Sonntag, 15. Dezember 2019

Enttäuscht oder desillusioniert Gottes Menschwerdung?

Ein jüdischer antichristicher Witz soll in diese Problematik einführen: Eine jüdische Religionsstunde. Der Rabbiner wird von einem seiner Schüler angefragt: "Herr Rabbiner, es gibt Leute, die behaupten, daß der lang ersehnte Messias schon gekommen sei, er wäre dieser Jesus aus Nazareth!"Der Gefragte schaut aus dem Fenster, sieht ein kleines weinendes Kind und respondiert: "Nein, er ist noch nicht gekommen. Denn wenn er schon gekommen wäre, weinte kein Kind mehr!"
Wahrscheinlich war nicht nur der zelotisch gestimmte Judas Ischariot von dem Messias Jesus enttäuscht, hatte er doch von dem Messias die Befreiung Israels aus der römischen Fremdherrschaft erhofft, ja, das war doch die Primäraufgabe des ersehnten Messias, der dann aber wohl darüber hinaus nicht einfach eine Repristination des untergegangen Königreiches David und Salomos erhoffte, sondern daß nun aus Israel wirklich ein Land wird, in dem für alle überreich Milch und Honig fließen werden. Aber nüchtern betrachtet, erfüllten sich diese messianischen Hoffnungen nicht. Daß die Welt nun aber seit Weihnachten oder Ostern erlöst sei, hier darf aus rein moralischen Gründen dem Rabbiner nicht widersprochen werden: Ein einziges weinendes Kind widerlegt dies: Wir sind schon erlöst. 
Ein einfacher pragmatischer Ansatz löste dies Problem der ersehnten Erlösung der Welt, indem es Jesus als Auftrag zur Erlösung der Welt umdeutet, daß also wir Christen evtl in Cooperation mit anderen das Heilungswerk Jesu fortzusetzen haben, bis die ganze Welt erlöst sei.Faktisch reduziert sich das dann auf Programme zur Welternährung, eingedenk der Aufforderung Jesu, gebet ihnen zu essen und auf Weltgesundheitsprogramme, eingedenk der jesuanischen Heilungen von Kranken.Einfacher gesagt: Was der Messias nicht leistete, das ist nun unsere Aufgabe. 
Aber was für Erwartungen hegte man denn in Israel und so auch die Schüler Jesu, wenn sie glaubten, daß der Messias kommen wird oder was wurde erwartet, wenn er endlich da ist? Enttäuschung meint doch, daß eine berechtigte Erwartung nicht erfüllt wurde. So ist eine Ehefrau zu recht enttäuscht von ihrem Mann, wenn sie erfährt, daß er eine Geliebte hat. Kann dann aber auch so von einer Enttäuschung  gesprochen werden, wenn ein Woche für Woche Lotto Spielender nach einem Jahr feststellen muß, keinmal 6 Richtige gehabt zu haben? Ist  hier nicht eher von einer Desillusion zu sprechen, daß hier auf etwas äußerst Unwahrscheinliches gehofft wurde, sodaß zu erwarten war, daß dies erhoffte Ereignis nicht eintreten wird!
Warum kamm der Messias nicht in Bethlehem zur Welt, um dann gleich die ganze Welt auf einen Schlag zu erlösen, warum hat er stattdessen sein Heilswerk auf zwei Ankünfte aufgeteilt, daß die Kirche einerseits seine Ankunft feiert, die zu Weihnachten und daß sie andererseits sein Wiederkommen am Ende erwartet, daß er kommen wird zu richten die Lebenden  und die Toten, daß er dann erst das  ewige Gottesreich auf Erden errichten will?  Oder anders gesagt: Warum endet die Bibel nicht mit den Ostererzähungen, daß er nun bei uns ist als den Tod Überwundender. Warum ist das letzte Buch das der  Johannesoffenbarung, das uns das Ende dieser Welt verkündet und Jesu Christi endgültige Ankunft? 
Jesus von Nazarteth enttäuscht nur dann, wenn von seiner ersten Ankunft schon die vollständige Erlösung erwartet wird, daß es keine zweite Ankunft geben wird und geben kann, weil er schon hier auf Erden gelebt habend das Werk der Erlösung vollständig zu erfüllen habe.Nur, könnte das nicht selbst eine Illusion sein, daß eben das Erlösungswerk des Messias nicht durch einen Akt vollbracht werden konnte. Es müßte also Anselm von Canterburys Opus: "Warum wurde Gott Mensch?" ergänzt werden durch die Frage: "Warum muß der Messias zur Erlösung der Welt in zweifacher Weise erscheinen, zuerst so, wie es die Evangelien berichten und dann, wie  es die Johannesoffenbarung uns verheißt? Der erste Advent, daß Gott Mensch geworden ist in Bethlehem befreite uns so auch aus der Illusion, daß das ganze Heilswerk in einem einzigen Akt vollbracht werden konnte! Das wäre vergleichbar mit dem Wunschdenken eines Schwerkranken, daß ein Arzt durch eine einzige Behandlung auf Anhieb ihn vollständig wieder gesund machen könnte.
Könnte es nun Gründe dafür geben, daß das Erlösungswerk Christi in zwei Akte aufgeteilt wurde? Oder sollte Gott das ganz frei willkürlich so angeordnet haben? Meines Erachtens könnte darauf so respondiert werden: Das eine Opfer Jesu Christi, durch das alle Menschen erlöst werden sollen, ist nicht einfach nur das Karfreitagsopfer sondern die Einheit des Kreuzaltaropfers mit den kirchlichen Meßopfern.Das kirchliche Meßopfer erinnert nicht einfach an ein einst vergangen geschehenen Opfer, sondern in ihm ist das Karfreitagsopfer so gegenwärtig, daß einerseits gilt, daß das Meßopfer nicht sein könnte ohne das Karfreitagsopfer, daß aber auch das Karfreitagsopfer nicht sein könnte ohne die Meßopfer. Das Eine ist nur, indem es in Vielfältigkeit erscheint und darin mit sich identisch bleibt. Das eine heilsgenügsame Opfer ist eben die dialektische Einheit des Urbildes des wahren Opfers mit seinen vielen Abbildern des kirchlichen Kultes des Alten wie des Neuen Bundes.  Einfacher formuliert: Erst durch die Kirche vollendet sich das Heilswerk Christi, bis zu  dem Punkt, wo der Messias die Frucht dieses Erlösungswerkes dann heimbringen wird zu Gott in seiner endgültigen Wiederkehr.      

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