Sonntag, 1. Dezember 2019

Irritierendes: Die Frage nach dem Sinn und irgendwie habe das was mit Glaube zu tuen

Der Mensch sei ein Wesen, dem es nicht reiche, zu leben, es müsse auch einen Sinn des Lebens geben, damit sein Leben ihm ein gutes sei. Die Religionen und insbesondere die christliche wäre dann die Antwort auf diese Sinnsuche. Eine Konkurrenzsituation in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft verschlechtere dann zwar die Lage der Kirche, da es auch andere "Sinnanbieter" auf dem freien Markt gäbe, aber der christliche Glaube sei eben doch ein besonders gutes, auf den Menschen optimal zugeschnittenes Produkt. Die Nachfragesituation sei hervorragend, den jeder Mensch sei ja qua seines Menschseins ein Sinnsucher.
So wurde eine zeitlang in der Kirche gedacht und als dann der real existierende Sozialismus der DDR implodierte, sah man eine große Ernte vor sich, daß nun die vielen vom Sozialismus Enttäuchten auf der Suche nach einer neuen Sinngebung wären und die könne nun die Kirche als Glaube anbieten. Nur, irgendwie klappte das dann nicht: Für das kirchliche Angebot des Glaubens als Sinngeber fanden sich kaum Abnehmer. 
Könnte irgendetwas an diesem ganzen Gedankengang nicht stimmen? Für eine marktwirtschaftlich orientierte Kirche, und auf dies Selbstverständnis hin will sich ja auch die Katholische Kirche neu entwerfen (das ist auch ein Anliegen des synodalen Weges ) lautet die erste Frage: Gibt es für das beabsichtigte Produkt eine Nachfrage? Satuierten kann man schlecht etwas verkaufen, es muß also ein Mangel gesucht werden, den dann das Produkt beheben kann. Gibt es also einen Mangel an Sinn in unserem Leben?
Fangen wir ganz einfach an:
1. Jeder kann autobiographisch von sich reden. Die kleinste Einheit eines solchen Redens ist der Satz. ( Es sei an den französischen Philosophen Lyotard erinnert, der in seinem Hauptwerk: Der Widerstreit feststellt, daß nicht an der Existenz von Sätzen gezweifet werden kann, denn der Zweifler kann dies auch nur durch Sätze.) Ein autobiographischer Satz ist immer ein sinnvoller Satz, sonst wäre er kein Satz. Auch ein unwahrer Satz: "Gestern las ich Thomas Manns Zauberberg" ist ein sinnvoller Satz. Entsteht so schon  in dem Ereignis einer Ichrede ein Sinn für den Redenden, sodaß eine Autobiographie sozusagen ein Kompendium des Lebenssinnes des Autoren wäre? Decken die Sätze dabei nur den Sinn auf, der in dem Ausgesagten steckt oder wird das Ausgesagte erst durch die Satzformulierung sinnvoll? Eine schwer zu beantwortende Frage. 
2. Menschen handeln. Entweder hat die Handlung seinen Sinn in sich, dann wird sie um ihrer selbst willen vollzogen oder sie hat ihren Sinn außer sich, dann ist sie sinnvoll ob ihrer Ausrichtung auf das Ziel. So ist es sinnvoll, griechisch zu erlernen, um das Neue Testament in der Originalsprache zu  lesen; es gibt aber auch die Möglichkeit, diese Sprache aus Freude an einer schönen Sprache zu erlernen. Genossen wird das, was um seiner selbst willen getan wird, gebraucht wird das, das seinen Zweck nicht in sich trägt sondern das nur ein Mittel dazu ist, einen Zweck zu erreichen. So ist das Handeln des Menschen immer schon sinnvoll in diesem zweifachen Sinne. 
3. Kann es dann auch sinnloses Handeln geben? Ja, wenn eine Handlung den Zweck, der außer der Handlung ist, nicht erreicht.So ist ein Schuß auf das Tor sinnlos, wenn der Fußball über das gegnerische Tor geschossen wurde. Oder eine in sich sinnvolle Handlung, das ist eine, die weil sie um ihrer selbst willen vollzogen wurde eine zu genießende ist, nicht genossen wird.Dann raubt dies Nichtgenießen den Sinn der selbstzecklichen Handlung, wenn etwa ein Roman um des Genießens willen gelesen wird (und nicht um damit einen anderen Zweck zu erfüllen, etwa einen Artikel über das Gelesene zu schreiben) und er bereitet keinen Lesegnuß dem Lesenden, dann wird dies Lesen als sinnlos empfunden. Das legt den Schluß nahe, daß die Empfindung des Sinnlosen verursacht ist durch ein Unvermögen, selbstzwecklich Getanes zu genießen. 
Wäre dem so, dann könnte ein so Nichtgnießenkönner nichts Selbstzweckliches mehr genießen, sodaß für ihn tatsächlich ein sinnloses Leben entsteht. 
4. Sollte nun erwidert werden, daß dann der christliche Glaube die rettende Antwort wäre, müßte gefragt werden, was den in unserer Religion als Selbszweckliches gedacht wird, um dann weiter fragen zu müssen, wie denn dies Selbstzweckliche genossen werden kann von einem Nichtgenießenkönnenden. Sagen wir, daß der letzte Zweck der des von Gott Geliebtwerdens oder auch des Gottliebens sei. (Nebenbei: Es ist kein Wunder, daß die christliche Religion bei Frauen besser ankommt als bei Männern, denn spezifische Frauenromane enden meist mit dem Bekenntnis: "Ich liebe Dich! Ich Dich auch!) Aber was, wenn die Vorstellung, von Gott geliebt zu werden oder ihn zu lieben, gar nicht als höchstes Glück wahrgenommen wird, wenn diese Vorstellung den Adressaten gar nicht begeistert, ja er entgegnet, sich Besseres vorstellen zu können? Es entsteht ja eine sinnlose Welt erst durch das Nichtgenießenkönnen! Wie könnte da, um mit dem hl. Augustin zu reden, die Verheißung, im ewigen Leben Gott zu genießen und alles andere so zu gebrauchen, daß dieser Endzweck erfüllt werden kann, Zustimmung, ja gar Glaubensfreude evozieren? 
5. Es muß wohl davon ausgegangen werden, daß im Regelfall Sinn in so großen Mengen vorhanden ist, einfach schon durch die Ichrede in Sätzen und durch das Handeln, daß es kaum eine Nachfrage nach Sinn gibt, außer wenn das Vermögen, selbstzwecklich Getanes zu genießen verloren gegangen ist, aber dann kann auch der christliche Glaube kaum noch aufgenommen werden, denn auch er zielt auf Selbstzweckliches, das dann zu genießen sei, so etwa  der hl. Augustin. 

Appendix
Es könnte eingewandt werden, daß nur Gott als das summum bonum, also als das höchste Gut zu genießen sei, weil alles andere nur zu gebrauchen sei auf dies Endziel willen. Nur,anderes als Gott kann als Selbstzweckliches genossen werden, etwa eine schöne Musik. Diese Realität kann nicht wegdiskutiert werden.   
   

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