Samstag, 9. Mai 2020

Wir wurden befreit? Die Sieger schreiben die Geschichte

»Man kann den 8. Mai nicht zum Glückstag für Deutschland machen. Für die KZ-Insassen ist er ein Tag der Befreiung gewesen. Aber es war auch ein Tag der absoluten Niederlage, ein Tag des Verlustes von großen Teilen Deutschlands und des Verlustes von Gestaltungsmöglichkeit.« Gauland (Afd) zum 8.Mai, zitiert nach der „Jüdischen Allgemeinen“ vom 6.5.2020.
Nichts verdeutlicht so sehr, wie sehr in Deutschland die Geschichtsschreibung der Siegermächte verinnerlicht ist, wie der allseitige Protest gegen diese Erklärung des AfD-Politikers. Dabei vertrat ursprünglich nur Josef Stalin das Konzept eines „Befreiungskrieges“, daß er Deutschland von der Hitlerdiktatur befreien wolle. Bekannt geworden ist sein Diktum, die Hitlers kommen und gehen, das Deutsche Volk bleibe.Es wurde dann das „Nationalkomitee freies Deutschland gegründet, aus deutschen Kriegsgefangenen bestehend, die per Propagandaflugblätter deutsche Soldaten zum Überlaufen aufforderten.Parallel dazu führte Stalin aber diesen Krieg gegen Deutschland auch als antideutschen Krieg, als den großen Vaterländischen Krieg. Die westlichen Siegermächte führten nach ihrem Selbstverständnis einen Krieg gegen Deutschland. In den USA gab es eine lebhafte Debatte, wie nach dem militärischen Sieg über Deutschland sicher zu stellen sei, daß von deutschem Boden nie wieder eine Kriegsgefahr ausgehen könne. Die vollständige Deindustrialisierung wurde etwa als Option nach der Besiegung ernsthaft diskutiert.
Daß es dann anders kam, verdankte das von den Westmächten eroberte Westdeutschland dem anhebenden Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion. Westdeutschland wurde zum Frontstaat gegen den Osten wieder aufgebaut.
Und so wurde nun retroperspektiv auch Westdeutschland zu einem „befreiten“ Deutschland. Zu den Gründungsmythen der DDR-Geschichtsschreibung gehörte ja von Anfang an das Narrativ der Befreiung vom Hitlerfaschismus durch die „Rote Armee“. Berücksichtigt man, daß in der sich herauskristallisierenden DDR die Kommunisten mit SPDlern in untergeordneten Funktionen die DDR regierten, ist dies Narrativ gar nicht ganz unverständlich, wurden die Kommunisten doch neben den Juden im 3.Reich von Anfang an verfolgt. Aus der Sicht der Kommunisten war dann der 8.Mai ein Tag der Befreiung, zumal dieser Tag ihnen die Macht in Ostdeutschland gab protegiert von Stalin.
Aber nicht alle Deutschen waren verfolgte Juden oder Kommunisten-für die meisten Deutschen war es ein Tag der Niederlage. Wie viele Deutsche wurden nach dem verlorenen Kriege aus ihrer Heimat vertrieben. Die Politik der ethnischen Säuberungen brachte vielen Deutschen nur den Tod; sie wurden vom Leben so „befreit“.Deutschland verlor seine Souveränität, wurde dreigeteilt und der Vormundschaft der Sieger unterstellt.
Westdeutschland traf es dann besonders schlimm. Da der Grund der nationalsozialistischen Politik in der spezifisch deutschen Kultur bzw dem deutschen Charakter verortet wurde, erlitten wir eine Umerziehung, daß das Deutsche eben das schlechthin Negative sei. Die Verwestlichung der BRD war so gerade auch ihre Entdeutschung. Darum kam einem Westler auf Besuch in der DDR dieser Staat oft als so eigentümlich deutsch vor, so entfremdet ist der Westdeutsche von seiner eigenen Kultur geworden. Dieser Verlust des Eigenen ist wohl der größte Verlust nach dem verlorenen Kriege.
Gab es denn das Deutsche Volk, oder Deutsche Staaten nach dem Kriege noch als eigenständige Subjekte der Geschichte? Seit der Reichsgründung 1871 durch Bismarck war Deutschland den anderen europäischen Staaten ein Staat zu viel, besonders England und Frankreich. Nach 1945 war dies Reich aus der politischen Karte Europas herausgestrichen. Ob jetzt, nach der Vereinigung der BRD mit der DDR Deutschland wieder zu einem souveränen Deutschen Staat werden kann, ist noch ungeklärt. Zu viele Deutsche haben sich gerade in Westdeutschland an das Leben unter einer Hegemonialmacht gewöhnt, ja erachten das eigene Volk als etwas immer zum Faschismus neigendes, das so unter Kuratell zu stellen sei. Das meinen nicht nur Grünenpolitiker. 

Merke: Wir brauchen eine deutsche Geschichtsschreibung. 

1 Kommentar:

  1. Ich stimme dahingehend zu, dass der 8. Mai kein Feiertag sondern ein Gedenktag sein sollte.

    Sonst hätte man ja schon 1990 den 9. November zum Nationalfeiertag erkören können - hat es aber eben nicht getan, weil nicht allein die Maueröffnung 1989 sondern auch die Reichsprogromnacht 1938 und der Waffenstillstand 1918 an der Westfront ebenfalls auf dieses Datum fielen.

    Arbeitsfrei am 8. Mai bundesweit wie bislang schon in Berlin?

    Kann ich mir nicht gut vorstellen, wie da oftmals dann mit Grillwurst, Bier und Partystimmung des Endes des 2. Weltkriegs in Europa "gedacht" würde.

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