Freitag, 26. Juli 2024

Irritierendes: Oder daß da in der hl.Schrift so viel Befremdliches über den Menschen geschrieben steht

 

Irritierendes: Oder daß da in der hl.Schrift so viel Befremdliches über den Menschen geschrieben steht


Eine simple Weise, die Bibel zu lesen und doch dabei nicht sie zu lesen, ist einfach: Nur das aus ihr herauszulesen, was man aus ihr heraushören möchte. Besonders problematisch sind dabei dem Lesenden schon zu vertraute Texte, sodaß sie gar nicht mehr gelesen werden, daß sie eben überlesen werden!

Entweder,der Baum ist gut- dann sind auch seine Früchte gut.Oder: der Baum ist schlecht – dann sind auch seine Früchte schlecht.“, belehrt uns Jesus Christus. (Mt 12,33). Deshalb sagt er: „An den Früchten also erkennt man den Baum.“ (V 33). Sehe ich einen Apfel als Frucht ei nes Baumes, erkenne ich, daß das ein Apfelbaum ist, sehe ich Kirchschen, erkenne ich daran, daß das ein Kirschbaum ist. Warum enthält die hl. Schrift solch eine Trivialität, könnte nun gefragt werden, aber diese Frage entschwindet sofort, wenn man sich vor Augen hält, daß es dem göttlichen Lehrer hier um das Gebiet der Menschenkenntnis geht: Wie ich einen Baum an seinen Früchten erkenne, so kann ich auch einen Menschen an seinen Früchten erkennen, ob er ein guter oder ob er ein böser Mensch ist.

In seinem Tuen und Unterlassen offenbart also ein Mensch, was für einer er ist.Ein Apfelbaum kann nur Äpfel als seine Früchte hervorbringen, kann dann ein guter Mensch nur gute Werke und ein böser nur böse Werke hervorbringen? Spätetstens jetzt melden sich einem mitdenkenden Leser gewichtige Einwände: Ein Mensch wird doch erst durch seine Werke, wie er sein Leben führt, zu einem guten oder zu einem bösen Menschen. Sein Sein, also sein Gut- oder Bösesein geht doch nicht seinen Werken voraus, sondern er wird doch erst durch sein Tuen und Unterlassen ein guter oder ein böser Mensch. Wenn ein Mensch andere Menschen umbringt, dann erweist er doch in seinen Morden nicht einfach ein ursprüngliches Bösesein sondern indem er so zu einem Mörder wurde, wurde er zu einem bösen Menschen. Der Mensch macht sich so doch erst zu einem als gut oder böse zu qualifizierenden.

Oder sollte man nicht differenzierter urteilen, daß wohl eine Tat böse sein kann, wie etwa ein Mord, daß aber der Mensch deshalb kein böser sei. Ein Mensch gehe nicht auf in seinen Taten, sei doch nicht mit ihnen eins, denn in jeder Tat realisiert er ja nur eine Möglichkeit von sich selbst. Als Ganzer ist er so viel mehr als die eine als gut oder als böse qualifizierte Tat.

Das Sein geht eben nicht der Tat so voraus, daß ein Bösesein jede Tat zu einer bösen werden läßt noch das ein Gutsein jede Tat dann zu einer guten werden läßt, wie eben ein Kirschbaum nur Kirschen hervorbringen kann. Eine moderne Anthropologie würde als das moralisch zu qualifizierende Sein als das Resultat der Tendenz der Handlungen und Unterlassungen eines Menschen ansehen: Er hat sich zu dem gemacht, was er nun ist. Einem Mafiosi ist nicht eine böse Natur in seine Windeln gelegt worden, sondern er ist ob seiner Tätigkeit für die Mafia Schritt für Schritt zu einem schlechten Baum geworden. Ein postmodernistischer Kritiker würde nun noch das wertende Urteil, daß er gut oder böse sei, zu dekonstruieren versuchen: Es gäbe nur in kontingten Morallehren diese Unterscheidung und in jeder gälte anderes als gut und böse.

Aber wie nun, wenn Jesus hier nicht eine moderne Anthropologie vertitt, sondern eine, in der es gilt, daß das Sein dem Tuen vorausgeht und die Qualität der Früchte determininiert,daß eben ein von seiner Natur aus böser Mensch böse Früchte und ein von Natur aus guter Mensch gute Früchte hervorbringt? Das hätte zur Folge, daß es nicht in der Macht eines Menschen stünde, ob er gut oder böse handelt, sondern daß seinem Tuen eine schon moralisch bestimmte Natur zu grundeliegt, die er nicht selbst hervorgebracht hat. Nur durch Gottes Gnade, in den Menschen eingegossen, könnte dann die Natur eines Menschen sich verändern, sodaß aus einem bösen ein guter wird. Diese Vorstellung muß den Einwand einer modernen Anthopologie provozieren, daß ein Mensch nicht moralisch verantwortlich gemacht werden dürfe für seine allem seinem Tuen vorausgehende Natur, da diese er ja nicht selbst für sich hervorgebracht hätte.

Nur in dieser Bildrede vom guten und vom schlechten Baum ist selbstverständlich präsumiert, daß weder die gute noch die schlechte Nátur eines Baumes durch den Baum selbst eigenverantwortlich hervorgebracht sei, er ist es schicksalshaft. Die moderne Anthropologie geht stattdessen entweder von einer völlig in moralischer Perspektive unbestimmten menschlichen Natur aus, sodaß ein Mensch erst durch die Tendenz seiner Werke zu einem guten oder bösen wird oder daß er ursprünglich gut seiend zu einem bösen korrumpiert wird. Jesus dagegen scheint hier von a priori bestimmten Naturen des Menschen auszugehen, daß ein Mensch entweder gut oder böse sei und daß sich diese Ursprungsqualität dann in seinem Leben manifestiere.

Theologisch beurteilt wäre dann diese jesuanische Anthropologie eine, die den Menschen erbsündlich denkt, daß er schon moralisch qualifiziert sei vor seinem Tuen und Unterlassen und daß diese Ursprungsnatur, die nach dem Sündenfall den Menschen bestimme. Gute Menschen wären dann die durch Gottes Gnade von der Erbsündlichkeit erlöste.

















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen