Sonntag, 10. Mai 2020

Corona, die Seuche, und der Wille zu Verschwörungstheorien

Auf katholisch de steht es geschrieben: „Bischöfe verbreiten Ver-schwörungstheorien“ (9.5.2020) Aber der Generalvikar Pfeffer klärt uns auf! Der Aufruf des Erzbischofes Vigano, (den auch Kardinal Müller unterschrieb) enthält wirklich eine Verschwörungstheorie:

Diese illiberalen Maßnahmen sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.
Wir glauben auch, daß in einigen Situationen die Eindämmungsmaßnahmen, einschließlich der Schließung von Geschäften und Betrieben, die zu einer Krise geführt haben, die ganze Wirtschaftssektoren zum Erliegen gebracht haben, ergriffen wurden, um eine Einmischung von fremden Mächten zu begünstigen, mit schwerwiegenden sozialen und politischen Auswirkungen.“ (zitiert nach Kath info am 7.Mai 2020.
Mit den illiberalen Maßnahmen sind die staatlichen Schutzbestimmungen zur Eindämmung der Coronaseuche gemeint. Diese erstrebte Weltregierung sei eine subtile Diktatur. Ob dieser Aussagen ist dieser von Kath ino zitierte Aufruf wirklich als eine Verkündigung einer Verschwörungstheorie zu qualifizieren. „Fremde Mächte, die eine weltweite Krise herbeiführen, um dann eine Diktatur zu errichten, dies Grundgerüst einer jeden Verschwörungstheorie findet sich- filmisch sehr gelungen inszeniert- in den Dr. Mabuse Filmen, in den Protokollen vom Zion mit seinen Subtexten, etwa dem Roman: „Biarritz“, Teil 1, „Auf dem Judenkirchhof von Prag“ von Sir John Redcliffe, und in polemischer Verzeichnung in dem Roman: „Der Friedhof von Prag“ von Umberto Eco.
Die Entlarvung solcher Verschwörungstheorien überlasse ich gerne anderen. Ich beschränke mich hier auf die kluge Anmerkung von Armin Risi, „Machtwechsel auf der Erde“, 1999, S.243:
Gibt es also eine Weltverschwörung? Gibt es eine geheime Weltmacht, die die Weltherrschaft innehat? Nein! Die Weltherrschaft hat niemand, aber es gibt viele, die nach Weltherrschaft streben.“
Interessanter als die Entlarvung solcher Theoriekonzepte ist doch die Frage des Warums, warum werden solche Theorien hervorgebracht und warum stoßen sie auf so großes Interesse? Spontan könnte geurteilt werden, daß solche Verschwörungstheorien eine Vorliebe der „Rechten“ seien. So stellt es auch der Generalvikar dar, aber das linke Narrativ vom „millitärisch- industriellem Komplex“, der für die Kriege verantwortlich sei, das Narrativ von der Weltherrschaft des Kapitales oder daß der Staat als ideeller Gesamtkapitalist nur dazu da sei, die Ausbeutung des Volkes zu organisieren, sind das nicht auch alles Verschwörungstheorien?
Ja, sie sind es, werden aber nicht so abqualifiziert, weil es linke Theorien sind.
Am Anfang aller relevanten politischen Begriffe (vgl dazu Carl Schmitt) stehen theologische Begriffe, in unserem Falle der Begriff der göttlichen Vorsehung. Die Weltgeschichte ist nicht einfach ein Strom kontingenter Ereignisse, sondern die göttliche Hand lenkt die Geschichte auf ihr Endziel zu, dem endgültigen Reich Gottes. Wo das menschliche Augen nur zufällig sich Ereignendes wahrnimmt, da führt Gott im Verborgenen seine Regie, er lenkt das Ganze auf ein Endziel hin. Den Emergenzpunkt dazu liefern zwei einfache Phänomene.
Das erste: Ich beobachte zwei Phänomene, ich klatsche im Wald in die Hände und ein Vogel fliegt davon. Das „und“ ist nun für unser Denken das Problematische. Sind das einfach nur zwei Handlungen, ich klatschte und der Vogel flog davon, oder gibt es zwischen ihnen eine (unsichtbare) Verbindung:Weil ich in die Hände klatschte flog der Vogel davon.Diese vermutete Kausalität ist nun selbst nicht wahrnehmbar sondern nur eine kontingente Deutung. Der Vogel könnte ja auch rein zufällig als ich in meine Hände geklatscht habe, losgeflogen sein, weil er etwas Eßbares gesichtet hat, etwa ein Raubvogel eine herumlaufende Maus. Aber unser Denken bevorzugt die kausale Deutung. So ergibt sich für das Denken die Vorstellung einer abgeschlossenen Weltdeutung, in der alle Ereignisse in der Welt kausal begriffen werden und wir so in einer total begriffenen Welt leben könnten.


