alles aus dem göttlichen Logos ist. Das ist mit dem Begriff des Logozentrismus bezeichnet, oder einfacher dem Primat des Geistes über das Materielle, sodaß auch die Idee von etwas der Realisierung der Idee vorausgeht als die Norm ihrer Exemplifikationen.

 

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