Jeder
meint zu wissen, was der Staat ist. Würde aber nachgefragt, was denn
ein Rechts- mit einem Unrechtsstaat gemein habe, denn beides seien
doch wohl Staatsformen, die auf einen gemeinsamen Gehalt verweisen,
das Staatssein, dann beginnt das Nachdenken. Wird in
Geschichtsbüchern geblättert, eine Vielfalt von Staatsformen
erblicken wir da, aber was ist das, was diese Mannigfaltigkeit zu
Erscheinungen des Staates macht, was die staatliche Substanz?
Davon ist
nun zu distinguieren die Frage, ob der Staat sein soll und wie er zu
sein hat. Es gibt aber neben dem Raum des Seins: Was etwas ist?, dem
Raum des: Wie soll etwas sein?, auch noch den des Wünschens: Wie
möge er doch sein?. Das Denken ist eben ein indikativisches, ein
imperativisches oder ein optativisches.
Ein
Experiment: Was hätte es für die Bedeutung des Karfreitages für
Auswirkungen, wenn der Staat in der Gestalt des Pontius Pilatus nicht
mitgewirkt hätte, wenn also Jesus Christus etwa wie der erste
christliche Märtyrer von einer Menschenmenge in Form der Lynchjustiz
gesteinigt worden und wenn er dann drei Tage nach seiner Steinigung
auferstanden wäre von den Toten?
Er wäre
ein Opfer basisdemokratischer Lynchjustiz geworden und Gott hätte
dann dies Opfer dieser Lynchjustiz auferstehen lassen. Er wäre
einfach nur ein Opfer des aufgewiegelten Hasses gewesen. Es wäre
höchstens noch zu fragen, wie Jesu Verkündigung und Wirken so viel
Haß gegen ihn evozieren konnte.
Eines
wäre aber ausgeschlossen, daß dieser Steinigungstod irgendetwas mit
menschlicher oder gar göttlicher Gerechtigkeit zu tuen hätte. Aber
nun spielt der Staat in der Gestalt Pontius Pilatus in dem
Karfreitagsdrama eine gewichtige Rolle, wie uns ein Blick in die
Passionserzählungen des Neuen Testamentes zeigt. Es wird jetzt
Pontius Pilatus nicht in seiner privaten Individualität erörtert,
sondern nur als Amtsperson, den hier wirkt er nicht privat sondern
als Amtsperson.Und damit wird das Karfreitagsgeschehen in einen ganz
anderen Raum hineingestellt, den der staatlichen Gerichtsbarkeit. Es
geht um den Staat als Rechtssprechender und Verurteilender.
Das
evoziert eine Frage: War es Recht, daß Jesus von Nazareth von dem
staatlichen Richter zum Tode verurteilt worden. Damit entsteht eine
Frage, die im Falle einer Steinigung zum Tode gar nicht erhoben
werden kann, denn die Form der Lynchjustiz schließt die Frage nach
der Gerechtigkeit aus. Pilatus stand also vor der Entscheidung, Jesus
als schuldig zu verurteilen oder als unschuldig freizulassen, ihn so
zu töten oder ihm das Leben zu gewähren.Woher hat der Staat, nicht
die Rotte der Lyncher das Recht, so über Leben und Tod eines
Angeklagten zu urteilen? Ist das nicht das Vorrecht Gottes, daß er
allein der Herr über den Menschen ist, daß er ihn zu Tode
verurteilen oder freisprechen darf? Hier muß die christliche
Religion eindeutig urteilen, daß das nur Gott als dem Schöpfer und
Herren des Menschen zukommt.Aber was Gott allein zukommt, an dieser
Vollmacht kann Gott andere als sich selbst partizipieren lassen. So
wie Gott, der allein Sünden vergeben kann, an dieser Vollmacht seine
Kirche partizipieren lassen kann, in der Priesterweihe überträgt
Gott dem Weihekandidaten diese Partizipation an dieser Vollmacht, so
läßt Gott auch den Staat an seiner Vollmacht, zu Tode verurteilen
zu können und zu dürfen, partizpieren. Darum sagt der angeklagte
Jesus zum weltlichen Richter, daß der keine Macht über ihn hätte,
ihn zum Tode zu verurteilen, wenn er sie nicht von Gott bekommen
hätte.Gott gab die Vollmacht zum Richten dem Staat und so ist er ein
Rechtsstaat, er urteilt im Auftrage Gottes. Sein Ur-und Verurteilen
findet im Raum des Rechtes statt.
