Phrasen
sind beliebt, sonst würden sie auch nicht so häufig gebraucht.
Authentisch sein,das ist gut
und wichtig, wer stimmte da nicht spontan zu. Das muß authentisch
rüberkommen...!Auch die
kirchliche Predigt hat so sein und nur authentische
Politiker werden geschätzt.
Nur , dies inflationäre Gerede hellt in keinster Weise auf, was denn
dieser Begriff überhaupt aussagt, der inflationäre Gebrauch führt
nur dazu, daß der so zur Gewohnheit gewordene Begriff
selbstverständlich etwas Gutseiendes ausdrückt, daß es eben
selbstverständlich erstrebenswert ist, authentisch zu
wirken.
Es
soll nun versucht werden, dies Mysterium der Authenzität zu
lichten. Beginnen soll die Erörterung mit einer einfachen Szene, der
Schlußszene in einem Liebesfilm. Der Mann sagt: „Ja, ich liebe
Dich!“ und die Frau, der so die Liebe dieses Mannes offenbart
wurde, sinkt ihm in die Arme. Ein schönes Ende eines Liebesfilmes.
Eine
Problemexplikation:
A)
Der Mann muß diese Aussage so aussprechen, daß die so Angesprochene
glauben
kann,
daß er sie wirklich liebt. Das ist die Authenzität dieser
Aussage.
B)
Der Mann schauspielert die Rolle des Liebenden, der nun das sagt. Der
Zu-schauer muß also angesichts dieser getätigten Aussage glauben,
daß diese Aussage ehrlich gemeint ist. Der Zuschauer weiß aber ,
daß da ein Schauspieler agiert, sodaß diese Aussage aus dem Munde
des Schauspielers eine simulierte Liebeserklärung ist und doch
glaubt er, daß sie ehrlich/echt ist. Es ist nur oder gerade eine
simulierte Echtheit.
Hier
ist die Authenzität also eine schauspielerisch produzierte
Simulation. Das Vermögen zu solch einer Simulation zeichnet nun den
Schauspieler aus. Er ist so gut, daß der Zuschauer vergißt, daß
hier nur diese Liebeserklärung simuliert wird! Wie kann ein
Schauspieler das? Meiner Vermutung nach nur , indem er die Differenz
in sich, daß er ein Schauspieler ist, der jetzt die Rolle des
Liebenden spielt aufhebt, indem er sich ganz mit der zu spielenden
Rolle identifiziert. Er wird mit ihr eins, obgleich oder gerade weil
er ein Schauspieler ist. Das ist eben die Rollenspielkompetenz des
Schauspielers.
Im
gesellschaftlichen Leben spielt jeder diverse Rollen, etwa die des
Familienvaters Daheim, des Lehrers im Berufsleben, des
Vereinsvorsitzenden im Kegelclub, die Rolle des Einkaufenden im
Verbruchermarkt, die Rolle des Staatsbürgers in politischen
Diskussionen usw. Das Gebot der Authenzität besagt nun einfach, daß
die Anderen nicht merken dürfen, daß man hier nur eine Rolle
spielt, daß vielmehr der Eindruck zu evozieren ist, daß man das
Gespielte auch authentisch ist.
Meine
Rollen bin ich, das ist der Anspruch der Authenzität. Nur
gelegentlich gelingt das nicht: Es offenbart sich eine Differenz, die
zwischen dem, was ich eigentlich bin und dem, was ich simuliere.Der
sagt das jetzt nur, weil er das jetzt (von Amtswegen) zu sagen hat!
Könnte er ehrlich sprechen, er würde etwas ganz anderes sagen, als
er jetzt sagt: mangelnde Rollenspielkompetenz!
Eine
Frage drängt sich nun aber auf: Wann ist dann wer überhaupt so, wie
er wirklich ist, wenn er im gesellschaftlichen Leben ununterbrochen
nur Rollen spielt, im Idealfalle authentisch? In älteren Romanen,
etwa in Ann Radcliffes: „Die Geheimnisse von Udolpho“
(wunderschön geschrieben), da gab es dazu den Rückzug ins rein
Private im Erleben der Natur. Der Raum des Erlebens der Natur
fungiert hier noch als die Sphäre der Eigentlichkeit im
Sichzurückziehen aus dem Gesellschaftsleben- ein Grundzug der
Romantik. Die bürgerliche Welt ist eben die der Spießbürger oder
Philister, wie die Romantik es gern formulierte.
Aber
ist in unseren postmodernen Zeiten dies Sichzurückziehen eben auch
nur noch eine Simulation. Das machte dann die Differenz etwa von
Peter Handkes Zurück in die Natur in seinem Naturerleben (etwa: Die
Niemandsbucht) zur Romantik aus. Ist uns vielleicht in der
Postmoderne das eigentliche Ich abhandengekommen, wie dem
Schauspieler sein Ichbewußtsein, wenn er ganz darin aufgeht, den
Liebenden zu simulieren ganz authentisch? Das metaphysische Denken
setzt denknotwendig immer ein Subjekt voraus, das Ich,
substanzontologisch gedacht die Seele, daß dann die Rollen spielt,
aber genau diese exzeptionelle Kritik der Stellung des Iches, (es
sei an Fichtes Ichphilosophie erinnert) wird seit der postmodernen
Kritik am descartischen: „Ich denke, also bin ich!“ in Frage
gestellt (vgl Slavoj Zizek, Die Tücke des Subjekts) bis zu der
These, daß die jeweiligen sozialen Systeme, in denen Menschen
agieren, etwa als Familienvater in dem System der Familie, im System
der Schule als Lehrer etc erst das Subjekt hervorbringen als etwas
dem System Unterworfenes, als eine Funktion des Systemes. Dann würde
der Begriff der Authenzität nichts anderes bedeuten als das
Gutfunktionieren in einem System im Sinne der systemimmannnten
Ordnung.
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