Das zweite Phänomen: Der Mensch tut etwas, um ein Ziel damit zu realisieren. Der Schüler lernt, um die Matura zu bestehen. Das ist so banal, daß kaum darüber nachgedacht wird. Wenn aber alles menschliche Wirken intentional ist, auf ein Ziel ausgerichtet, muß dann nicht jedem Ereignis in der Geschichte auch ein intentionales Handeln zu Grunde liegen? Was war die Intention der Französischen Revolution, der zwei Weltkriege, der Wirtschaftskrisen etc. Wer so frägt, der muß auch nach Subjekten, den Träger dieser Intentionen fragen.Ist die Geschichte bestimmt gedacht durch die Intention eines einzigen Subjektes, dann nehmen wir einen theologischen Standpunkt ein, nehmen wir, säkularisiert Menschengruppen als die Träger der die Geschichte bestimmenden Subjekte an, produzieren wir Verschwörungstheorien.Das Verschwörerische gründet sich in der Nichtwahrnehmbarkeit der Kausalität bzw der Zweckursache, heutzutage, Intention genannt, Auch die Vorstellung der Intention verbindet zwei Phänomene, etwa: Jemand ging in ein Buchgeschäft und kaufte ein Buch, zu der Aussage: Jemand ging in ein Buchgeschäft, um ein Buch zu erwerben. Aber dies „um zu“ ist selbst nur eine Deutung des „und“, eine kontingente. Dieser Jemand hätte ja auch dies Geschäft aufsuchen wollen, um da seine Freundin, die da arbeitet, aufzusuchen, und dann kaufte er da noch ein Buch, vordem nicht beabsichtigt.
Aber der Wille, das Ganze zu begreifen, nicht in einer Unendlichkeit kontingenter Ereignisse verharren zu müssen, evoziert die Frage nach einer Grundintention, die das Ganze lenkt und so zu einer begreifbaren Totalität formt. Da das Endziel der theologischen Deutung des Ganzen Gottes Herbeiführen seiner Herrschaft ist, verblüfft es nun nicht, daß das Produkt einer säkularisierten Vorsehungslehre ein menschlicher Geheimplan zur Weltbeherrschung ist.
Das Besondere der säkularisierten Weltbeherrschungstheorien ist nun, daß, da Gott nicht mehr als endzeitlicher Weltherrscher erwartet wird, Menschengruppen als Beherrscher erwartet werden, diese Herrschaft nicht als etwas Positives erhofft sondern als etwas Schreckliches gefürchtet wird. Im Namen der zukünftig Unterdrückten wird so jetzt zum Widerstand gegen die Verschwörer aufgerufen.
Daß als Reaktion darauf die Verschwörungstheoretiker bekämpft werden, das ist nun der Beweis der Wahrheit dieser Theorien für ihre Anhänger. Paradox formuliert: Je heftiger die Abwehr solcher Verschwörungstheorien ausfällt, desto wahrer werden sie. Diese Theorien erwirken so durch ihr Wirken erst ihre Wahrheit.(Vgl dazu auch sehr gediegen: Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel)



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