Mittwoch, 9. Oktober 2019

DDR- Unrechtsstaat- BRD-Rechtsstaat? Irritationen

"Ramelow und Schwesig: DDR war kein Unrechtsstaat",so titelt die Freie Welt am 8.10.2019. Ein Linker und eine Sozialdemokratin sind sich eben in dieser Causa einig, wie auch sonst einst in der einstigen SED. Aber doch wirft diese Aussage einige unbequeme Fragen auf, auch wenn für den westlich Sozialisierten die Causa klar ist: Die BRD und das jetzige Deutschland, das ist ein Rechtsstaat, aber die DDR war das nicht. Nur, was qualifiziert denn nun einen Staat zu einem Rechtsstaat, sodaß er kein Unrechtsstaat ist?

Am einfachsten wäre dieser Standpunkt: Der nationalsozialistische Staat wäre der Unrechtsstaat schlechthin und so dürfe nur er so qualifiziert werden, denn alle anderen Staaten mögen auch viele Negatives aufweisen, aber so negativ wie dieser könne kein anderer sein. Aber hört etwa eine Entführung und eine Erpressung auf, eine kriminelle Handlung zu sein, bloß weil Raubmorde geschehen? Was wäre denn eine Kriteriologie zur Unterscheidung des Rechts- von dem Unrechtsstaat? In der DDR wie in der BRD war das Töten von Kindern im Mutterleibe erlaubt. Ist nicht zu urteilen, daß ein Staat, der das Töten Unschuldiger erlaubt, ein Unrechtsstaat? Kann es denn einen gröberen Verstoß gegen die Menschenrechte und Menschenwürde geben, als daß Unschuldigen das Recht auf Leben abgesprochen wird, daß es faktisch der Willkür der Mutter überlassen wird, ob sie ihr Kind im Mutterleibe töten lassen will oder nicht? Dann unterschied sich der Rechtsstaat vom Unrechtsstaat darin, daß in dem einen die Menschenrechte der Staat respektiert, der Unrechsstaat aber nicht. 

Aber dies Kriterium ist nicht ganz problemlos, denn genau genommen schränkt jeder Staat das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein, der eine mehr, der andere weniger, nur daß dann im Prinzip jeder Staat ein Unrechtsstaat wäre. So herrscht zwar bei uns die Meinung vor, daß es in Rußland unter Putin fast gar keine Meinungsfreiheit, in Deutschland damit verglichen sehr viel gäbe, aber gegen diese landläufige Meinung steht, daß im heutigen Rußland wegen noch so skurriler Meinungsäußerungen über Stalin niemand zu Gefängnisstrafen verurteilt wird, bei uns aber wegen Meinungsäußerungen über Hitler sehr wohl Menschen eingesperrt werden können. 

Oder sollte geurteilt werden, daß ein Staat, wenn er demokratisch verfaßt ist, ein Rechtsstaat sei, wenn er dagegen nicht demokratisch verfaßt sei, ein Unrechtsstaat sei. Dann wäre die DDR Praxis des Tötens von Kindern im Mutterleibe unrechtsstaatlich, weil die DDR nichtdemokratisch war,die Abtreibungspraxis der BRD aber rechtsstaatlich, weil das Gesetz zur faktischen Erlaubtheit des Kindertötens im Mutterleibe demokratisch zu Stande gekommen war. Das ist nun wirklich absurd. Das Tötendürfen von Kindern im Mutterleibe ist auf jeden Fall ein Unrecht und ein Staat, der das erlaubt, ist dann wohl als Unrechtsstaat zu qualifizieren. Zudem ist auch nicht einsichtig, warum etwa jede Monarchie,bloß weil sie eben keine Demokratie ist, schon ein Unrechtsstaat sein soll. Oder soll ernsthaft gesagt werden, daß Deutschland unter Kaiser Wilhelm, dem I. und dem II. ein Unrechtsstaat gewesen sei, nur weil ein Kaiser Deutschland regierte. 

Am vulgärsten ist aber wohl die Meinung, daß ein Staat zu einem Unrechtsstaat wird allein dadurch,daß er Gesetze macht, die mir nicht gefallen oder die ich für ungut erachte.Nun verbindet sich diese Frage, ist das ein Rechtsstaat mit der, ob es einen legitimen Widerstand gegen diesen Staat geben dürfe oder gar geben müsse, wenn er wirklich ein Unrechtsstaat ist. Damit wird diese Frage sehr gefährlich, besonders wenn zur Abqualifizierung eines Staates zum Unrechtsstaat schon das Urteil reicht, daß er schlechte Gesetze mache, daß mir die Regierung nicht gefalle. 

So würde ich urteilen, daß ein Staat sehr wohl die Reise/Ausreisefreiheit seiner Bürger beschränken darf, wenn er davon ausgehen muß, daß eine unlimitierte Reisefreiheit sich schädlich für das Gemeinwohl auswirken würde, wenn etwa in einem armen Staat alle Gutausgebildeten das Land verließen, um woanders mehr Geld zu verdienen und sie so dem Staate fehlten. So eine Limitierung würde sicher vielen mißfallen, es wäre aber doch nur ein Anzeichen dafür, daß der so handelnde Staat um des Allgmeinwohles willen Individualrechte einschränkt. 

So schwierig ist die  Bestimmung, was einen Rechts- und einen Unrechtsstaat ausmacht! Es ist so erschreckend, wie oberflächlich diese Debatte geführt wird.         


 

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