Eine Polemik wider den Glauben an Engeln - oder über ein gestörtes Verhältnis zur Volksfrömmigkeit
Auf der Internetseite: „Communio“ erschien am 17.5.2024 der wirklich nicht lesenswerte Artikel: „Unser Bild von den Engeln:Himmlische Helfer oder furchteinflößende Boten?“ Da heißt es dann: „Der Engelglaube wird heute als gefälliger und tröstlicher empfunden als der Gottesglaube. Das ist das Ergebnis einer merkwürdigen Entwicklung.“, um dann gegen die als kitschig diffamierten Engelbilder zu polemisieren, ja überhaupt den Glauben an Engel als eine problematische Alternative zum Glauben an Gott zu situieren.
Statt von einer merkwürdigen Entwickelung zu schreiben, wäre es angebrachter, diese Entwickelung zu rekonstruieren zu versuchen. Deshalb biete ich hier einen Versuch: Bis zur Exilierung Israels in die babylonische Gefangenschaft glaubte man in Israel an die Existenz vieler Götter, aber daß nur einer, Jahwe für ihr Volk zuständig sei, es nur ihn zu verehren hätte.Das meint der Begriff der Monolatrie.In der exilisch-nachexillischen Zeit entwickelte sich erst der monotheistische Glaube. Das mußte auch dazu führen, daß der Name des Gottes Israels an Bedeutung verlor, denn nur unter der Voraussetzung, daß es viele Götter gibt, hat es einen Sinn, einen Gott mit seinem Namen anzurufen, damit klar ist, welcher von den vielen denn gemeint sei. Gott, monotheistisch durchdacht, wird dabei jenseitiger, transzendent gedacht, als über und außer der Welt seiend. Daraus generiert sich die Tendenz, daß der monotheistisch gedachte Gott nicht mehr unmittelbar in die Welt eingreifend gedacht wird, sondern vermittelt durch seine Engel. In den Engeln wirkt so der uns Menschen zugewandte Gott, der aber selbst der weltjenseitige bleibt.
In der Vorstellung der Engel steckt aber noch ein weiter greifendes Potential, daß nun die früher als Götter geglaubten Götter zu Engeln depotenziert und so doch in eine monotheistische Religion integrierbare gewandelt werden.Da es nun nach dem Mythos vom Engelfall gute und böse Engel, Daimonen gibt, bekommen so die Engel eine große Bedeutung für das religiöse Leben.Zwar wird Gott auch weiterhin als unmittelbar selbst wirkend geglaubt, aber seine Primärhände,durch die er in der Welt wirkt, sind seine Engel und nicht, wie man es leider zu oft in Predigten zu hören bekommt,unsere menschlichen Hände,durch die allein Gott noch in der Welt wirken könne.
Ich verweise hier auf das gediegenste Werk der christlichen Angellogie: „Über die himmlische Hierarchie“ von Dyonisus Aeropagita und muß mich hier auf Weniges limitieren: Es gilt zu unterscheiden zwischen den Engeln des himmlischen Gottesdienstes, von dem unser irdischer ein Abbild, nur ein Abbild aber deshalb auch ein wahrer Gottesdienst ist und den Engeln, die im Auftrage Gottes in der Welt wirken.Als in der Welt wirkenden repräsentieren sie Gottes Macht gegen die Kräfte des Bösen und Gottes liebende Zuwendung zu den Menschen als ihre Schutzengel. Jesus Christus selbst spricht von den besonderen Schutzengeln der Kinder. Mt 18,10 heißt es:
„Hütet euch davor,einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“ Mit den „Kleinen“ sind hier die Kinder gemeint.Die Kunst stand somit vor der Aufgabe, diese Schutzengel der Kinder zu malen, um gerade so das Vertrauen der Eltern auf die Fürsorge des Schutzengels für ihre Kinder zu stärken. Daraus entspringen dann die lieblichen,manchem kitschig vorkommenden Engelbilder. Aber sie müssen eben auch den Kindern und den Eltern in ihrer Sorge um ihre Kinder gerecht werdenden Weise dargestellt werden. Ganz anders fallen natürlich die Bilder der wider die bösen Mächte streitenden Engel aus und davon sind dann noch die daimonischen Engel zu distinguieren.
Die Engel symbolisieren also in einer monotheistisch durchreflektierten Religion die Zuwendung Gottes zu uns Menschen und sein Kämpfen wider die bösen Mächte.Aber die Engel dürfen nun aber nicht nur symbolisch verstanden werden, denn sie sind als real existierend und lebend zu glauben.Im Sinne der Tranzendentalienlehre, der metaphysischen Gotteslehre gilt: Alles Seiende ist nur ob seiner Teilhabe am Sein, an Gott.Es gibt weniger und mehr vollkommendes Seiendes.Je ähnlicher Gott etwas ist, desto vollkommener ist es, je weniger ähnlich Gott etwas ist, desto unvollkommener ist etwas. Nun ist Gott reiner Geist und der Mensch ein Kompositum von Geist und Materie. So ist er vollkommener als alle anderen Geschöpfe Gottes, die unbeseelt sind. Gäbe es keine Engel, dann hätte Gott darauf verzichtet,ihm die am ähnlichst möglichen Wesen zu erschaffen, die Engel, die als körperlose reine Geistwesen ihm ähnlicher wären als wir Menschen. Das wäre so,als wenn es die Schulnote 1 und dann die von 3 bis 6 gäbe, aber nicht die Schulnote 2. Wie das ein Mangel in der Schulnotenordnung wäre, so wäre die Nichtexistenz der Engel ein Defizit in der Schöpfungsordnung Gottes.
Liebhaber der zeitgenössischen Kunst mögen die heutigen Engelbilder als kitschig und unästhetisch verurteilen, aber sie sollten dann auch konzedieren,daß die zeitgenössische Hochkultur von den meisten Menschen als unverständlich und als häßlich abgelehnt wird. Mit solch modernistischer Kunst treibt man in der Regel die Menschen nur aus der Kirche heraus, zumal in ihnen von Schönheit in der Regel kaum zu sprechen ist. Der Volksglaube an die Engel sollte so nicht verurteilt werden, sondern als ein legitimer Bestandteil des katholischen Glaubens gewürdigt werden!
Zum Ästhetischen: Wie für die Darstellung der Mutter Gottes die Maxime gilt, daß sie als die schönste aller Frauen darzustellen ist, so gilt eben für die Engel, daß sie einerseits die Macht Gottes, aber auch die uns zugewandte Liebe Gottes und die Schönheit der Himmelsliturgie darzustellen haben und isb sie auch als die lieblichen Schutzengel unserer Kinder. .Daß zur heutigen Ästhetik die Mißachtung alles Volkstümlichen und des von viele Menschen Wertgeschätzten gehört, zeigt eben aber nur den Elitärismus des Kunstdiskurses an,er ist deshalb aber gerade auch antikatholisch.
Es
drängt sich aber generell der Verdacht auf, daß in der Kritik an
dem Engelsglauben sich nicht primär ästhetische Vorbehalte äußern
sondern daß sich da die Meinung manifestiert, daß Gott überhaupt
nicht mehr, weder selbst noch durch seine Engel in die Welt
hineinwirke und so man nichts von den Engeln Gottes wissen
will.
Zusatz:
"Als der Höchste den Göttern die Völker übergab,als er die Menschheit aufteilte,legte er die Gebiete der Völker nach der Zahl der Götter fest." (5.Mose 32,8). Eine theologische Deutung wird die Götter hier als die Völkerengel lesen. Diese Aussage könnte fruchtbar gemacht werden für das Verstehen der heidnischen Volksreligionen!
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