Auch auf
die Gefahr hin, biblizistisch zu wirken,muß die Katholische
Theologie, solange sie noch Katholische Theologie sein will und sie
nicht einen Phantasiegott kreieren will, einem Gott nach unserem
Geschmack, sich in erster Linie von der hl. Schrift über Gott
belehren lassen. Das Christentum ist nämlich eine Buchreligion, in
ihrem heiligen Buch ist Gott für uns, lesen und verstehen wir sie
auch, offenbar.
Es steht
geschrieben (ich zitiere wieder nach:Die heilige Schrift des Alten
und Neuen Testamentes mit dem Urtexte der Vulgata, Arndt S.J. 1903):
Werdet
nicht wie eure Väter und Brüder,welche von dem Herrn,dem Gott ihrer
Väter, abfielen, und die er dem Untergange preisgab, wie ihr selbst
seht. (2.Chronik 30,7). Kurz
und prägnant wird hier die Gerechtigkeit Gottes
veranschaulicht: Das Volk fiel
von dem Glauben ab, von seiner Religion und darum strafte
Gott das Volk. Der darauf
folgende Vers 8 konkretisiert das in zwei Hinsichten: Was ist jetzt
zu tuen und was bedeutet dies Preisgeben zum Untergang?
Seid
nicht so halsstarrig, wie eure Väter;bietet dem Herrn die Hand, und
kommet zu seinem Heiligthume, das er auf immerdar geheiligt hat,
dienet dem Herrn, dem Gott eurer Väter, so wird sein grimmiger Zorn
sich von euch wenden.
Der
Untergang des Volkes ist es, daß der Zorn Gottes sich gegen es
wendet.Der Gott Israels ist nicht nur die Quelle des Lebens dieses
Volkes, er kann auch als Zorn die Quelle des Unterganges seines
Volkes sein.Wo der Mensch in eine religiöse Beziehung zu Gott
eingeht, da liegen Leben und Tod nahe beianander. Gott kann segnen
aber auch verfluchen. Der Gott der christlichen Religion ist aber
kein Willkürgott: Er hat -allerdings frei- eine Ordnung gesetzt, an
die er sich selbst hält.Die Treue seines Volkes belohnt er, die
Untreue bestraft er. Das ist die göttliche Ordnung der
Gerechtigkeit. Aber er ist auch gnädig und barmherzig (9):
Denn
wenn ihr zu dem Herrn zurückkehrt, so werden eure Brüder und Söhne
bei ihren Herren,die sie gefangen weggeführt haben, Erbarmen finden,
und werden in dieses Land zurückkehren;denn der Herr, euer Gott, ist
gnädig und barmherzig, und wird sein Angesicht nicht von euch
abwenden, wenn ihr zu ihm zurückkehrt.
Was
war geschehen. Militärpolitisch gesprochen: Nach einer militärischen
Niederlage hat der Sieger als Kriegsbeute große Teile des Volkes in
sein Land geführt, damit es da der Siegermacht diene. Aber so
oberflächlich beurteilt hier die hl. Schrift dies
militärisch-politische Ereignis: Die militärische Niederlage und
die Verschleppung der Kriegsgefangenen, das ist das Strafgericht
Gottes , so zürnte Gott wider sein eigenes Volk, weil es
Gott als seinen Herrn verlassen hatte, indem es sich anderen Göttern
zuwandte. Zu allen Zeiten gab und wird es Pachamamas geben, die die
Gläubigen zum Götzendienst verführen.
Aber
das ist nicht das letzte Wort. Es gibt nun für das Volk die
Möglichkeit der Umkehr, der Rückkehr zur Verehrung des wahren
Gottes.Diese Möglichkeit ist mit einer göttlichen Verheißung
verbunden: Wenn ihr umkehrt, dann wird auch Gott sich wieder
zu euch umkehren. Das ist Gottes Gnade und Barmherzigkeit.
Mit
zwei grundverschiedenen Ordnungen Gottes konfrontiert die hl. Schrift
hier den Leser.die Ordnung der Gerechtigkeit und die der Gnade
und Barmherzigkeit. Beide Ordnungen sind von Gott frei gesetzte,
denn es muß weder die Ordnung der Gerechtigkeit noch die der Gnade
und Barmherzigkeit geben. Aber Gott hat sie so gsetzt. Gerecht ist
Gott, wenn er den Abfall von der wahren Religion bestraft. Gnade ist
es, wenn Gott, weil sein Volk sich wieder zu ihm hinwendet, den Zorn,
den gerechten von seinem Volke hinwegnimmt und wieder für es ist.
