In Zeiten des allgemeinen Relativismus, irgendwie ist doch Alles erlaubt, wenn es wirklich gewollt wird und könnte das Votum des hl. Augustin:Liebe und tue, was Du willst!, nicht auch so mißdeutet werden, daß dem Liebenden Alles erlaubt sei, erfreut sich bei wenigen die moraltheologische Aussage, daß es Handlungen gibt, die ein malum in se sind, sodaß sie immer, auch wenn mit noch so guter Absicht vollbracht, eine schwere Sünde sind, großer Beliebtheit. Wenn Alles in postmodernen Zeiten schwankt und relativiert wird, dann muß es doch noch irgendetwas unbedingt Gültiges und somit moralisch immer Verwerfliches geben.
Nur, so verständlich dieser Wunsch zum Unbedingten auch ist und moralpädagogisch dann auch so vertreten werden sollte, so evoziert dies doch bei Nachdenklichen gewichtige Zweifel.Wer zweifelte daran, daß die Tötung eines Unschuldigen, die absichtliche eine schwere Sünde ist, die so auch durch noch so einen guten Zweck nicht moralisch legitimiert werden kann! So muß auch die Aufforderung, einen Unschuldigen zu töten, moralisch in jedem Falle verwerflich sein und auch die Absicht, einen Unschuldigen zu töten. Dann muß also die Aufforderung, einen Unschuldigen zu töten, auch wenn dies um Gottes Willen gefordert wird und die Bereitschaft, einen Unschuldigen zu töten, weil Gott es wolle, verwerflich sein, denn selbst der Zweck, so Gottes Willen erfüllen zu wollen, könnte dies Töten nicht legitimieren, es sei denn, daß der Zweck, Gottes Willen zu erfüllen auch Handlungen, die in sich ein Übel sind, legitimierte.
Damit stehen wir vor dem Problem Abrahams, den Gott auffordert: Töte Deinen einzigen Sohn, bringe ihn mir als Opfer dar! Er sagte sein Ja zu diesem Befehl Gottes. Konnte er das, ohne zu sündigen? Oder soll nun doch gelten, daß diese Tötung, der Vater tötet seinen einzigen Sohn, legitim gewesen war, weil der Zweck dieser Handlung es war, so Gottes Willen zu erfüllen? Aber Abraham wird genau diese Bereitschaft zum Töten seines eigenen Sohnes als gutes Werk angesehen und er dafür gerecht gepriesen.
Daß Gott dann auf dies Opfer verzichtet,ändert ja nichts an dem Faktum, daß Abraham Ja gesagt hatte zu diesem Befehl Gottes. Wenn er den Sohn geopfert hätte, wäre das so keine Sünde gewesen. Dem theologisch Visierten ist natürlich klar, daß wir in Abraham auch ein Abbild des göttlichen Vaters sehen, der seinen eigenen unschuldigen Sohn am Kreuzaltar opfert um der Sühne unserer Sünden willen. Durfte denn Gott den Opfertod seines unschuldigen Sohnes als Gehorsamsakt des Sohnes verlangen? Ja, das durfte er, denn er wollte und verlangte dies Kreuzaltaropfer um der göttlichen Gerechtigkeit willen. (Vgl dazu immer noch das Beste : Anselm von Canterbury, Warum Gott Mensch wurde?)
Aber der Inzest, das steht doch fest, daß der immer verwerflich ist! Wirklich? Konzentrieren wir uns auf die Kinder von Adam und Eva. Junge Frauen und junge Männer. Wenn da eines der Madels heiraten wollte und eine eigene Familie gründen wollte, es gab für die Mädchens nur leibliche Brüder als Heiratskandidaten. Denn alle Menschen haben Adam und Eva als ihre Eltern, das gründet die Einheit der Menschheit.
Entweder vollziehen die Kinder nun eine Inzestehe oder sie verzichten darauf, weil das ein malum in se ist, und die Menschheit wäre mit dem Absterben der Kinder Evas und Adams ausgestorben! Wir Heutigen leben deshalb, weil die Kinder Evas und Adams den Inzest praktizierten, denn ohne diese Sünde könnte es uns alle nicht geben. Es kann also selbst der Inzest kein malum in se sein.
Könnte es sein, daß alles, was die Moraltheologie als malum in se qualifiziert, nur im Regelfall ein solches Übel ist, daß es aber auch immer Fälle gibt, in denen das eigentlich immer Unerlaubte doch erlaubt ist. Könnte es sein, daß sich somit das Problem des Tragischen auch in der katholischen Moraltheologie revitalisiert, daß der Mensch in bestimmten Konfliktsituationen sündigen muß, weil alle Handlungsoptionen, über die er verfügt, moralisch verwerflich sind. Evas Kinder können dem Gebot Gottes: Vermehret euch! nur erfüllen, indem sie sündigen im Akt des Inzestes- wenn sie ihn aber unterlassen, sündigen sie auch, weil sie dann so Gottes Gebot: Vermehret euch! mißachten. Und doch müßte in solchen Fällen die Moraltheologie klären, was da zu tuen sei und was nicht! Hätten die ersten Kinder wirklich auf den Inzest verzichten dürfen, sodaß die Menschheit mit ihrem Tod ausstirbt? Und doch bleibt der Inzest eine Sünde- eine die dann doch zu vollziehen gewesen war, weil sonst das Übel, das Nichtentstehen der Menschheit noch größer gewesen wäre als das Übel des Inzestes.
Um der Tendenz zur Laxheit in postmodernen Zeiten zu entgehen,daß letztlich alles erlaubt sei, neigt der Oppositionsgeist zur Laxheit so zu einem nicht minder problematischen Rigorismus: Hauptsache, das Gute tuen und das Böse unterlassen, auch wenn die Welt daran zu Grunde geht.
Corollarium 1
Der Moraltheologie fehlt der Begriff des Tragischen, daß es Fälle gibt, in denen der Mensch, egal wie er handelt, doch sündigen muß, weil es für ihn keine Handlungsoption gibt, in der er nicht sündigte. Und die Moraltheologie muß dann auch klären, wie in solchen Fällen zu handeln ist, auch wenn es keine Möglichkeit des Nichtsündigens gibt.
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