Mittwoch, 8. Mai 2024

Zurück zum hl. Thomas, als die theologische Welt noch in Ordnung war...

 

Zurück zum hl. Thomas, als die theologische Welt noch in Ordnung war...



In conservativ theologischen Kreisen scheint sich die Parole:Zurück zur Theologie des hl.Thomas von Aquin als die Lösung aller theologischen und kirchlichen Probleme einiger Beliebtheit zu erfreuen, auch wenn dazu dann noch die Parole assoziiert wird: Thomas und die Alte Messe gehörten zusammen, die Abkehr von beiden brachten der Theologie und der Kirche ihre jetzige Misere ein. „Fr. Thomas Joseph White, Rektor Magnificus der Päpstlichen Universität des Heiligen Thomas (Angelicum) in Rom, betont die Bedeutung von Thomas von Aquin und der thomistischen Tradition angesichts der entscheidenden theologischen Herausforderungen von heute.“, berichtete gar die „Freie Welt“ am 3.5.2024.

In dem der thomistischen Theologie sehr positiv eingestellten „Grundriss der Dogmatik“ Ludwig Otts (11.Auflage, S.145) findet sich aber eine Verdacht anregende Formulierung: „Der Thomismus führt den Gedanken der Allursächlichkeit Gottes der allseitigen Abhängigkeit der Geschöpfe konsequent durch. Der Mollinismus hebt die Willensfreiheit sehr entschieden hervor, bringt aber die wesentliche Abhängigkeit der Geschöpfe weniger zur Geltung.“ Das inkludiert aber auch,daß die thomistische Theologie die Willensfreiheit nicht entschieden hervorhebt. Damit ist wohl auch schon der Grund dafür markiert, warum jeder Repristinationsversuch der thomistischen Theologie zum Scheitern verurteilt ist. Spräche die Theologie nämlich dem Menschen die Willensfreiheit ab, könnte der Mensch weder für seine guten Werke belohnbar noch für seine Sünden als bestrafbar gedacht werden, wäre er nicht als der freie Urheber seines Wollens und Tuens zu denken. Wenn nun gar Gott der Urheber des Wollens und Tuens des Menschen wäre, dann käme Gott auch denknotwendig als die Erstursache des Wollens der Sünde des Menschen zu stehen.Jeder Sünder könnte sich dann rechtens von seiner Schuld exculpieren:“Nicht ich, sondern Gott wollte durch mich diese Sünde.“

Nun sagt das so weder der hl.Thomas noch ein ihm folgender Thomist, aber es ist zu befürchten, daß diese Aussage unvermeidlich ist, wenn man auf den Spuren der thomistischen Theologie weiterschreitet. Aber bei dem Versuch, die thomistische Konzeption zu rekonstruieren, stieß ich auf eine weitere philosophisch-theologische Abstrusität, die, konsequent zu Ende gedacht, die ganze Theologie zum Einsturz bringen und die ganze christliche Frömmigkeit destruieren muß. Martin Heideggers berühmtes Votum vom Tode Gottes durch die Metaphysik scheint sich in diesem Falle auf das bitterste zu bewahrheiten:“Unsere Metaphysik tötete Gott“, frei nach Nietzsche!

Der Anfang dieser sich so katastrophal auswirkenden Metaphysik,die dann das Fundament der Theologie, der Gotteslehre dann im Besonderen bildet, sind einfache Einsichten: Erstens: Nur was möglich ist,kann auch wirklich werden.Nichts was möglich ist,kann sich selbst zum Sein machen. Also wird alles, was möglich ist, auch nur durch ein seiendes Subjekt zu einem wirklich Seienden. Wenn alles, was ist, auch nicht sein könnte, dann ist all das nur ein möglich Seiendes. Deshalb müsse es ein Subjekt geben, das nicht möglicherweise seiend ist, sondern notwendiger weise ist und dies Subjekt heißen wir Gott, das als das notwendiges Sein allen anderen nur kontingent Seienden zu ihrem Sein verhilft. (Damit soll Nietzsches Gegenentwurf des Kreises,der ewigen Wiederkehr widerlegt sein,ob dem so ist, soll hier nun nicht diskutiert werden.)

Dann erörtert die thomistische Theologie, weiterhin Aristoteles folgend die Frage:Wie ist eine Bewegung eines Seienden möglich? Die Antwortet lautet nun: Auch die Realisierung einer möglichen Bewegung verlangt ein Subjekt, das ist und die mögliche Bewegung in eine reale verwandelt. Dies diese Bewegung von einer möglichen zu einer realen Bewegung, die von dem: „Ich könnte A wollen“ zu :“Ich will A“ könne nun auch nur von Gott verursacht werden. In diesem Punkte bricht nun die thomistische Konzeption mit der aristotelischen.

Nach Aristoteles bewegt Gott nämlich als der „unbewegte Beweger“ alles andere nur als die Finalursache.Gott bewegt halt alles, wie eine schöne Frau Männer bewegt, ihr den Hof zu machen.Gott motiviert,um es modern auszudrücken. Denn Gott selbst sei als die reine Selbstbezüglichkeit zu denken, als das Sichselbstdenken des Denkens.Das meint der Begriff des „actus purus“, daß es in Gott keine nicht realisierten Möglichkeiten geben könne, denn etwas Nichtrealisiertes wäre ein Mangel an Sein. Thomisten denken Gott aber auch als die Wirkursache jeder Bewegung und somit auch jedes Wollens des Menschen: „Ich will A“-ich kann nur A wollen, weil Gott meinen Willen dazu bewegt hat,A zu wollen.Denn ein Mensch könne nicht selbst seinen Willen dazu bewegen, A zu wollen.

