Montag, 13. April 2020

Als der Gottesdienst verboten war- Einsichten in eine Krise der Religion


Wir befinden uns jetzt im Jahre 586 vor Christus.Der Staat Juda war vernichtet worden, der Reststaat Israels, die Hauptstadt mit dem religiösem Zentrum, dem Jerusalemer Tempel vom Feinde verwüstet und das Volk saß trauernd in Babylon, exilliert. Die Geschichte des Elendes, des Lebens in der Fremde begann so für das Volk Israel. Und: Die Priester und Leviten, sie wußten, daß sie in der Fremde keine Gottesdienste feiern durfte. Denn Gott hatte Jerusalem als den einzigen Ort erwählt, wo ihm ihm wohlgefällig die ihm gebührenden Opfer dargebracht werden dürfen.
Wie kam es zu dieser Katastrophe? Antifundamentalisten und Liberalen ist das natürlich unzumutbar, aber nicht den frommen Juden. Sie bekannten: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Das Volk Israel, seit dem sie das ihnen von Gott verheißende Land in Besitz genommen hatten, sündigten sie wider ihren Gott. Die Samuel- und Königsbücher bezeugen die Untreue des Volkes und ihrer Könige wider ihren Gott. Es gab Lichtmomente in der Geschichte des Volkes Gottes, aber es überwog die Untreue und so zog Gott nun einen ersten Schlußstrich, er bestrafte es durch die militärische Niederlage und seine Exilierung. Nicht warfen nun die Priester dem König und seinen Militärs ein politisches Versagen vor, ihr hättet besser für einen Krieg vorbereitet sein sollen, nein mit den Propheten klagten sie: Wir haben gesündigt und nun straft uns unser Gott.Und jetzt, exiliert können wir Gott nicht mal Sühnopfer darbringen, den solche können nur im Jerusalemer Tempel Gott dargebracht werden.
So mußte das Volk im Exil ohne seinen Gottesdienst leben, ohne diese so lebenswichtige Beziehung zu ihrem Gott.Klagten sie Gott an oder beschwerten sie sich bei der Regierung Babylons, daß sie nun den so lebenswichtigen Gottesdienst einstellen mußten? Nein, sie nahmen es hin als Gottes Strafe. Aber sie taten etwas anderes in dieser gottesdienstlosen Zeit. Sie kreierten in der Not eine neue Gestalt des Gottesdienstes, als Surrogat für den Tempelkult, den Synagogengottesdienst. Das war ein reiner Wortgottesdienst ohne ein kultisches Opfer. Es war eine Geburt aus der Not des Exiles heraus, aber eine Notordnung mit einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, denn ab dem Zeitpunkt praktizierten es alle Diasporajuden so: In ihren Gastländern erreichten sie Synagogen, um dort, weil sie nicht zum Tempel pilgern konnten, Wortgottesdienste abzuhalten. Und so ist dann nach der endgültigen Zerstörung des Jerusalemer Tempels der Notgottesdienst der Synagoge zu dem Gottesdienst der jüdisschen Religion geworden. Aber ihm fehlt das Herzstück der Frömmigkeit des Alten Bundes: der Jerusalemer Tempelkult und sie haben keine Priester mehr, es ist so eine priesterlose Religion entstanden, an der dann Mohammed mit seiner neuen Religion anknüpfte wie auch dann später Luther.
Ganz ander sieht das in der Katholischen Kirche aus. Die hl. Messe der Kirche ist eine gelungene Synthese aus dem Synagogengottesdienst, der Vormesse, dem Wortteil und dem jerusalemischen Kult, der nun seine Prolongierung in der Hauptmesse, der Darbringung des hl. Meßopfers findet.
Und jetzt? Jetzt erleben wir, daß die Messe nicht mehr öffentlich sondern nur noch ohne Volk, ohne Gemeinde gelesen werden darf. Der Staat verbietet um der Volksgesundheit willen in dieser Zeit der Coronaseuche alle Arten von Versammlungen zum Schutze seiner Bürger. Das ist ein gravierender Eingriff in die Freiheitsrechte seiner Bürger, aber es ist wirklich das Recht und sogar die Pflicht des Staates, bürgerliche Freiheitsrechte einzuschränken, wenn dies für das Gemeinwohl nötig ist. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich die jetzige Regierung für keine gute erachte, wir werden nicht gut regiert!, aber jetzt zolle ich unserer Regierung Respekt: In der Not wächst sie über sich hinaus, tatkräftig und entschieden setzt sie jetzt rigoristische Maßnahmen gegen viele Particularinteressen durch um des Allgemeinwohles willen. Jetzt erweist sich, daß dieser Staat wirklich ein Staat ist und das ist etwas anderes als eine Serviceagentur für die Zivilgesellschaft! Die Zivilgesellschaft ist der Ort der Vielzahl von Particularinteressen, die irgendwie ein Miteinander suchen, der Staat dagegen der Ort des Allgemeinwohles, des Volksstaates, des Nationalstaates ist, in dem das Volk sein Volksleben hat als allem Privatem Übergeordnetes.
