Über die Entheiligung des christlichen Abendlandes und die Verheiligung der Westintegration
Wer heute den Begriff des christlichen Abendlandes in den Mund nimmt und dann gar noch von der Notwendigkeit seiner Verteidigung spricht,exkommuniziert sich aus dem Kreis der seriösen Gesprächsteilnehmer des öffentlichen Diskurses:Nur Rechte redeten so. Das ist nun doch sehr befremdlich, galten doch die rechtsradicalen Diktatoren, Hitler,Mussolinie und Franco in der offiziösen Geschichtsschreibung als die Feinde und Unterdrücker der Kirche und der christlichen Religion und nun wirft man den Rechten vor, das christliche Abendland beschützen zu wollen.Da hat sich was geändert, aber was?
Das Konzept des christlichen Abendlandes, am tiefgründigsten in der Schrift:“Christentum oder Europa“ von dem Romantiker Novalis erfaßt,gilt dem heutigen liberal gesonnen Katholiken wie Protestanten als etwas rein Negatives, grenze dies Konzept doch alles Nichtchristliche aus, worunter dann nicht nur die nichtchristlichen Religionen die jüdische und die islamische subsumiert wird sondern auch alles den christlichen Normen Nichtgemäße, womit wir bei dem Vorzugsklientel des Liberalismus sind: die Homosexuellen und die „Diversen“,die LGBTQ-Bewegung. Wer also das „christliche Abendland“sage, wolle jetzt in erster Linie die Muslime und die Homosexuellen ausgrenzen. Das wäre das politische Anliegen der Rechten,die sich dabei mit conservativen Christen verbinden im gemeinsamen Antiliberalismus. Dem müsse entgegengetreten werden. Das „christliche Abendland“ war eben nur eine Chimäre,unter der sich die Unterdrückung alles Nichtchristlichen verberge.
Aber der politisch korrekte Diskurs verharrt nicht einfach in der Delegitimierung des „christlichen Abendlandes“ sondern setzt dem ein anderes Konzept entgegen: Das ist das Konzept des „freien Westens“ und für uns Deutsche der Glaube an die seligmachende Kraft der Westintegration Deutschlandes, die nun mit der erfolgten Wiedervereinigung ihren krönenden Abschluß fand. Die Geschichte Deutschlands wäre die eines Sonderweges gewesen. Als die Norm der politisch-kulturellen Entwickelung gelten dabei die Geschichte Englands und Frankreichs, wir dagegen seien Normabweichler gewesen. Aber mit der Integration Westdeutschlandes nach 1945 und Ostdeutschlandes nach 1989 sei dieser Sonderweg beendet worden. Thomas Mann deutete den 1.Weltkrieg noch als den Selbstbehauptungswillen des deutschen Volkes, nach seiner Eigenart sein Volksleben gestalten zu wollen auch gegen die innerdeutsche Opposition, die damals schon eine Verwestlichung Deutschlands anstrebten. So versuchte man, das Besondere der deutschen Kultur zu erfassen durch die antithetische Gegenüberstellung der Parolen der Französischen Revolution mit der deutschen Idee von 1914, als Kaiser Wilhelm II das Volk einte: „Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche!“ Der individualistischen Ideologie des Liberalismus sollte ein organologisches Denken entgegengesetzt werden, dem Primat der Gemeinschaft:Das Ganze sei wie ein Körper, in dem jeder als ein Teil seinen Platz habe mit einer für das Ganze notwendigen Aufgabe, wie eben ein Körper viele Organe besitzt,die zusammenwirkend das Ganze ausmachen.Das Preußische stand isb für diese Weltanschauung.
Mit der Westintegration habe so zuerst Westdeutschland diesen Eigenwillen aufgegeben, weil es nun westlich werden wollte und das bedeutete nach 1945, die Überlegenheit der englisch-amerikanischen Kultur anzuerkennen. Die Stalin Offerte, daß West-und Ostdeutschland sich 1952 wiedervereinigen könnten, wenn Deutschland sich dann außenpolitisch zur Neutralität sich verpflichte, gilt in der offiziösen Geschichtsschreibung als die Versuchung Westdeutschlands schlechthin, der aber der Kanzler Adenauer widerstand,indem er statt der möglichen deutschen Einheit der Subordination Westdeutschlands unter die Vorherrschaft Amerikas den Vorzug gab. Diese Entscheidung kann als das Ja zur Selbstverwestlichung Deutschlandes verstanden werden.
Diese Entscheidung soll nun nicht einfach die zwischen zwei politischen Optionen verstanden werden, sondern als die Entscheidung zum einzig Guten angesichts der Versuchung zu einer Weiterführung eines deutschen Sonderweges. Ideologisch ist das die Anerkennung des Liberalismus als einzig legitimen Ideologie und politisch das Ja zur Marktwirtschaft und dem liberalen Rechtsstaat als der Ermöglichungsordnung der Marktwirtschaft. Außenpolitisch heißt das, den Anspruch zu erheben, daß die ganze Welt diese liberale Ordnung zu übernehmen habe, denn diese Ordnung ist die einzig wahre. Sie avanciert so zu der neuen heiligen Ordnung, der jeder Anständige zu bejahen habe. Deutschland mit seiner einst selbstständigen Kultur wurde so nach 1945 das Opfer dieses Kulturimperialismus, da es vordem so sehr auf sein Recht auf seine Eigenständigkeit insistiert hat.
In der westlichen Kultur kann die Kirche und alle Religionsgemeinschaften nur noch die Rolle eines Religionsdienstanbieters auf dem freien Markt spielen. Die Ablegung der zum Papsttum gehörenden Tiara symbolisiert so das endgültige Ende des „christlichen Abendlandes“,indem die Kirche so die Rolle eines Akteurs auf dem freien Markt annahm. Die christliche Religion, die Wahrheit wird zu einer bloßen Ware,die zusehens auf weniger werdendes Kaufinteresse stößt. Aber die Ideologie des freien Westens stellt klar: Das alles ist alternativlos.
Die Herrschaft der Ideologie des Liberalismus führt auch dazu, daß diese Ideologie zu der Norm der Auslegung der Theologie wird.
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