Das hat notwendiger weise die Konsequenz, daß mein Wille zu sündigen, von Gott selbst hervorgerufen worden ist. Nun ist zu erörtern, ob ich dem Bewegtwerden von Gott zum Sündigen mich widersetzen kann oder auch nicht. Bewegt Gott den Willen des Menschen so, daß er entweder dem Bewegtwerden zum Sündigen zustimmen oder auch nicht zustimmen kann, oder kann sich der Wille nur so dazu bewegen,wozu ihn Gott bewegt?

Aber jetzt ist das erste und gravierendtste Problem dieses Ansatzes übersprungen worden: Kann denn Gott als actus purus gedacht,überhaupt sich irgendwie auf anderes als sich selbst beziehend gedacht werden. Nach der aristotelischen Philosophie ist das nun undenkbar!

Hierzu habe ich diese Thesen für eine weitere Diskussion aufgestellt:

  1. Wenn Gott als actus purus gedacht wird, kann keine Beziehung Gottes zu anderem als sich selbst gedacht werden, schon gar keine Interaktion. Undenkbar ist so, daß Gott Gebete erhört oder kontingent auf menschlichen Handeln reagiert.


Gott kann dann nur im Sinne der "Negativen Theologie" gedacht werden, da jede Aussage, Gott ist so, (omnes determinatio est negatio) Gott als purus actus
widerspricht:Ist er A so ist er -A nicht und -A ist dann eine nicht realiesierte
Möglichkeit Gottes.Gott kann dann auch keine Willensfreiheit mehr zugeschrieben werden: denn es kann nicht mehr gedacht werden: Gott will A und somit -A nicht.
3. Wenn Gott nicht nur als Finalursache sondern gar als Wirkursache jedes menschlichen Wollens gedacht wird,, was aber unvereinbar ist mit Gott als actus purus, kommt Gott denknotwendig, wenn ein Mensch sündigt,,als Erstursache der Sünde zu stehen.Wenn die Zweitursache von Gott so bewegt wird, daß der Mensch dann nicht anders kann als zu sündigen,ist Gott genaugenommen die einzige für die Sünde verantwortliche Subjekt. Wenn der Mensch als Zweitursache kontingent mitwirkt, wenn gedacht wird,er
könne der Bewegung zum Sündigen sich widersetzen, dann ist Gott, wenn der Mensch sich zum Sündigen bewegen läßt, die Erstursache des Sündigens.
4. Damit Gott nicht als die Erstursache der Sünde zu stehen kommt,könnte die Sünde als ein Mangel an Gutem gedacht werden: Gott bewegt nur zum Guten, diese Bewegung depraviere der Mensch aber als Zweitursache. Damit wird aber das böse Wollen und Tuen des Menschen nicht erfaßt.

Die Kardinalfehler: Gott darf nicht als actus purus gedacht werden. Er kann nur als actus purus gedachtwerden, wenn damit gesagt wird: Nichts kann, wenn es nur als eine Möglichkeit ist, sich selbst zur Wirklichkeit machen. Wenn alles, was ist,nur
möglich Seiendes ist,muß Gott als notwendig Seiendes gedacht werden, damit
er allen anderen Sein verleiht, von der Möglichkeit zur Wirklichkeit überführt
das ist,den Ideen Wirklichkeit zu geben als Individuationen der Ideen.
Dagegen ist von allen Seiendem, das lebt, auszusagen, daß es als Seiendes
die Fähigkeit zu einer Selbstbewegung hat.Nur so ist der Theodizeediskurs
aufrechthalbar, daß Gott das Böse zuläßt,denn das heißt: Gott ist nicht
die Erstursache des Wollens des Bösen. Wird der Gedanke der Zulassung
reprobiert, wird Gott denknotwendig zur Erstursache jeder Sünde.


Die thomistische Gotteslehre muß notwendig an diesen Aporien
scheitern! Sie kann, wenn sie Gott als actus purus denkt, Gott nicht mehr als in reale Beziehungen zu anderem als Gott denken.Versucht sie es, sind diese Aussagen unvereinbar mit der Bestimmung,Gott als actus purus zu denken.Wenn dann aber Gott doch als die Wirkursache jeder Willensbewegung gedacht wird,kann ein freier Wille des Menschen kaum noch gedacht werden. Denn wenn gedacht wird,Gott bewege den Willen des Menschen so,daß er A wollen kann oder nicht wollen kann, dann muß die Entscheidung A zu wollen oder auch nicht zu wollen,wiederum von Gott bewirkt gedacht werden, denn sonst gäbe es eine nicht von Gott selbst gewirkte Willensentscheidung. Eine Theologie,die aber die Willensfreiheit des Menschen nicht denken kann, ist in anthropologischer und moraltheologischer Perspektive unhaltbar. Aber noch katastrophaler ist die notwendige Konaequenz,Gott als actus purus zu denken, daß von Gott dann keine Relation zu anderem als sich selbst mehr gedacht werden kann; sie kann dann nur noch gegen dies Konzept trotzig behauptet werden! 

Corollarium

Eine Philosophie,die auf  ein metaphysisches Denken verzichtete, wäre keine Philosophie, und die Theologie kann nicht ohne Philosophie betrieben werden. Das heißt aber nicht, daß Aristoteles der Philosoph der Theologie zu sein hat und auch nicht, daß jede Theologie thomistisch sein muß. 

































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