Erfreulich ist nun auch, daß die Bischöfe der Katholischen Kirche, die Notlage anerkennend das staatliche Versammlungsverbot auch und gerade auch für alle kirchlichen Veranstaltungen durchsetzen. Jetzt darf nicht mehr öffentlich Gottesdienst gefeiert werden. Damit unterwirft der Staat die Kirchen so wie jede andere Vereinigung der Zivilgesellschaft einem Versammlungsverbot. Es gibt nun keinen überzeugenden Grund dafür, daß Christen nun verlangen, daß der Staat sie zu privilegieren habe, daß sie weiterhin sich versammeln dürften, weil ihnen das so wichtig sei, aber allen anderen dürfe der Staat ein Sichversammeln verbieten um der Eindämmung der Coronaseuche willen.
Notzeiten verlangen kreative Antworten. Die Juden kreierten im babylonischen Exil den synogogalen Wortgottesdienst als Surrogat für den nichtmöglichen Tempelkult.Auch wir erleben nun eine Vitalisierung einer Gottesdienstform in den Zeiten der medialen Kommunikation, des Primates der virtuellen Welt, das ist unsere Zeit der Postmoderne. Die Gottesdienste werden wie einst die von Luther so verschmähten Privat-Winkelmessen ohne eine Gemeinde, das Volk gelesen und sie werden per Medien für viele trotzdem zugänglich gemacht.
Was ist dazu zu sagen?
  1. Für eine gültige Messe ist allein ein zelebrierender Priester hinreichend. Es ist eine reformatorische Irrmeinug, daß die Gottesdienste in erster Linie Veranstaltungn für die Gemeinde sind. Es ist auch ein Irrtum, wenn gemeint wird, daß nur die Gottesdienstbesucher einen Nutzen von dem Gottesdienst ziehen können. Das Meßopfer wird von dem Priester eben immer auch für Nichtanwesende appliziert. Es wird immer zuerst Gott dargebracht, ihm zur Ehre, aber auch um der Versöhnung mit ihm. Deshalb überschritte der Staat sein Recht, wenn er den Gottesdienst verböte, denn das Gott Geziehmende, von ihm Gewollte darf der Staat nicht verbieten. Aber er darf sehr wohl alle Versammlungen verbieten, auch die kirchlichen, um so die Menschen auch vor sich selbst zu schützen.
  2. Da nun die Messen in sehr erfreulicher Vielzahl durch Medien übertragen werden, muß auch eingeräumt werden, daß die Gruppe der Kirchgänger privilegiert wird! Wir können den Wortgottesdienst mithören, mitbeten und mitsingen, und für den geistlichen Nutzen macht es keinen Unterschied, ob ich eine Predigt live oder im Fernsehen übertragen höre. Hauptsache, ich höre sie.
  3. Es gibt nur ein wirkliches Problem, daß ich die Eucharistie nicht sakramental empfangen kann. Aber ich kann sehr wohl bei der Elevation Jesus Christus in dem gewandeltem Brot und in dem Kelch anbeten und ihn dann geistlich kommunizieren. Eine heutzutage fast vergessene Weise des Empfangens und Nießens des Altarsakrametes revitalisert sich so, auch im Verbund mit der erfreulichen Zunahme der Aussetzungen des Allerheiligsten zu seiner Anbetung. Kommt, lasset uns anbeten! Urkatholische Frömmigkeitsformen beleben sich so neu- ein Gewinn für das Frömmigkeitsleben! Aber es ist doch ein Verlust, daß nun nicht mehr wir sakramental die Eucharistie kommunizieren können.
  4. Aber bevor wir hier nun gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen protestieren, wie wäre es, wenn wir einmal selbstkritisch uns befrügen, ob wir nicht selbst uns dies Verbot eingehandelt haben? Wie sollen wir denn vom Staate verlangen, einzusehen, daß uns Christen der Kirchgang etwas so Notwendiges ist, daß er uns diesen nicht verbieten darf, wenn jeden Sonntag 90 und mehr Prozent der Katholischen nicht zur Messe gehen und 97 Prozent der Evangelischen nicht zu ihren Versammlungen! Beweist das nicht unübersehbar, wie unwichtig der Gottesdienst für die überwältigende Mehrheit der Christen ist! Und nun muß, da wir Christen sind, auch von Gott die Rede sein. Als die Frommen im babylonischen Exil einsahen, daß sie hier Gott keine Opfer darbringen konnten, klagten sie da oder bekannten sie, daß Gott ihnen den Jerusalemer Tempel nahm, weil sie so viel wider Gott gesündigt hatten?Könnte da wir Christen nicht mal den Gedanken erwägen, ob Gott uns den Zugang zur sakramentalen Kommunion versperrt, weil zu viele sakrilegisch die Kommunion empfangen, weil wir zu viel gegen ihn sündigen?
  5. Aber das Negative hat, wie auch die Kreierung des Synagogengottesdienstes etwas Positives. Die Kirche ist mit ihren Gottesdiensten in der Postmoderne angekommen, denn die zeichnet sich durch den Primat der virtuellen Wirklichkeit aus. Es wird vielleicht in Bälde eine Selbstverständlichkeit sein, daß zumindest jede von einem Bischof zelebrierte Messe über Medien übertragen wird und von Gläubigen so mitgefeiert wird. Ob wir es wollen oder nicht, die Kirche lebt jetzt in der Postmoderne und so selbstverständlich in ihr das Telephonieren ist und nicht dabei geklagt wird, daß man sich dabei nicht gegenseitig in die Augen schaut so selbstverständlich muß uns die Mitfeier der Messe durch Medien werden.


1 Kommentar:

  1. ach und die Kommunion die drucken wir uns dann am heimischen PC mittels 3D Drucker aus? Oder lassen sie uns per Post zuschicken?
    Und beichten tun wir dann via Skype?

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