Montag, 25. Mai 2020

Die christliche Religion und ihre Kirchen noch systemrelevant?

Coronakrise hat gezeigt: Kirchen sind nicht systemrelevant“- so titelte kath net am 22.5.2020. Zurückgefragt werden müßte, ob das nicht schon vorher bekannt war und ob wirklich erst die Coronakrise dies uns andemonstriert hätte. Daß das Messelesen nicht verboten wurde sondern nur, daß die Gottesdienste öffentlich gefeiert werden dürfen, sagt erstmal über die Systemrelevanz der Gottesdienste und Kirchen wenig aus. Es könnte erwidert werden, daß, da doch Verbrauchermärkte nicht geschlossen worden sind, die Gottesdienste aber nicht mehr öffentlich stattfinden konnten, dies zeige, daß Verbrauchermärkte systemrelevant wären, die Gottesdienste aber nicht.Aber dann müßte geschlußfolgert werden, daß Arbeitsämter und Rathäuser auch nicht systemrelevant seien, da doch auch diese geschossen wurden.Nein, die staatlichen Entscheidungen waren klar: Um der Eindämmung der Ansteckungen des Coronavirus willen wurden alle nicht unbedingt nötigen Kontakte so weit wie möglich unterbunden, denn jeder direkte Kontakt enthält nun mal ob dieser Seuche ein Ansteckungsrisiko. Die Kirchen konnten ja weiter ihr „Hauptgeschäft“ durchführen, also: Alle Messen konnten zelebriert werden und die Gläubigen konnten sie per Internet gut mitfeiern. Zudem kann nicht wegdiskutiert werden, daß auch fromme Kirchgänger täglich zu essen und zu trinken haben, aber die Allermeisten selbst unter den Christen gut ohne den Besuch eines Gottesdienstes auskommen. Darum mußten eben die Lebensmittelgeschäfte aufgesperrt bleiben, wohingegen Rathäuser, Arbeitsämter und Kirchen zusperrbar sind, weil es nicht unbedingt notwendig ist, da persönlich zu erscheinen.
Nein, es muß schon prinzipieller gefragt werden, ob die christliche Religion und die Kirchen wirklich systemrelevant sind. Hierauf fällt die Antwort leicht, wenn als Kontrast die „Konstantinische“ Epoche, das „Thron und Altarbündnis“ herangezogen wird, seinen Anfang nehmend mit Kaiser Konstantin und endgültig geendet mit dem Ausgang des 1.Weltkrieges, dem Sturz der drei großen christlichen Monarchien Europas, der russischen, der deutschen und der österreichischen. Das christliche Abendland ging da verloren, auch wenn der Anfang der Auflösung schon die Reformation und die daraus folgenden Religionskriege des 17.Jahrhundertes bildeten. Seitdem ist der Raum der Politik (des Systemes) ein von der Vernunft bestimmter, in dem religiöse Argumente keine Rolle mehr spielen können. Der Raum der Ökonomie hatte sich schon davor von der Religion befreit, so sehr auch der Geist des Kapitalismus auch aus dem Geiste des Protestantismus sich herausentwickelt hatte. (Vgl Max Weber). Die zwei von der christlichen Religion befreiten Räume des Politischen und Ökonomischen machen nun das System der modern säkularisierten Gesellschaften aus, die Religion wurde so in den Privatraum verschoben als Bestandteil der westlichen Kultur und zu der gehört noch für viele auch noch der Besuch eines Weihnachtsgottesdienstes und einer Konzertmusik in der Kirche. Aber ein Blick auf den gegenwärtigen Ethikdiskurs zeigt schon, daß auch in diesem Kernbereich der Kirchen, als sie noch systemrelevant waren, religiöse Argumente keine Rolle mehr spielen. Wenn Kirchen heute noch in dem Raum der Moral und Ethik mitdiskutieren, dann nur noch unter der Maskerade der Politischen Korrektheit. Westeuropa hat sich faktisch von seinem religiösem Fundament, es sei an Novalis: „Christentum oder Europa“ erinnert, so weit entfremdet, daß der Verlust der christlichen Religion gar nicht mehr als Verlust empfunden wird.
Wir erleben so eine Umstrukturierung der Kirchen zu Subsystemen des Sozialstaates mit der Kernkompetenz des diakonischen Engagements. Als solche werden sie noch geschätzt, auch wenn ihre Systemfunktionen dann von beliebigen anderen nichtstaatlichen Trägern auch übernommen werden könnten, sie sind austauschbar geworden.
Die christliche Religion ist aber mit dem Ende der Konstantinischen Epoche zu etwas rein Privatem geworden und so ist diese Religion ohne eine Systemrelevanz, zumal die Politische Korrektheitsideologie díe Funktion der öffentlichen Religion übernommen hat.


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