Verurteilte
der staatliche Richter Jesus Christus zu Recht zu Tode? Die spontane
Antwort: natürlich nicht, denn dieser Angeklagte war ganz frei von
jeder Schuld. Pilatus erklärte das ja selbst, daß er an diesem
Angeklagten nichts Verbrecherisches fände. Ein Unschuldiger wird so
zu Tode verurteilt, aber Gott erweckt ihn dann vom Tode. Ist das die
Kernaussage von Karfreitag und Ostern? Mitnichten:Ostern sagt nicht,
daß Gott zu Unrecht zu Tode Verurteilte die Hoffnung auf eine
Auferstehung gibt!
Jesus
Christus ist nämlich nicht der Unschuldige, hat er doch alle Sünde
der Welt auf sich genommen, hat er die Strafe erlitten wollen, die
die ganze Menschheit hätte erleiden müssen. Gottes
Strafgerechtigkeit verlangt eben die Strafe für das Sündigen gegen
ihn, also die Bestrafung der Sünder.Nur, daß jetzt anstatt der
sündigen Menschheit Jesus am Kreuze hängt, damit er die uns
geltende göttliche Strafe abbüßt.Wenn hat Pontius Pilatus also zu
Tode verurteilt? Den, den Gott dazu bestimmt hatte, stellvertretend
für alle Menschen den ihr geltenden Straftod zu erleiden.
So
paradox auch klingen muß: Indem der staatliche Richter den
Unschuldigen zu Tode verurteilte, verurteilte er denn, den er nach
dem Willen Gottes zu Tode verurteilen sollte, weil dieser als
Unschuldiger die Schuld aller auf sich nahm und so die Strafe aller
selbst erlitt.
Der Staat
diente so der göttlichen Gerechtigkeit,dazu hat ihm Gott die
Vollmacht gegeben. Daß der Kreuzestod Jesu Christi eine Akt im
Raume der Gerechtigkeit war, das zeigt uns Pontius Pilatus Mitwirken
an der Kreuzigung. Daß hier recht geurteilt worden ist- wider dem
spontanen unmittelbaren Eindruck eines Willkürurteiles staatlicher
Justiz-das offenbart sich erst, wenn begriffen wird, daß hier der
Sohn Gottes das göttliche Strafgericht auf sich nimmt, daß der
Gerechtigkeit halber allen Menschen gegolten hätte.
Die
metaphysische Substanz des Staates ist so, daß er von Gott her
bevollmächtigt ist, als Schwertgewalt Recht zu sprechen,
freizusprechen, aber auch zu verurteilen, ja auch um der göttlichen
Strafgerechtigkeit willen zu Tode zu verurteilen. Und Pilatus zeigt
so, daß am Kreuze göttliches Recht gesprochen wurde. Denn wie
stünde es um uns, wenn Pontius Pilatus den angeklagten Jesus
Christus freigesprochen hätte? Wir wären nicht erlöst, lebten
weiter unter dem Zorne Gottes!
Corollarium 1
Was immer wir Christen schon meinen, über den Staat zu wissen, was er ist, worum er ist etc, letzte Klarheit verschafft uns erst die Betrachtung von Pontius Pilatus, denn er tat, wozu der Staat von Gott her ist. Es zeigt aber auch einen bedenkliche Degeneration des Staates, verzichtet er auf das Recht der Todesstrafe.
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