Uns wird heut der Erlöser zu Bethlehem geboren – und die zeitgenössischen Reaktionen
Die simpelste ist wohl die, die Tagespresse zu lesen oder die Fernsehnach-richten einzuschalten, um zu der Erkenntnis zu kommen, daß eine Erlösung nicht stattgefunden habe. Der Erlöser Jesus Christus wird dann gerne transformiert zu einem bloß moralisch vorbildlich gelebt Habenden, der dazu aufruft, ihm zu folgen und so die Welt besser zu machen. Im Mikrokosmos des privaten Lebens möge dann jeder bei sich selbst anfangen, aber auch im Großen müsse es zu gesellschaftlichen Optimierungen kommen.Analysiert man dann noch die konkreteren Vorstellungen, wie das zu gestalten sei, fällt auf, daß bei diesen Weltverbesserungsprogrammen Jesus genaugenommen überflüssig sei. Es reichte doch die Anerkennung der Menschenwürde und der Menschenrechte, um damit ein Fundament für ein Huma-nisierungsprogramm zu legen.
Mustergültig formuliert der Jesuit Kiechle das so: „Alle Menschen sind zu Frieden und Gerechtigkeit gerufen- die Idee der einen Menschheit und der universalen Menschenrechte wurde in der Aufklärung formuliert, ist aber zuerst biblisch. Christen haben den Auftrag, Güter und Wohlstand allen zugänglich zu machen.“ (Internetseite: kath de nachrichten: woke-links-christlich vom 20.Dezember 2023.)
Nähme
man das ernst, kann man sich nicht mehr umhin, Dostojewskijs
Großinquisitors Kritik an Jesus Ablehnung des Rates des
menschenfreundlichen Teufels recht zu geben: Jesus hätte den
Menschen Brot zum Leben geben sollen,(das meint dafür zu sorgen, daß
alle materiellen Bedürfnisse der Menschen ausreichend befriedigt
werden), und er wäre von allen als der König der Welt anerkannt
worden. Stattdessen verkündigte ein religiöses Erlösungsprogramm,
statt die Mägen zu füllen. In einer materialistisch denkenden Epoche kann eben eine Erlösung nur als ein sozialcharittives Unterfangen gedeutet werden: "Brot für die Welt".
Aber es gibt auch noch andere Reaktionsmöglichkeiten: Die Kranken bedürfen des Arztes, aber wir sind doch nicht krank. Außerdem: Die Probleme, die wir nun mal real haben, die werden wir schon in den Griff bekommen, oder weniger optimistisch fortschrittsgläubig: Es ist, wie es ist und daran wird es sich nie etwas ändern. Der Glaube an eine Erlösbarkeit ist nur ein Märchen für Träumer: Es geht schon so!
Es existiert nun aber noch eine viel radicalere Reaktionsmöglichkeit, in der Philosophie durch Schopenhauer artikuliert: Nicht solle man das Leben erlösen, sondern sich vom Lebenswollen erlösen. Dieser Philosoph erfaßt damit kongenial den Kern der buddhistischen Erlösungsvorstellung: den Willen zu leben, als die Quelle allen Leidens zu begreifen. Einfacher formuliert heißt das, daß ernsthaft gezweifelt wird, ob es sich denn wirklich lohne,zu leben, ob wirklich das Sein dem Nichtsein vorzuziehen sei. (Vgl dazu das Buch: Nichts von Lütkehaus, einem exzellenten Schopenhauerkenner.) Das ist die Antwort dekadenter Epochen der Kulturgeschichte. Das Leben sei gar nicht erlösbar, das Nichtsein als ein ewiges Ruhen sei die Lösung des Lebensproblemes, nicht eine illusionäre Hoffnung auf eine Erlösung des Lebens.
Ach ja, und dann gibt es noch die bürgerliche Version: Weihnachten ist das Fest der Familie, daß das gute Leben das in der Familie ist, das uns dann auch das weniger erquickliche außerhalb der Familie zu ertragen hilft. Christsein heißt dann einfach, anständig zu leben und daß man schon an einen Gott glaubt, irgendwie gäbe es schon was Höheres, das Ja sagt zu unserem bürgerlich-anständigen Leben.
Da nun schon vor 2000 Jahren uns der Erlöser geboren wurde und selbst Wollwollende kaum seit dem eine moralische Verbesserung der Welt wahrnehmen können, wäre es an der Zeit, theologisch auszubuchstabieren, was denn der Begriff der Erlösung bedeutet. Leichter ist es aber, auf ihn zu verzichten und das Weihnachtsfest umzudeuten zum Fest der bürgerlichen Familie.
Aber den "Hein-Blöd-Preis" verdient nun wirklich die dümmlichste aller Reaktionen auf die Geburt des Heilandes: Jesus sei als ein "Flüchtling" zu uns gekommen und deshalb verpflichte uns Weihnachten zur Aufnahme aller, die bei uns leben möchten, den "Flüchtlingen"! Hier wird der Heiland völlig politisch instrumentalisiert.
Ein Augenmerk sollte dann aber auch auf eine neuzeitliche Interpretation des Judas Ischariot gelegt werden: Er soll nämlich ein enttäuschter Jesusanhänger gewesen sein,daß dieser Messias nicht das jüdische Volk von der römischen Besatzungsmacht befreite und auch sonst sich fernhielt von der zelotischen antirömischen Befreiungsbewegung. Aus seiner Enttäuschung heraus verriet er Jesus, vielleicht wolle er auch so Jesus zum Kampf gegen Rom provozieren. Hier wird wohl das Unbehagen an dem religiösen Erlöser,der so gar nicht politisch agierte,in die Person des Ischariot hineinprojiziert.
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