Das heißt nun auch, daß Gott die Herzen der Siegermacht den
Kriegsgefangenen seines Volkes zuwendet, sodaß sie heimkehren
können aus ihrer Gefangenschaft. Nicht darf das so verstanden
werden, als hätte nun Gottes Volk die ihm gebührende Strafe
abgebüßt und darum wendet sich Gott ihm wieder zu. Dann verhielte
sich Gott hier nicht gnädig und barmherzig sondern allein
gerecht. Dann wäre Gottes Umkehr zu seinem Volke eine
Handlung Gottes in der Ordnung seiner Gerechtigkeit.Wenn nun die
Umkehr des Volkes zu seinem Gott ein so gutes Werk wäre, daß Gott
darum sich wieder ihm zuwendet, dann wäre auch dies eine
Handlung in der Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit und somit kein
Akt der Gnade und der Barmherzigkeit.
Eine
Handlung der göttlichen Ordnung der Gnade und der Barmherzigkeit ist
diese Umkehr Gottes zu seinem Volke nur, weil Gott anläßlich der
Umkehr des Volkes zu ihm, ihm seine Sünde verzeiht, er aufhört,
das Volk zu strafen und er so sich dem Volke wieder zuwendet. Gott
handelt jetzt also in seiner Ordnung der Barmherzigkeit und Gnade.
Damit
stellt uns dieser Text vor ein gravierendes Problem: Wie kommt es,
daß in Gott es zwei verschiedende Ordnungen gibt und wann handelt
er nach der einen und wann nach der anderen?
Die
Ordnung der Gerechtigkeit ist die allgemeine göttliche Ordnung,
so wie er sich zu allen Menschen verhält.Die Ordnung der Gnade
und Barmherzigkeit ist dagegen die Ausnahmeordnung. Es ist Gottes
Freiheit, gnädig und barmherzig sein zu können,und dem
Sünder, wenn er umkehrt, wieder sich zuzuwenden, indem er seinen
göttlichen Zorn von dem Umkehrer wieder abwendet. Gnade und
Barmherzigkeit ist so kein Anspruch, den der Sünder Gott
gegenüber gelten machen kann, auch ist es nicht die Natur Gottes,
gnädig und barmherzig zu sein, sondern das ist eine reine
Ausnahmeordnung der Gerechtigkeitsordnung gegenüber, die Gott ganz
frei mitgesetzt hat zur Ordnung der Gerechtigkeit. Es gibt keinerlei
Ordnung, die Gott nicht frei gesetzt hat, das heißt, er hätte sie
auch ganz anders setzen können! (Vgl hierzu die Gotteslehre Wilhelm
von Ockhams, der als erster Gott konsequent als Freiheit
dachte.)Weder ist die Gerechtigkeitsordnung das Fundament der
Gnadenordnung noch ist aus der Gnadenordnung die göttliche
Gerechtigkeitsordnung deduzierbar. Gottes Freiheit ist eben gerade
sein Über-den-Ordnungen-Stehen, sodaß er gemäß der einen wie auch
gemäß der anderen agieren kann. Und diese Differenz Gottes zu
seinen eigenen Ordnungen bildet nun den Raum für den religiösen
Kult mit der Bitte, sei uns ein gnädiger Gott. Und darum das
30.Kapitel dann von V12-27 von dem erneuerten kultischen
Gottesdienst.
In
den nachkonzliaren Zeiten herrscht nun die Tendenz vor, Gott auf die
Gnaden- und Barmherzigkeitsordnung zu reduzieren und diese als
göttliche Ordnung zu beseitigen, weil es nun die Natur Gottes sein
soll, gnädig und barmherzig zu sein. Etwas von Gott Geschaffenes,
diese symbolische Ordnung wird zu vergöttlicht als die Natur
Gottes- Gott kann gar nicht anders als gnädig und barmherzig zu
sein. Da aber Gottes Gnade und Barmherzigkeit notwendig die Differenz
zur Gerechtigkeitsordnung Gottes voraussetzt, nichtet die
Vernaturalisierung der Gnade und Barmherzigkeit diese Ordnung selbst,
sodaß nur noch die Rede vom lieben Gott übrigbleibt, der eben nur
lieb ist und der so auch kein gerechter Gott mehr sein kann, aber
auch kein gnädiger. Oder würde jemand die natürliche Liebe der
Mutter zu ihren eigenen Kindern als Gnadenakt oder als
Barmherzigkeitsakt bezeichnen?
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