Freitag, 3. April 2020

Beliebte Phrasen: authentisch sein

 
Phrasen sind beliebt, sonst würden sie auch nicht so häufig gebraucht. Authentisch sein,das ist gut und wichtig, wer stimmte da nicht spontan zu. Das muß authentisch rüberkommen...!Auch die kirchliche Predigt hat so sein und nur authentische Politiker werden geschätzt. Nur , dies inflationäre Gerede hellt in keinster Weise auf, was denn dieser Begriff überhaupt aussagt, der inflationäre Gebrauch führt nur dazu, daß der so zur Gewohnheit gewordene Begriff selbstverständlich etwas Gutseiendes ausdrückt, daß es eben selbstverständlich erstrebenswert ist, authentisch zu wirken.
Es soll nun versucht werden, dies Mysterium der Authenzität zu lichten. Beginnen soll die Erörterung mit einer einfachen Szene, der Schlußszene in einem Liebesfilm. Der Mann sagt: „Ja, ich liebe Dich!“ und die Frau, der so die Liebe dieses Mannes offenbart wurde, sinkt ihm in die Arme. Ein schönes Ende eines Liebesfilmes.
Eine Problemexplikation:

A) Der Mann muß diese Aussage so aussprechen, daß die so Angesprochene glauben
kann, daß er sie wirklich liebt. Das ist die Authenzität dieser Aussage.

B) Der Mann schauspielert die Rolle des Liebenden, der nun das sagt. Der Zu-schauer muß also angesichts dieser getätigten Aussage glauben, daß diese Aussage ehrlich gemeint ist. Der Zuschauer weiß aber , daß da ein Schauspieler agiert, sodaß diese Aussage aus dem Munde des Schauspielers eine simulierte Liebeserklärung ist und doch glaubt er, daß sie ehrlich/echt ist. Es ist nur oder gerade eine simulierte Echtheit.

Hier ist die Authenzität also eine schauspielerisch produzierte Simulation. Das Vermögen zu solch einer Simulation zeichnet nun den Schauspieler aus. Er ist so gut, daß der Zuschauer vergißt, daß hier nur diese Liebeserklärung simuliert wird! Wie kann ein Schauspieler das? Meiner Vermutung nach nur , indem er die Differenz in sich, daß er ein Schauspieler ist, der jetzt die Rolle des Liebenden spielt aufhebt, indem er sich ganz mit der zu spielenden Rolle identifiziert. Er wird mit ihr eins, obgleich oder gerade weil er ein Schauspieler ist. Das ist eben die Rollenspielkompetenz des Schauspielers.

Im gesellschaftlichen Leben spielt jeder diverse Rollen, etwa die des Familienvaters Daheim, des Lehrers im Berufsleben, des Vereinsvorsitzenden im Kegelclub, die Rolle des Einkaufenden im Verbruchermarkt, die Rolle des Staatsbürgers in politischen Diskussionen usw. Das Gebot der Authenzität besagt nun einfach, daß die Anderen nicht merken dürfen, daß man hier nur eine Rolle spielt, daß vielmehr der Eindruck zu evozieren ist, daß man das Gespielte auch authentisch ist.

Meine Rollen bin ich, das ist der Anspruch der Authenzität. Nur gelegentlich gelingt das nicht: Es offenbart sich eine Differenz, die zwischen dem, was ich eigentlich bin und dem, was ich simuliere.Der sagt das jetzt nur, weil er das jetzt (von Amtswegen) zu sagen hat! Könnte er ehrlich sprechen, er würde etwas ganz anderes sagen, als er jetzt sagt: mangelnde Rollenspielkompetenz!
Eine Frage drängt sich nun aber auf: Wann ist dann wer überhaupt so, wie er wirklich ist, wenn er im gesellschaftlichen Leben ununterbrochen nur Rollen spielt, im Idealfalle authentisch? In älteren Romanen, etwa in Ann Radcliffes: „Die Geheimnisse von Udolpho“ (wunderschön geschrieben), da gab es dazu den Rückzug ins rein Private im Erleben der Natur. Der Raum des Erlebens der Natur fungiert hier noch als die Sphäre der Eigentlichkeit im Sichzurückziehen aus dem Gesellschaftsleben- ein Grundzug der Romantik. Die bürgerliche Welt ist eben die der Spießbürger oder Philister, wie die Romantik es gern formulierte.

Aber ist in unseren postmodernen Zeiten dies Sichzurückziehen eben auch nur noch eine Simulation. Das machte dann die Differenz etwa von Peter Handkes Zurück in die Natur in seinem Naturerleben (etwa: Die Niemandsbucht) zur Romantik aus. Ist uns vielleicht in der Postmoderne das eigentliche Ich abhandengekommen, wie dem Schauspieler sein Ichbewußtsein, wenn er ganz darin aufgeht, den Liebenden zu simulieren ganz authentisch? Das metaphysische Denken setzt denknotwendig immer ein Subjekt voraus, das Ich, substanzontologisch gedacht die Seele, daß dann die Rollen spielt, aber genau diese exzeptionelle Kritik der Stellung des Iches, (es sei an Fichtes Ichphilosophie erinnert) wird seit der postmodernen Kritik am descartischen: „Ich denke, also bin ich!“ in Frage gestellt (vgl Slavoj Zizek, Die Tücke des Subjekts) bis zu der These, daß die jeweiligen sozialen Systeme, in denen Menschen agieren, etwa als Familienvater in dem System der Familie, im System der Schule als Lehrer etc erst das Subjekt hervorbringen als etwas dem System Unterworfenes, als eine Funktion des Systemes. Dann würde der Begriff der Authenzität nichts anderes bedeuten als das Gutfunktionieren in einem System im Sinne der systemimmannnten Ordnung. 
 

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